Gegen die Färöer kann die deutsche Nationalmannschaft heute das WM-Ticket lösen – 2003 quälte sich die DFB-Auswahl zu einem 2:0-Sieg.
Tórshavn. Der Wind trieb die Wolken über die steilen Klippen, der Blick auf den Atlantik war atemberaubend, als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit ihrem Atlantic-Airways-Flieger am Montagmittag in den engen Talkessel von Vagar einflog. Nur speziell ausgebildete Piloten dürfen den Flughafen ansteuern – und die sorgten dafür, dass Bundestrainer Joachim Löw und sein Team einen weitgehend ruhigen Flug auf die Färöer erlebten.
Auf der kleinen Inselgruppe weit im Norden Europas wartete auf die DFB-Auswahl nach der Landung um 12.20 Uhr Ortszeit (13.20 Uhr MESZ) ein besonderes Abenteuer. Die Schafsinseln gelten als äußerst stürmisch, gespielt wird im wegen eines Umbaus nur 4000 Zuschauer fassenden Tórsvøllur-Stadion auf Kunstrasen, und erstmals wohnen Philipp Lahm und Co. sogar mit dem Gegner in einem Hotel.
Aber trotz der ungewöhnlichen Umstände des Trips von München auf die rund 2000 Kilometer entfernten Färöer, die nur 48.000 Einwohner, dafür über 70.000 Schafe haben, gibt es für das DFB-Team nur ein Ziel, um nicht zur Lachnummer der Fußball-Welt zu werden. „Es ist wichtig, dass wir die Bedingungen annehmen: den Platz, das Klima, vielleicht auch den Wind. Die Insel wirkt rau, ist fantastisch schön. Aber das Einzige, was mich interessiert, ist, dass wir drei Punkte holen“, stellte Löw vor dem WM-Qualifikationsspiel (20.45 Uhr MESZ/ARD) gegen einen der letzten Fußball-Zwerge Europas klar. Das Team von Trainer Lars Olsen belegt Platz 175 der Weltrangliste (von 209), hinter Mauritius und vor Taiwan. Schlechter sind in Europa nur Andorra und San Marino. Die vergangenen 13 Spiele hat das „Landslidid“ allesamt verloren. Acht Akteure spielen für ausländische Vereine. Torhüter Gunnar Nielsen vom schottischen Club FC Motherwell gilt als bester Spieler, was er auch im Oktober 2012 in Hannover beim 0:3 bewies, als er stark hielt.
Wie schwer so ein Spiel allerdings werden kann, erlebte der dreimalige Welt- und Europameister vor zehn Jahren, als er in Tórshavn eine Blamage durch späte Tore von Miroslav Klose (89.) und Fredi Bobic (90.+1) gerade noch verhindern konnte. Rekordtorschütze Klose erinnert sich: „Da sind die Bälle in den Wolken verschwunden und wieder aufgetaucht.“
Immerhin zwölf Grad und nur mäßiger Wind sind für Dienstagabend vorausgesagt, wenn Deutschland den entscheidenden Schritt in Richtung WM 2014 in Brasilien machen kann. Fünf Punkte Vorsprung hat das DFB-Team auf Schweden. Bei einem eigenen Sieg und einem Ausrutscher der Skandinavier in Kasachstan wäre das Ticket für Brasilien gelöst.„Wir sind froh, dass wir einigermaßen früh im Jahr dort spielen und nicht im Oktober. Jetzt sind die Bedingungen noch okay“, sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Bayerns Verteidiger Jerome Boateng sieht bei heftigem Wind selbst für die eigenwilligen Frisuren mancher Nationalspieler keine Gefahr: „Frisurentechnisch sind wir gut aufgestellt“, sagte der Münchner mit breitem Grinsen.
Spannender sind für die weit gereisten DFB-Profis da schon eher die Bedingungen der Dienstreise, der „sehr moderne Kunstrasen“ (Löw) ist da noch am wenigsten exotisch. Auf der Speisekarte des Faroyar-Hotels steht etwa Grindwal. Doch DFB-Sternekoch Holger Stromberg werde natürlich nur Essen kredenzen, „das ethisch und moralisch vertretbar ist. Walfleisch gehört sicher nicht dazu“, betonte Nationalmannschaftssprecher Jens Grittner. „Der Lachs schmeckt mir hervorragend. Aber Walfleisch werde ich nicht essen“, betonte auch Löw.
Genauso einzigartig ist für den DFB-Tross die Tatsache, mit den Färingern angesichts mangelnder Hotel-Alternativen unter einem Dach zu wohnen. Normalerweise schotten sich die Deutschen zur Vorbereitung komplett ab, diesmal ist etwa der Frühstücksraum nur durch eine Stellwand getrennt. „Das ist ja fast wie im Olympischen Dorf“, witzelte Bierhoff. Er denke nicht, „dass der Gegner uns im Hotel in die Quere kommt“, meinte Löw, und Per Mertesacker fügte an: „Das habe ich zwar noch nicht erlebt. Aber das ist nur eine Nacht Tür an Tür mit den Färingern, das werden wir schon verkraften.“ Viel wichtiger sei für ihn ohnehin, „dass wir uns dem Kunstrasenplatz wieder nähern und unser Passspiel aufziehen“.
Die Zuversicht ist groß, keine böse Überraschung zu erleben, auch „wenn ich hinter einem Tor Glas gesehen habe und hinter dem anderen eine Betonwand“, so Löw schmunzelnd: „Ich hoffe, dass wir trotzdem das Tor treffen.“ Dies soll wieder Klose übernehmen, der vom Bundestrainer eine Einsatzgarantie erhielt. Nicht mit an Bord war der Dortmunder Marco Reus wegen eines Magen-Darm-Infekts. Als Alternativen auf der linken offensiven Mittelfeldseite nannte Löw André Schürrle und Julian Draxler. Ansonsten hat der Bundestrainer eigentlich wenig Grund, etwas zu verändern. Für den Dortmunder Mats Hummels bliebe wie gegen Österreich nur der Platz auf der Bank.
DFB: Neuer – Lahm, Mertesacker, Boateng, Schmelzer – Khedira, Kroos – Müller, Özil, Draxler (Schürrle) – Klose