Wolfgang Overath schrieb nach der turbulenten Mitgliederversammlung flugs noch ein paar Autogramme, dann verschwand er mit einem dicken Aktenordner unter dem Arm von der großen Bühne. Zurück ließ das Idol des 1. FC Köln mit seinem Rücktritt einen führungslosen und zum Teil gespaltenen Fußball-Traditionsklub. „Bleibt alle dem FC treu“, sagte Overath noch wohlwollend, bevor er mit seinen ebenfalls scheidenden Präsidiumskollegen Friedrich Neukirch und Jürgen Glowacz die Kölnarena verließ.

Köln. Overath und Co. haben den dreimaligen deutschen Meister in ein Chaos gestürzt. Bis zur außerordentlichen Mitgliederversammlung, die wohl erst im nächsten Jahr stattfinden wird, werden der neue Verwaltungsratsvorsitzende Werner Wolf und sein Stellvertreter Josef Sanktjohanser dem Klub kommissarisch vorstehen.

Ein möglicher Nachfolger war nach dem überraschenden Rücktritt des Weltmeisters von 1974 noch nicht in Sicht. Gehandelt wurde ad hoc unter anderem der aktuelle Geschäftsführer Claus Horstmann, der auf der Mitgliederversammlung allein schon durch sein großes Fachwissen und angenehmes Auftreten Pluspunkte sammeln konnte - wenngleich er den Vorstandsvorsitz kaum ehrenamtlich machen würde.

Overath ist etwa im Vergleich zu Horstmann aus einem anderen Holz geschnitzt. Kritische Stimmen empfand der gebürtige Siegburger jeher als Majestätsbeleidigung. Auf der Mitgliederversammlung beklagte der zum Jähzorn neigende Overath mangelnden Respekt, ließ diesen aber selbst vermissen, als er seinen größten Kritiker Stefan Müller-Römer von der Initiative FC Reloaded hämisch abkanzelte („Dieser Herr mit den Haaren ...“).

So präsentierte sich der FC als ein in zwei Lager gespaltener Verein, was in einem Handgemenge zwischen Overath-Anhängern und -Gegnern gipfelte. „Die tumultartigen Szenen haben sehr weh getan“, sagte Neukirch, der sich an die chaotische Versammlung aus dem Vorjahr erinnerte, als das Präsidium nicht entlastet worden war: „Irgendwo haben wir uns die Frage gestellt, wie weit tut man sich das noch an.“

HSV-Idol Uwe Seeler, der 1998 in einer ähnlichen Situation bei den Hanseaten das Handtuch geworfen hatte, zeigte Verständnis für den Schritt seines Freundes und früheren Nationalelf-Kollegen. „Auch wenn es schade ist. Aber ich glaube, dass er sich gewisse Dinge nicht mehr antun muss. Wolfgang war ein Weltklasse-Spieler, ist ein erfolgreicher Geschäftsmann. Irgendwann sind eben Grenzen erreicht“, sagte Seeler der Nachrichtenagentur dapd. Overath sei sicher auch ungerecht behandelt worden.

Den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit wollte das Overath-Team nicht gelten lassen. „Wir haben einen Verwaltungsrat, eine solide Geschäftsführung. Der Klub ist gut aufgestellt. Es gibt genügend Persönlichkeiten, die die Klubführung übernehmen können“, sagte Neukirch.

Dieses Thema rückt am Donnerstag erstmals im Verwaltungsrat auf die Agenda. Allerdings werde die Suche einige Wochen benötigen, sagte der neue Verwaltungsratsvorsitzende Werner Wolf in einem Interview auf der klubeigenen Internetseite: „Es geht bei dieser Entscheidung um eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft des Vereins. Das kann man nicht übers Knie brechen.“ Ein Kandidatenkreis soll erstellt werden. Dem dürfte Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma nicht angehören, nachdem er von den Mitgliedern abgestraft und erst im zweiten Wahlgang in den Verwaltungsrat gewählt worden war.

Overath wollte sich bei der Kandidatensuche nicht einmischen, tat es aber doch. „Wir hoffen, dass Personen an der Spitze des Klubs stehen werden, die den 1. FC Köln nicht in erster Linie als ein Wirtschaftsunternehmen sehen, sondern einen Fußballverein mit großer Tradition. Ein Verein wie der FC hat es auch verdient, eine Seele zu haben“, sagte Overath.

FC-Trainer Stale Solbakken rechnet in den nächsten Tagen mit einigen Nebengeräuchen. „Wir wissen, dass es in den kommenden Tage mehr Unruhe geben wird“, sagte der Norweger dem Kölner „Express“. Und Overath? Der will sich erst einmal zurückhalten. „Vielleicht fällt uns in 14 Tagen oder drei Wochen noch etwas Neues ein.“

Das ist Wolfgang Overath:

Geboren: 29. September 1943 in Siegburg

Privatleben: Verheiratet mit Karin, zwei leibliche Söhne (Marco und Sascha) und eine Adoptivtochter (Sylvana)

Stationen als Spieler: Siegburger SV 04 (1953-62), 1.FC Köln (1963-1977) – 765 Spiele, 287 Tore (Bundesliga: 409 Spiele, 83 Tore)

Erfolge als Vereinsspieler: Deutscher Meister (1964), Deutscher Pokalsieger (1968, 1977)

Erfolge als Nationalspieler: Vize-Weltmeister (1966), Weltmeister (1974) – 81 Spiele, 17 Tore

Sportfunktionär: Mitglied im Verwaltungsrat des 1.FC Köln (1994-1998), Präsident des 1. FC Köln (14. Juni 2004 – 13. November 2011)