Abendblatt:

Herr Kind, wie erfuhren Sie vom Tod Robert Enkes?

Martin Kind (65):

Ich kam von der DFL-Sitzung aus Frankfurt. Nach meiner Landung in Hannover wurde ich von meinem Büro informiert, dass ich mich bei der Polizei melden solle.

Abendblatt:

Wurde Ihnen sofort mitgeteilt, dass es sich um einen Selbstmord handelte?

Kind:

Nein, ich ging fest von einem Verkehrsunfall aus. Als ich dann von den Umständen erfuhr, konnte und wollte ich es nicht glauben. Mich hat das sehr mitgenommen. Ich habe kaum geschlafen, bin tief betroffen und absolut fassungslos. Unvorstellbar.

Abendblatt:

Wie haben Sie Enke erlebt?

Kind:

Ich habe ihn immer als sehr starke Persönlichkeit kennengelernt. Er war ein Mann der Konsequenz, sehr sensibel, aber stets ohne ein Zeichen von Schwäche.

Abendblatt:

Hätte Ihr Verein rückblickend die Tragödie verhindern können?

Kind:

Nein, wir alle haben ja erst jetzt von dem vollen Umfang seiner Krankheit erfahren. Und das ist ja das Schlimme: diese Ohnmacht. Seine Angst vor der Öffentlichkeit hat ihn letztlich zu diesem Schritt bewogen. Wenn man nichts von Problemen weiß, kann man auch nicht helfen.

Abendblatt:

Denken Sie, dass der Tod Enkes die Menschen für die Krankheit sensibilisieren wird und somit auch etwas Positives haben könnte?

Kind:

Ich hoffe es. Und genau das wollte Frau Enke mit der Pressekonferenz ja auch erreichen: nichts verheimlichen! Die Chance zur Heilung suchen und wahrnehmen! Sich zu der Krankheit bekennen!

Abendblatt:

Die Anteilnahme ist groß. Überraschen Sie Dimension und Tragweite seines Todes?

Kind:

Ja, das überrascht mich schon ein wenig. Nicht unbedingt in Hannover, wo man aufgrund seiner Bedeutung für den Verein und die Stadt von einer solchen Trauer und Emotionalität ausgehen konnte. Aber mit derartigen bundesweiten Reaktionen war nicht zu rechnen. Sie sind überwältigend und das Ergebnis seiner Persönlichkeit, Beliebtheit und Professionalität. Er hat sich diese Sympathien erarbeitet.

Abendblatt:

Denken Sie, dass er sich dieser Popularität bewusst war?

Kind:

Nein. Ich vermute, dass er sich das so nicht ausgemalt hätte.

Abendblatt:

Wie geht es jetzt weiter bei Hannover 96?

Kind:

Wir werden die ganze Situation mit Distanz und Ruhe sehr genau analysieren. Jedem einzelnen Spieler ist bis zur nächsten Woche freigestellt, ob er trainieren will. Es gibt das Angebot, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aber irgendwann muss es ja weitergehen. Wir werden in den kommenden Tagen besprechen, wie wir mit Roberts Tod im kommenden Bundesligaspiel gegen Bayern München umgehen werden.

Abendblatt:

Es heißt, Enkes Rückennummer, die Eins, solle in Hannover nicht mehr vergeben werden.

Kind:

Vieles spricht dafür, ja. Aber das ist momentan sicherlich nicht ein Thema mit höchster Priorität.