Kleine Rituale und ein bisschen Aberglauben – Den Vettel-Finger will er nicht mehr so oft sehen

Melbourne. Jenson Button hatte seinen Sieg in Melbourne offenbar geahnt. Das erzählte sein Vater John nach dem Formel-1-Auftakt. „Jenson kam vor dem Start plötzlich zu mir und meinte, dass er nervös sei“, sagte der Senior. Das kannte er nicht von seinem Sohn, also wollte er wissen, was mit ihm los sei. „Jenson sagte mir, dass er spürt, dass er ein schnelles Auto hat, mit dem er gewinnen wird“, erklärte John Button. Und Jenson behielt zur Freude seines Vaters recht. „Er war so cool, so gut und so schnell. Das war wirklich aufregend“, sagte der stolze Daddy nach dem Triumph, der seinen Sohn nun zum WM-Favoriten macht, zumindest bis zum nächsten Rennen – und das findet bereits am Sonntag in Malaysia statt.

Eigentlich konnte Button diesmal auch gar nicht verlieren. Es waren die kleinen Rituale, und ein bisschen Aberglauben kam auch dazu. „Als wir dieses Mal hier ankamen, sagte mir meine Freundin: 'Wir sind witzigerweise im gleichen Zimmer wie vor zwei Jahren, als du gewonnen hast.' Vielleicht ist das also der Grund“, sagte der Brite, für den es bereits der dritte Sieg in Melbourne nach 2009 und 2010 war. Und 2009 wurde Button am Ende auch Weltmeister.

Deshalb schrie er seine Freude bei der Zieldurchfahrt auch heraus und erinnerte an seine WM-Saison. „Welcome to 2009“, „Willkommen in 2009“ – das war eine klare Kampfansage an Weltmeister Sebastian Vettel, der in Melbourne in Button seinen Meister fand, mit dem zweiten Platz aber auch ganz gut leben konnte.

„Jenson will die WM gewinnen und hat heute auf diesem Weg perfekt angefangen“, sagte McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh. Button habe den Sieg ganz klar verdient. In der Tat. Der Vize-Weltmeister der vergangenen Saison dominierte vom Start bis ins Ziel. Nicht nur fahrerisch, auch taktisch, wie Whitmarsh lobte: „Er hat seine Reifen geschont, er hat keine Fehler gemacht, und er hat sich auch nicht beirren lassen, als Sebastian hinter ihm war. Sobald Sebastian näher kam, hat Jenson wieder ein bisschen mehr Gas gegeben.“

Für Whitmarsh war dieser Auftakt ebenfalls äußerst wichtig. Nach etlichen Patzern in der vergangenen Saison war der McLaren-Teamchef bei der englischen Presse nicht unumstritten. Jetzt versprach er in der allgemeinen Euphorie sogar: „Passt auf, Jenson wird noch stärker.“ Doch Button ist Realist und weiß, wie schnell sich die Dinge in der Formel 1 ändern können. „Ich bin sicher, dass wir den Vettel-Finger in dieser Saison noch hin und wieder sehen“, sagte der 32-Jährige, fügte aber sofort hinzu: „Hoffentlich wird das nicht gar so oft der Fall sein. Wir werden hart kämpfen, damit das nicht passiert.“

So richtig glauben konnte der Mann der Stunde sein Glück zunächst nicht. „Ich habe mich im Rennen sogar gekniffen, um sicherzugehen, dass es kein Traum ist“, sagte Button. Und als er nach ein paar Bier und ein paar Gläsern Johnny Walker am nächsten Morgen auch noch im selben Zimmer aufwachte wie bei seinen ersten beiden Siegen, dürfte sich Button schon etwas verwundert die Augen gerieben haben.

Internationale Pressestimmen

Daily Mail: Auf den Punkt! (On the Button!) Das Ergebnis zeigt, dass McLaren die Lücke zu Red Bull geschlossen und die Bühne für eine spannende Saison bereitet hat.

Daily Star: Button ist eines der perfektesten Rennen seiner Karriere gefahren.

Mirror: Es ist nicht so, dass Red Bull das Soll nicht erfüllt hat - sie haben es sogar übererfüllt. Sie sind dieses Jahr nur nicht schnell genug. Noch nicht jedenfalls. Red Bull hat Glück gebraucht, um zwischen die McLaren zu fahren. Am Ende hat Mercedes nicht genug geliefert – und trotzdem haben sie das Potenzial, um den Titel 2012 zu kämpfen.

Gazzetta dello Sport: Vettel hat das mittelmäßige Red-Bull-Auto im Rennen in einen guten Boliden verwandelt. Eine Mahnung für die Gegner: Er ist immer noch der Weltmeister, und in Sepang wird er nach seinem ersten Triumph in diesem Jahr jagen. Alonso hat wieder einmal Ferrari vor dem Untergang gerettet.

Corriere dello Sport: Button ist der König Australiens. Obwohl er das ganze Rennen führt, fällt er kaum auf: Er ist schnell und reif, außerordentlich effizient. Auf dem Podium zeigt er eine Freude, die er lediglich bei seinem WM-Triumph mit Brawn 2009 gezeigt hatte. Red Bull herrscht nicht mehr und das ist eine gute Nachricht für alle, außer für Vettel. Ferrari ist nicht so schlecht, wie man bei der Qualifikation am Samstag befürchtet hatte.

Tuttosport: Vettel tröstet sich mit dem zweiten Platz. Red Bull ist nicht mehr das Auto des vergangenen Jahres, zumindest vorübergehend. Das Team hat Schritte zurück gemacht. Alonso hält Schritt, es ist zu keiner verheerenden Niederlage gekommen, wie man am Samstag noch befürchtet hatte. Die Revolution bei Ferrari hat jedenfalls nicht zu den erhofften Resultaten geführt. Die große Enttäuschung dieses WM-Auftakts ist Mercedes. Schumacher ist sofort k.o.

La Repubblica: Vettel hat nicht das beste Auto und er gewinnt nicht. Er zeigt sich sympathisch, aber man sieht, dass er verärgert ist. Alonso ist ein Meister am Steuer.

Der Standard: McLaren und Red Bull beherrschten Melbourne.

Die Presse: Button: Der letzte Playboy der Formel 1. Die Panzer haben die Schlacht verloren, es hat die Schönheit gesiegt und der Mann mit den sanften Berührungen. Der Auftakt der Formel-1-Saison im Albert Park von Melbourne war ein Fest der Sinne. Der 32-Jährige, der gern als der letzte Playboy der Formel 1 gefeierte Blondschopf, der das Klischee des verwegenen Rennfahrers verkörpert, liegt gut in den Kurven.

Kurier: Jenson Button wird Weltmeister 2012. Zumindest wenn es nach der Statistik geht. Denn in den vergangenen 22 Jahren holte der Auftaktsieger in 17 Fällen auch den WM-Titel.

Blick: Nach dem verrückten Qualifikations-Hit liefert auch das erste Rennen der Saison Spektakel.

Tagesanzeiger: Weltmeister Sebastian Vettel verhindert als Zweiter vor Hamilton den Doppelerfolg von McLaren.