Bislang seien keine gewaltbereiten Fans in Erscheinung getreten. Ganz Deutschland erhofft sich ein friedliches deutsch-türkisches Fußball-Fest.
Berlin. In den Stunden vor dem Anstoß des EM-Qualifikationsspiels zwischen Deutschland und der Türkei ist die Stimmung unter den Fans friedlich. Bislang seien keine auffälligen oder gewaltbereiten Fans in Erscheinung getreten, teilte die Polizei am Freitagnachmittag mit. Im Vorfeld wurde von Fans aus dem „Problemfeld-Lager“ gesprochen, die bei dem Spiel dabei sein würden. Die Polizei hat deshalb umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Polizeipräsident Dieter Glietsch zeigte sich aber optimistisch. Er habe keinen Zweifel daran, dass die Begegnung und das deutsch-türkische Fußballfest störungsfrei verlaufen würden.
Das Olympiastadion ist mit mehr als 70 000 Besuchern ausverkauft. Die größte Fußball-Fanparty mit der Live-Übertragung des Spiels (20.45) auf eine Großbildleinwand beginnt auf dem Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg bereits um 17.00 Uhr. Etwa 4000 Fans werden erwartet. Auch an zahlreichen anderen Treffpunkten in der Stadt wird das Spiel (20.45) für Public Viewing Gäste wie zuletzt die Spiele der Fußball-WM 2010 in Südafrika live übertragen.
Khedira und Kroos - Löws neue Schaltzentrale
Die Hauptstadt ist immer einen Besuch wert. Wer von Berlin in kurzer Zeit viel sehen will, kann sich einer der vielen Bustouren anschließen. Bei der City Circle Tour kann man sich für 20 Euro den gesamten Tag zum Sonycenter, Alexanderplatz oder Checkpoint Charlie kutschieren lassen. Eine verlockende Aussicht, die Sami Khedira gestern allerdings höflich ausschlug. "Wir sind nicht wegen einer Stadtrundfahrt nach Berlin gekommen", sagte der Mittelfeldstar von Real Madrid und verkündete im gleichen Atemzug, was sein eigentlicher Beweggrund für den einwöchigen Betriebsausflug mit der Nationalmannschaft in die Bundeshauptstadt ist: "Berlin kenne ich schon. Wir sind gekommen, um gegen die Türkei drei Punkte zu holen."
Um das vorgegebene Ziel tatsächlich zu erreichen, sollte sich Khedira bis zum Aufeinandertreffen mit der Türkei ( 20.45 Uhr/ZDF und Abendblatt-Liveticker ) wohl wirklich lieber nur auf das Spiel konzentrieren. Khedira ist 23 Jahre alt, stand bei 14 Länderspielen auf dem Platz und hat nach Bastian Schweinsteigers verletzungsbedingter Absage von Bundestrainer Joachim Löw den Auftrag bekommen, am heutigen Abend nicht mehr und nicht weniger zu tun, als das deutsche Mittelfeld zu organisieren. "Sami hat immer Verantwortung übernommen. Er hat seine Aufgaben bislang hervorragend gelöst, egal ob bei uns oder bei Real Madrid", verteilte Löw gestern fleißig Vorschusslorbeeren, die sich Khedira spätestens heute Abend auch verdienen will.
