Herzogenraurach. In der Nations League will der Bundestrainer wieder mehr Wert auf ruhende Bälle legen. Dafür setzt er auf Füllkrug als Verwerter.
Auf dem Titelbild der neuen Ausgabe des DFB-Journals ist ein EM-Moment abgebildet, an den sich Manuel Neuer noch gern erinnert. Der Torwart, der vor drei Wochen seine Karriere in der Nationalmannschaft beendet hat, wird nach einer Doppelparade im zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn von seinen Teamkollegen Joshua Kimmich und Jonathan Tah frenetisch gefeiert. Neuer hatte zuvor einen Freistoß von Dominik Szoboszlai sehenswert aus dem linken oberen Eck gefischt. Es wäre das 1:1 gewesen. Am Ende gewann Deutschland mit 2:0 und qualifizierte sich vorzeitig für das Achtelfinale.
Zweieinhalb Monate später kommt es am Samstag in Düsseldorf gegen Ungarn (20.45 Uhr/ZDF) zur Neuauflage in der Nations League. Was sich seit dem EM-Spiel nicht verändert hat: Die Stärke der Ungarn bei Standardsituationen. Schon vor der Gruppenpartie in Stuttgart hatte Nagelsmann vor den ruhenden Bällen der Ungarn gewarnt. Mit Szoboszlai habe das Team einen „herausragenden Standardschützen“, mit Willi Orban einen „herausragenden Verwerter“. Beide Spieler hatte Nagelsmann einst selbst bei RB Leipzig trainiert. Ungarn sei in der EM-Qualifikation die Mannschaft mit der höchsten Effizienz bei ruhenden Bällen gewesen. „Im Umkreis von einigen Metern müssen wir die Standards verhindern“, sagte Nagelsmann.
Deutschland traf bei der EM nicht nach Ecken oder Freistößen
Deutschland schaffte es schließlich, Ungarns Standardgefahr zu überstehen. Auch dank Neuer. Was die deutsche Mannschaft im weiteren Verlauf des Turniers nicht schaffte: Selbst Torgefahr durch Standards zu entwickeln. Die DFB-Auswahl erzielte zwar zwei Elfmetertore durch Kai Havertz. Nach Ecken und Freistößen blieben die Deutschen aber harmlos. Nico Schlotterbeck köpfte im Achtelfinale gegen Dänemark ein Tor nach einer Ecke, wegen eines Foulspiels zählte der Treffer aber nicht. Insbesondere Havertz haderte mit seinen vielen vergebenen Kopfballchancen.
Die EM-Analyse von Nagelsmann hat ergeben, dass der Bundestrainer künftig wieder mehr Wert legen will auf Standardsituationen. „Wenn wir gerade in einem Spiel wie gegen Spanien als Beispiel einen draufpacken und ein Standardtor erzielen, hilft es dir unter Umständen auch ins Halbfinale einzuziehen“, sagte Nagelsmann vor dem Start der Nations League gegen Ungarn.
Mit Füllkrug und Havertz zusammen gegen Ungarn?
Der Gegner in Düsseldorf gilt dabei als Vorbild. Mit Mads Buttgereit hat die Nationalmannschaft zwar seit August 2021 einen eigenen Standard-Trainer, doch richtig erfolgreich war Deutschland nach ruhenden Bällen zuletzt bei der WM 2014. Vor zehn Jahren.
Für eine erfolgreiche Standard-Mannschaft benötigt es allerdings nicht nur einen entsprechenden Trainer, sondern auch die geeigneten Spieler. Mit Niclas Füllkrug saß bei der EM ein Stürmer zumeist auf der Bank, der seine Stärken nach Ecken, Freistößen und Flanken hat. Der Kopfballexperte wird nun gegen Ungarn an der Seite von Havertz stürmen und soll dafür sorgen, dass Deutschland wieder mehr Tore nach Standards erzielt. „Am Ende sind es Übung, Training und Automatismen“, sagte Füllkrug vor dem Spiel.
Nagelsmann kündigte am Tag vor dem Spiel an, dass Füllkrug ganz vorne in der Spitze spielen wird, Havertz etwas tiefer dahinter oder situativ auch als Doppelspitze. Zudem gab der Bundestrainer Pascal Groß eine Startelfgarantie. Der Neuzugang von Borussia Dortmund soll die Rolle des zurückgetretenen Toni Kroos übernehmen, allerdings auf eine andere Art. „Pascal wird spielen. Er macht aber nicht den Kroos, sondern den Pascal.“
Groß soll Kroos ersetzen, aber in einer anderen Art
Schon nach der EM hatte Nagelsmann angekündigt, dass Groß künftig eine wichtige Position in der Nationalelf einnehmen wird. „Pascal hat viele Lösungen mit dem Ball und keine Angst, den Ball zu kriegen. Das ist ganz wichtig. Er ist fußballverrückt. Im Hause Groß wird viel über Fußball gesprochen, das merkt man. Er ist ein feiner Charakter“, sagte Nagelsmann.
Groß selbst sagte, dass er sich während der EM einiges von Kroos abgucken konnte. „Ich habe es genossen, Toni spielen zu sehen. Ich habe viel gelernt“, sagte der 33-Jährige, von dem nun wiederum junge Spieler wie Angelo Stiller und Aleksandar Pavlovic lernen sollen. „Ich will meine Mitspieler in Szene setzen, aber auch kommunizieren und motivieren“, sagte Groß am Freitagabend bei der Pressekonferenz in Düsseldorf.
Der Neu-Dortmunder machte zudem deutlich, wie wichtig die Spiele in der Nations League für ihn seien. Auch Nagelsmann machte erneut deutlich, dass er dem einst ungeliebten Wettbewerb eine große Bedeutung beimisst. Nicht einverstanden war der Bundestrainer mit der Kritik, die er für seine Aussage erhalten hatte, dass er Weltmeister werden wolle. „Ich finde es verrückt, dass ich von Experten dafür kritisiert wurde, dass ich Weltmeister werden will“, sagte Nagelsmann und schaute nach links zu Pascal Groß, der neben ihm auf dem Pressepodium saß. „Spürst Du mehr Druck, weil ich gesagt habe, dass ich Weltmeister werden will?“ Die klare Antwort von Groß: „Nein.“ Thema erledigt.
Die voraussichtlichen Aufstellungen
Deutschland: Ter Stegen – Kimmich, Tah, Schlotterbeck, Raum – Andrich, Groß – Musiala, Wirtz – Havertz, Füllkrug.
Ungarn: Gulacsi – Balogh, Orban, Dardai – Bolla, Schäfer, A. Nagy, Z. Nagy – Sallai, Szoboszlai – Varga.