Hamburg. Junes El Ebrashi soll zum Nachfolger von Tim Gerresheim werden. Der Athlet des Fecht-Clubs Rothenbaum bringt Charme und Talent mit.
Einen wie ihn hat Alexander Krause noch nie gesehen. Was auch daran liegt, dass der Trainer beim Fecht-Club Rothenbaum Timothäus „Tim“ Gerresheim (85) nie live in Aktion gesehen hat. Er ist schlicht zu jung, um die Blütezeit des Hamburger Olympia-Bronzemedaillengewinners von Rom 1960 miterlebt zu haben. Aber dafür hat Krause ja Junes El Ebrashi. „Ich bin einfach so happy über ihn bei uns im Verein“, sagt Krause und überschlägt sich dabei fast vor Stolz. Und das mit Fug und Recht.
Ahmed El Ebrashi hat schon etwas mehr Routine im Umgang mit seinem 15 Jahre alten Sohn, sagt aber nicht minder schwer beeindruckt: „Ich war in seinem Alter nicht so drauf“, und bezieht das neben der eisernen Disziplin beim Fechten vor allem auf den Notenschnitt von 1,4 am Gymnasium Heidberg. Nur Junes El Ebrashi selbst wirkt völlig unberührt vom Hype und den Superlativen, die ihn umgeben.
Junes El Ebrashi ist Hamburgs großes Fecht-Talent
Fast so, als hätte er mental schon die Abgeklärtheit des 70 Jahre älteren Gerresheim erlangt, in dessen Fußstapfen er einmal als nächster großer Hamburger Fechtmeister treten könnte. Sportlich hat er dessen Niveau freilich noch lange nicht erreicht. Aber El Ebrashi ist auf dem Weg.
So wie er eigentlich immer irgendwohin auf dem Weg ist. Am Wochenende zum Weltcup nach Frankreich. Im Februar 2025 voraussichtlich zur Europameisterschaft nach Antalya (Türkei), im April zur Weltmeisterschaft ins chinesische Wuxi und regelmäßig für mehrere Wochen am Stück zum Olympia-Stützpunkt nach Bonn. Die psychische Fitness des schmalen, lang aufgeschossenen Langenhorners muss bei diesem Mammutprogramm mindestens auf dem Level seiner psychischen sein.
Athlet des Fecht-Clubs Rothenbaum ist zwölffacher Hamburger Meister
„Das eine funktioniert nicht ohne das andere“, sagt El Ebrashi, den genau diese Mischung aus Körper und Geist am Fechten so fasziniert, seit er als Siebenjähriger damit begonnen hat. Animiert einerseits von Jugendfotos seines Vaters mit Florett, andererseits über seine Mutter Alexandra, die mit Fechtern zusammen studiert hatte „und meinte, die haben alle so einen tollen Charakter, ich solle das auch mal versuchen“, sagt El Ebrashi.
Charakterlich würde aus dem intelligenten Jugendlichen vermutlich auch ohne den Fechtsport ein charmanter junger Mann, gelohnt hat sich die Entscheidung dennoch. Drei deutsche Meistertitel mit dem Team hat El Ebrashi bereits gefeiert, war als jüngerer Jahrgang Siebter im Einzel, ist zwölffacher (!) Hamburger Meister und steht auch auf regionalen Ranglisten der Senioren auf Platz eins.
Mentaltraining hilft 15-Jährigem auf der Planche
„Trotzdem gibt es viel zu machen bei mir“, sagt er. Besonders im Kopf müsse er noch fitter werden als ohnehin schon, um in der Weltspitze mitzuhalten. Dafür nimmt der Florettfechter bereits Mentaltraining bei einer Bekannten mit Expertise auf diesem Feld. Er habe dadurch Rituale entwickelt, die ihm im Gefecht kleine Stützen sind, um konzentriert zu bleiben. „Denn das ist Fechten: ständig umdenken, was als nächstes passiert. Mir macht dieses strategische Denken Spaß. Viele gehen aber ohne Plan auf die Planche“, sagt El Ebrashi, der auch leidenschaftlich Tischtennis spielt.
Von großer Bedeutung für ihn ist, dass sein Trainer an der Bahn steht. „Ich brauche diese Präsenz von ihm, seine Stimme, dann habe ich keine Angst“, sagt er. Doch das ist einer der Knackpunkte. Fechten ist ein kostspieliger Sport, in dem Sponsoren besonders im Nachwuchsbereich kaum vorhanden sind. Eine neue Fechtjacke kostet locker 300 Euro, eine Klinge rund 180 Euro. Der Fecht-Club Rothenbaum kann die Aufwendungen nur zum Teil bezuschussen, die internationalen Reisen zu Wettkämpfen gehen richtig ins Geld.
Papa von Toptalent: „1000 Euro sind nichts für ein Wochenende“
„1000 Euro sind nichts für ein Wochenende. Mit Flügen, Übernachtung, Teilnahmegebühr und Ausrüstung sind die ganz fix weg“, sagt der aus Ägypten stammende Ahmed El Ebrashi, der seinen Sohn zu den meisten Turnieren begleitet, sie auch finanziert. Auch Krause lädt der Inhaber mehrerer Volvo-Autohäuser regelmäßig ein.
Ein großes Invest. Zugleich eines, das Eltern, die es sich leisten können, nachvollziehen können, um ihre Kinder bestmöglich zu fördern. Bei El Ebrashi, den starke Hand-Auge-Fuß-Koordination und Impulskontrolle auszeichnen, kommen zum viermaligen Training in Hamburg die regelmäßigen Einheiten in Bonn dazu. Dauerhaft ins Rheinland ziehen möchte das Toptalent, der einen jüngeren, ebenfalls fechtenden Bruder und zwei Schwestern hat, aufgrund seiner Familienverbundenheit nicht. „Meine Schule ermöglicht es mir, länger abwesend zu sein. Die Mitschüler und Lehrer unterstützen mich“, sagt er.
Olympia 2028 in Los Angeles ist das große Ziel
All das Engagement ist auf das Ziel ausgelegt, für den Fecht-Club Rothenbaum und damit Hamburg erstmals nach Gerresheim wieder Medaillen bei internationalen Großereignissen zu gewinnen. Nicht, weil El Ebrashi, dessen Idol der Franzose Enzo Lefort ist, soll, sondern weil er will. „Wir drängen ihn zu nichts“, stellt sein Vater klar.
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Die Olympischen Spiele in Los Angeles 2028 wären für den in Deutschland aktuell Ranglistenzweiten seiner Altersklasse ein hehres Ziel, die 2032 im australischen Brisbane ein realistisches. „Ich traue ihm alles zu“, sagt Krause, der die Zukunft seines Schützlings noch nicht gesehen haben muss, um daran zu glauben.