Mexico-Stadt. Max Verstappen und Lando Norris gerieten in Mexiko auf der Strecke aneinander. Die Töne und Taten werden rauer im WM-Kampf.
Es ist schon schmutzig in der Formel 1, und es wird noch schmutziger nach diesem Großen Preis von Mexiko. Zwei Rad-an-Rad-Duelle von Max Verstappen mit seinem Verfolger Lando Norris haben das Schicksal des Weltmeisters im Autodromo Hermanos Rodriguez besiegelt. Sie steigerten den Unterhaltungswert im fünftletzten WM-Lauf enorm. Den Überraschungssieg von Ferraris Nummer zwei Carlos Sainz nahm das außer Rand und Band geratene Publikum wohlwollend zur Kenntnis. Lando Norris macht mit seinem zweiten Platz weiter Boden in der Gesamtwertung gut, wenn es auch nur zehn Zähler waren. Aber das Gesprächsthema ist einmal mehr Max Verstappen. Der bekam 20 Strafsekunden und zwei Strafpunkte aufgebrummt, und wurde trotzdem noch Sechster. Maximale Schadensbegrenzung. Vor allem aber zeigt der Niederländer keinerlei Reue. Damit wird es auch keine Ruhe im zugespitzten Duell geben, eher eine Revanche.
Die Machtverhältnisse in der Formel 1 mögen sich im Renngeschehen dramatisch geändert haben, mit Ferrari taucht plötzlich scheinbar aus dem Nichts ein neuer Wettbewerber um die beiden Titel auf, doch an der Kompromisslosigkeit von Weltmeister Verstappen wird sich auch in den ausstehenden vier Rennen nichts ändern. Mit ausgefahrenen Ellbogen hatte er zuletzt in Austin den dritten Platz gegen seinen härtesten Titelrivalen Lando Norris erobert, das hatte den Niederländer darin bestärkt, sich beim Großen Preis von Mexiko mit ähnlich harten Bandagen in das Rad-an-Rad-Duell mit dem Briten zu stürzen. Nur geschah es diesmal schon in der 10. Runde, und diesmal ging es schlecht für den Red-Bull-Piloten aus.
Formel 1: Norris schießt gegen Verstappen
Kassierte Norris in den USA als der Beschuldigte nur fünf Sekunden Zeitstrafe, musste Verstappen zweimal zehn Sekunden beim Boxenstopp absitzen, kassierte zusätzlich zwei Strafpunkte. Einmal für das Abdrängen von Norris im Kampf um Platz zwei, direkt danach, weil er sich unerlaubt einen Vorteil verschafft hatte. Der Brite hatte über Boxenfunk geschimpft: „Es ist wieder das Gleiche. Dieser Typ ist gefährlich!“ Auch sein Vorgesetzter Brown kippt weiter Öl ins Feuer, die Strafe sei wohl immer noch nicht hart genug: „Irgendwo gibt es eine Grenze. Wir wollen sauberen Rennsport.“ Zugleich scheint es immer schmutziger zu werden, viele ziehen bereits den Vergleich zum Duell zwischen Hamilton und Verstappen in der von vielen dramatischen und skandalösen Ereignissen begleiteten Saison 2021.
In der Fahrer-Wertung behält Verstappen bei maximal 120 zu gewinnenden Punkten immer noch 47 Zähler Vorsprung auf McLaren-Pilot Norris, Leclerc liegt weiter 24 Punkte zurück. Wie die riskanten Überholduelle zeigen, kann sich im zugespitzten Wettkampf und bei einer zugleich eskalierenden Stimmung keiner seiner Position sicher sein. In der Konstrukteurs-Wertung hat Ferrari jetzt Red Bull überholt, und liegt nur 29 Punkte hinter McLaren. Weitere Überraschungen in dieser so ungewöhnlichen und dramatischen Saison bleiben nicht ausgeschlossen, schon am Wochenende geht es in Brasilien weiter.
Auch mit den Diskussionen um den Härtegrad, mit denen sich der Champion in die Zweikämpfe auf der Strecke stürzt, reißen jedoch nicht ab. Im Gegenteil, die Dinge eskalieren weiter. Unmittelbar vor dem Rennwochenende war ein McLaren-Protest gegen die Bewertung des Verdrängungswettbewerbs von Austin abgeschmettert worden. Der Automobilweltverband FIA aber hat angekündigt, in Zusammenarbeit mit der Fahrergewerkschaft für die Zukunft neue Zweikampfregeln festzulegen.
Verstappen versucht aus unterdrückter Wut zu gewinnen
Nicht nur Zak Brown weiß, dass sein Fahrer wesentlich in den Zweikämpfen mehr zu verlieren hat. Norris bestätigte in seiner Rennanalyse, dass er deshalb am Start so zurückhaltend geblieben war, als sich Verstappen an Sainz vorbeischieben konnte: „Ich habe gemacht, was mir gesagt wurde.“ Damit meint er die Strategie von McLaren und die Richtlinien der FIA zugleich. Das habe allerdings auch dazu geführt, dass er eine Siegchance verpasst habe. Doch so ist es in diesem Titelrennen, es wird auch über die nötige Aggressivität entschieden werden.
Max Verstappen versucht zusätzliches Momentum aus seiner unterdrückten Wut zu gewinnen. Demoralisiert ist der Mann, der als großer Übeltäter der Formel 1 gebrandmarkt werden soll, jedoch mehr von den neuerlichen Formschwankungen seines Red-Bull-Rennwagens. Mit der Rolle als Angefeindeter hat er in zehn Jahren Königsklasse ja genügend Erfahrung. Die 20-Sekunden-Buße fand er ein bisschen viel. „Aber ich gebe nicht so einfach auf und am Ende geht es auch nicht darum, ob man mit der Strafe einverstanden ist oder nicht.“ Für ihn ist die Linie noch längst überschritten: „Ich werde weiterhin so fahren, wie ich es für richtig halte.“