Neben Kroos macht sich auch Träsch Hoffnungen auf einen Startplatz
Bei aller Wertschätzung für Khedira betonte Joachim Löw vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei allerdings auch, dass der gebürtige Stuttgarter Schweinsteiger, der wegen eines Kapselbandanrisses im rechten Fußwurzelgelenk ausfällt, alleine nicht ersetzen kann. "Bei uns müssen nun mehrere die Verantwortung übernehmen", sagte Löw, der zunächst offenlassen wollte, wer an der Seite des neuen Mittelfeldchefs spielen darf. Bayerns Toni Kroos, Stuttgarts Christian Träsch und auch Kroos' Vereinskollege Thomas Müller kämen für die Rolle des zweiten Sechsers infrage, sagte Löw, der mit dieser Auflistung wohl nur die türkischen Journalisten, die gestern Mittag in der Mercedes-Welt am Salzufer in etwa so zahlreich erschienen, wie ihre Landsleute heute Abend im Olympiastadion erwartet werden, verwirren wollte. Topfavorit für die offene Planstelle im defensiven Mittelfeld ist Offensivmann Kroos, der ähnlich wie Schweinsteiger Druck nach vorne entwickeln könnte. "Ich will keinen Verwalter auf dieser Position. Wer hier spielt, muss immer wieder in die Spitze reinstoßen und weite Wege gehen, sehr weite Wege", gab Löw zumindest das Stellenprofil bekannt, das bestens zu Bayerns Allrounder passt. "Ja, Kroos kann das", gab Löw nach einigen hartnäckigen Nachfragen dann auch zu.
Als Löws gehorsamer Musterschüler wollte auch Khedira keine Präferenz für einen der drei Kandidaten abgeben, der mit ihm heute Abend den neuen "Zentralrat" der deutschen Mannschaft bilden solle. "Alle drei haben ihre Qualitäten", sagte der Madrilene, der neben Löw auch Reals José Mourinho als einen seiner Fans zählen darf. Gerade mal drei Minuten hatten gereicht, berichtete Khedira der "Süddeutschen Zeitung", um sich über einen Wechsel vom VfB Stuttgart zum größten Klub der Welt zu verständigen. Mourinho habe ihn schon länger beobachtet, die WM habe ihm dann Gewissheit verschafft. "Mourinho erwartet von mir noch mehr Cleverness. Er erwartet Ordnung und Disziplin", erzählte Khedira, der bei seinen Ausführungen auch im weißen Kapuzensweater so abgeklärt wirkte wie Bundespräsident Christian Wulff bei einer Rede zur Lage der Nation.
Auch gegen Kasachstan sollen Khedira und Kroos das Mittelfeld ordnen
Ist das Zusammenspiel mit Kroos ähnlich abgeklärt, dürften die beiden "Ks" auch am Dienstag gegen Kasachstan das deutsche Mittelfeld ordnen. Und auch wenn Khediras Einstellung zu seinem Beruf lobenswert ist, sollte bei dem Trip nach Astana doch ein wenig Zeit für touristische Zwecke reserviert werden. So häufig kommt man jedenfalls nicht in den zentralasiatischen Staat zwischen dem Kaspischen Meer und dem Altai. Auch Khedira nicht.
Die voraussichtlichen Mannschaftsaufstellungen
Deutschland: Neuer/Schalke 04 (24 Jahre/13 Länderspiele) - Lahm/Bayern München (26/73), Mertesacker/Werder Bremen (26/71), Badstuber/Bayern München (21/6), Boateng/Manchester/City (22/11) - Kroos/Bayern München (20/10), Khedira/Real Madrid (23/14) - Müller/Bayern München (21/10), Özil/Real Madrid (21/19), Lukas Podolski/1. FC Köln (25/81) - Klose/Bayern München (32/103). - Trainer: Löw
Türkei : Volkan Demirel/Fenerbahce Istanbul ((28/44) - Gökhan Gönül/Fenerbahce Istanbul (25/19), Servet Cetin/Galatasaray Istanbul (29/50), Ömer Erdogan/Bursaspor (33/2), Hakan Balta/Galatasaray Istanbul (27/26) - Emre Belözoglu/Fenerbahce Istanbul (30/72), Mehmet Aurelio/Besiktas Istanbul (32/35) - Hamit Altintop/Bayern München (27/59), Nuri Sahin/Borussia Dortmund (22/23), Tuncay Sanli/Stoke City (28/78) - Nihat Kahveci/Besiktas Istanbul (30/67). - Trainer: Hiddink
Schiedsrichter : Howard Webb (England)