Zunächst wollen sie den Streit um die Pacht beenden, um die Hände frei zu bekommen – für eine neue Vermarktung der Rennstrecke.

Nürburg. Die Nürburgringsanierer arbeiten am Neustart: Die beiden frisch gekürten Experten wollen zuerst mit den gekündigten Pächtern der Rennstrecke über deren Abzug verhandeln. Erst nach einer Vereinbarung über die Beendigung des Pachtvertrags und die Räumung sei der Weg frei für eine neue Vermarktung und die weltweite Suche nach Investoren, sagten der vorläufige Sachwalter Jens Lieser und der Sanierungsgeschäftsführer der landeseigenen Besitzgesellschaft Nürburgring GmbH, Thomas B. Schmidt, am Mittwoch.

Die Gesellschafter der privaten Betreibergesellschaft Nürburgring Automotive GmbH (NAG), Jörg Lindner und Kai Richter, gingen derweil in die Offensive: In der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Donnerstag) wehrten sie sich gegen den Vorwurf, Schuld an der Pleite zu sein. Sie attackierten die Landesregierung und brachten die Idee ins Spiel, selbst für die Rennstrecke zu bieten. „Wir haben ein Konzept für das Formel-1-Rennen am Nürburgring entwickelt, das ohne einen Geldzuschuss des Landes auskommt“, sagte Lindner. Auf die Frage, ob die jetzigen Pächter bei einem Neuanfang als mögliche Investoren eine Rolle spielen könnten, sagte Lieser dem SWR: „Wir sind nicht auf bestimmte Investoren fixiert, wir sprechen mit allen.“

Der Chef der Grünen-Landtagsfraktionschefs, Daniel Köbler, geht unterdessen davon aus, dass für die finanzielle Schieflage der Rennstrecke auch der Steuerzahler geradestehen muss. Das Land hatte eine Rücklage von 254 Millionen Euro für die Rennstrecke geschaffen. „Es darf heute bezweifelt werden, dass dieses Geld komplett an den Landeshaushalt zurückfließt“, sagte er der „Rhein-Zeitung“.

+++Nürburgring ist pleite - doch die Formel 1 soll bleiben+++

Die Nürburgring GmbH hatte Insolvenz beantragt, weil Pachtzahlungen der Betreiber ausblieben und die EU-Kommission eine neue Finanzspritze des Landes Rheinland-Pfalz nicht genehmigen will.

Zu den Maßnahmen der Sanierer gehört auch die Entscheidung, die bisherigen Geschäftsführer der Besitzgesellschaft, Gerd Weisel und Hans-Joachim Koch, von ihren Aufgaben zu entbinden. Ziel der Maßnahmen ist nach Angaben der Experten, die Arbeitsplätze und Unternehmen im Umfeld der Rennstrecke zu erhalten. Zudem gehe es darum, Großveranstaltungen wie die Formel 1 und „Rock am Ring“ weiter an den Ring zu binden und neue Veranstaltungen zu gewinnen.

Entsprechende Planungen für 2013 laufen bereits an. „Der Zeitdruck ist hoch“, sagte Schmidt. Das Gespräch mit der NAG werde schon in den nächsten Tagen gesucht. Er sei „verhalten optimistisch“. Die NAG wollte zu den Ausführungen zunächst keine Stellung nehmen. „Wir warten erstmal das Gespräch ab“, sagte ein Sprecher.

Das Land – der Hauptgesellschafter der Nürburgring GmbH – und die NAG hatten in einem Rechtsstreit bereits monatelang um eine Lösung gerungen. Dieser Gesprächsfaden soll laut Schmidt nun weitergesponnen werden. Er versicherte auch, es seien gegenwärtig keine Kündigungen bei der rund 30-köpfigen GmbH-Belegschaft geplant. Es gebe sogar die Überlegung, auch die rund 200 Beschäftigten der NAG zu übernehmen.

Die Nürburgring GmbH hatte vom vorläufigen Gläubigerausschuss die Zustimmung für ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung bekommen. Damit sei es „nicht auf Liquidation und Zerschlagung, sondern auf Sanierung angelegt“, sagte Schmidt.

Zu den Vorwürfen, Schuld an der Pleite zu sein, sagte NAG-Gesellschafter Richter, das Land habe in Brüssel beantragt, 13 Millionen Euro in die landeseigene Gesellschaft schieben zu dürfen. Nach Rechnung des Landes schulde die NAG vier Millionen Euro Pacht. „An uns allein kann die Pleite nicht liegen.“ Die „Hauptverantwortung“ liege vielmehr bei der Landesregierung.

Lindner warf den Landespolitikern laut „Zeit“ vor, spät auf die drohende Pleite reagiert zu haben. Stattdessen habe die Landesregierung versucht, die Pächter zum Ausstieg zu bewegen. Innenminister Roger Lewentz (SPD) habe vor einem Jahr einen „Vernichtungsfeldzug“ gestartet, sagte Richter.

Grünen-Fraktionschef Köbler sagte, noch sei unklar, wie viel Geld der öffentlichen Hand für die weitgehend landeseigene Nürburgring GmbH fließen muss. „Mit der Unterstützung des Insolvenzverwalters müssen wir zu einer Neukonzeption am Nürburgring kommen, die den Schaden für die Steuerzahler so gering wie möglich hält“, sagte er. Anders als Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) will er aber nicht Brüssel für das Desaster verantwortlich machen. „Die Verantwortung für die Fehlinvestitionen am Nürburgring liegt in Rheinland-Pfalz.“

Die CDU-Landtagsfraktion teilte mit, sie begrüße es, wenn Köbler nun einräume, „dass die SPD-Regierung von 2008 an den falschen Weg eingeschlagen“ habe. FDP-Landeschef Volker Wissing sagte dem TV-Sender Phoenix: „Ich glaube, dass die rot-grüne Landesregierung nicht die Kraft hat zur Sanierung.“

(dpa/abendblatt.de)