Nach dem 2:2 in Hoffenheim sagen auch die Bayern, dass Wolfsburg den Titel holt. Trotz Zittern um die Champions League sollen neue Stars verpflichtet werden.

München. Die Führungstroika übte sich demonstrativ in Einigkeit. Die Meisterschaft ist gelaufen, war der Tenor der Vereinsoberen des FC Bayern. Nur gratulieren wollten sie noch nicht. "Einem Jubilar gibt man ja auch nicht einen Tag vorher die Glückwünsche", sagte Franz Beckenbauer, der Präsident. "Aber Wolfsburg wird es schaffen", sagte Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsboss. Und Uli Hoeneß, der Manager, der am späten Sonnabend nach dem 2:2 (2:2) in Hoffenheim ins Aktuelle Sportstudio geeilt war, hob die grüne Karte, als die Frage nach dem Meistertitel kam.

Wolfsburg wird die Schale gewinnen, sollte jenes Handzeichen bedeuten. Das rote Exemplar für seinen FC Bayern ließ er liegen. Er war in diesem Moment Realist, obwohl er gerne von sich sagt, er sei "ein alter Phantast" oder wenigstens "ein alter Optimist". Und dass er rechnen könne. "Wenn Bremen gegen Wolfsburg gewinnt und wir gewinnen gegen Stuttgart - wissen Sie, wer dann deutscher Meister ist?", hatte er zuvor noch über den letzten Spieltag philosophiert. Die Bayern wären nach Hoeneß' Szenario Tabellenführer, erstmals in dieser Saison. Die Chancen lägen jetzt aber nur bei "drei bis fünf Prozent". Es war ein zaghaftes Aufbäumen der Abteilung Attacke.

Mit dem Remis ist den Bayern wohl der entscheidende Ausrutscher im Titelendspurt unterlaufen. Dabei erinnerte vor allem die erste Hälfte an das 2:1 aus der Hinrunde, dem wohl besten Bundesligafußball der Saison. Mit einem wirbelnden Carlos Eduardo und einem ungemein kraftvollen und eleganten Demba Ba bei den Hoffenheimern. Mit Franck Ribery auf Seiten der Münchner, der zuvor noch von der medizinischen Abteilung betreut wurde, und dann zauberte, als sei nichts gewesen. Doch auch am Sonnabend offenbarten die Münchner unter Interimstrainer Jupp Heynckes Schwächen, die sie schon die ganze Saison begleiten: Schlampigkeiten in der Chancenverwertung und Fahrlässigkeiten in der Rückwärtsbewegung.

Zwei Punkte fehlen ihnen nun zu Tabellenführer Wolfsburg. Rechnerisch können sie ihren Titel noch verteidigen. Und so gab es auch jene, die an Historisches erinnerten. Kapitän Mark van Bommel war so einer. "Im Fußball habe ich schon verrückte Dinge erlebt", sagte er und machte sich zum Vorsprecher der bayrischen Daueroptimisten, die an den Sommer 2000 dachten. Als Leverkusen nur noch einen Punkt von der Schale entfernt war, aber am letzten Spieltag bei Unterhaching verlor. Am Ende bejubelten die Bayern die Meisterschaft.

Doch auch von Rang vier trennt sie diesmal nur ein Zähler. Und so versuchten sich die meisten gar nicht erst in Kampfansagen. "Unser Ziel muss es sein, den zweiten Platz zu verteidigen", sagte Philipp Lahm. Am Sonnabend gegen den punktgleichen Dritten Stuttgart habe man ein "Endspiel", weil der Verlierer auch noch aus den Champions-League-Rängen fallen kann. "Keiner will im Uefa-Cup kicken", sagte Lahm.

Es ist das Schreckensszenario der Münchner, weil jener Verlierercup, wie ihn Beckenbauer taufte, erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen hätte. Mindereinnahmen von 40 Millionen Euro wären die Folge, und auch eine gesunkene Positionierung auf dem Transfermarkt. Jene Aktivitäten werde man zügig angehen, kündigte Rummenigge an. Und Hoeneß ließ wissen, dass man "noch etwas Geld in die Hand nehmen" müsse. Seine Erfolgsformel heißt Ribery plus weitere Verpflichtungen. In allen Mannschaftsteilen werden die Münchner wohl nachbessern. Im Tor, weil die geschasste Nummer eins, Michael Rensing, "nur wenig Fürsprecher" (Hoeneß) hat. In der Abwehr ist immer noch die rechte Außenbahn vakant. Für die zentrale Mittelfeldposition werden Yoann Gourcuff (Bordeaux) und Alexander Hleb (Barcelona) und als möglicher Zugang für die Offensive Mario Gomez (Stuttgart) gehandelt.

Die größte Aufgabe jedoch wird sein, Ribery zum Bleiben zu bewegen. Seit langem schon kokettiert der Franzose mit einem Wechsel. Immer wieder wird er mit Real Madrid in Verbindung gebracht, weil dort nun Zinedine Zidane in die Position des Sportdirektors gehievt werden soll. Was seine Zukunft angehe, sei nichts entschieden, sagte Ribery der "L'Equipe". Bis 2011 hat er in München Vertrag. "Warum sollten wir einen superstarken Spieler abgeben?", fragte Hoeneß. Die Frage war eine Mischung aus "dem alten Optimisten" und "dem alten Phantasten".

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