Mannheim. Uwe Gensheimer ist nun Sportlicher Leiter der Rhein-Neckar Löwen. Hier spricht er vor dem Start der Saison über seine neue Rolle.

Es ist ein ungewohntes Bild: An diesem Donnerstag beginnt die neue Saison der Handball-Bundesliga, doch Uwe Gensheimer wird nicht auf dem Spielfeld stehen, wenn seine Rhein-Neckar Löwen zum Auftakt den THW Kiel empfangen (20.30 Uhr/Dyn). Der 37-Jährige ist als pfeilschneller Linksaußen und eiskalter Siebenmeterschütze eine Legende im Mannheimer Profiklub und in der Nationalmannschaft, doch seine aktive Karriere hat er Ende Mai beendet. Gensheimer ist aber nach wie vor dabei – nun in neuer Funktion als Sportlicher Leiter der Löwen.

Herr Gensheimer, wann haben Sie mehr Druck und Aufregung vor dem Liga-Auftakt verspürt: als Spieler oder nun als Sportlicher Leiter?

Uwe Gensheimer: Schwierige Frage… Unabhängig von der Rolle als Spieler oder als Team hinter dem Team ist man angespannt vor dem Saisonstart, das ist ganz klar. Es steht ja immer die Frage im Raum, wie weit man in dieser Phase schon ist. Wir hatten sechs Spieler bei Olympia und entsprechend nur zwei Wochen gemeinsame Vorbereitung als neues Team. Da ist eine Standortbestimmung immer schwierig. Aber viele andere Mannschaften haben ähnliche Situationen und egal ob Spieler oder Management: Alle spüren gleichermaßen Vorfreude und Anspannung.

Ihr emotionaler Abschied als Spieler ist gerade einmal drei Monate her. Wie sehr sind die minutenlangen Uwe-Uwe-Sprechhöre noch im Kopf?

Die Bilder habe ich noch immer im Kopf und werde sie auch lange behalten und wertschätzen. Ich konnte auch nicht lange Urlaub machen und die Dinge für mich so richtig verarbeiten, weil ich direkt neue Aufgaben hatte. Wir haben einen neuen Jugendkoordinator und einen neuen Trainer für die zweite Mannschaft installiert. Es galt, junge Spieler in den Profikader einzubauen und ein Auge auf unsere Olympiafahrer zu haben. Es gab also viele Termine und Absprachen. 

So hat man ihn in Erinnerung: Uwe Gensheimer bei den Rhein-Neckar Löwen.
So hat man ihn in Erinnerung: Uwe Gensheimer bei den Rhein-Neckar Löwen. © dpa | Marius Becker

Uwe Gensheimer: „Mir war klar, dass es nur noch ein einziges Durchquälen wird“

Wie lange reifte der Gedanke ans Karriereende?

Es ist schwierig, die Entscheidung auf einen bestimmten Zeitpunkt zu verorten. Über die letzten zwei Jahre war es eher ein Prozess. Der Körper hat ja bei der ein oder anderen Sache nicht mehr so mitgespielt, wie ich mir das vorgestellt hatte. Da muss man nach so vielen Jahren als Profi Tribut zollen. Der letzte Knieunfall und die Kreuzband-OP haben dann auch noch einmal zur Entscheidung beigetragen. Im Reha-Prozess war zu erkennen, dass ich einfach nicht mehr den Spaß haben werde, den es in meinem Alter benötigt, um noch viel länger weiterzumachen. Mir war klar, dass es von da an nur noch ein einziges Durchquälen wird, und das wollte ich nicht.

Der Anschluss als Sportchef stand also fest?

Der Verein kam in dieser Phase auf mich zu, wir haben über einen längeren Zeitraum Gespräche geführt. Wir haben unsere jeweiligen Herangehensweisen und Ziele erörtert und in diesem Jahr bekomme ich auch die Zeit zum Einarbeiten und besuche Fortbildungen. 

Wie fühlt es sich denn nun an, auf der „anderen Seite“ zu stehen?

In der Vorbereitung habe ich nichts vermisst, da bin ich ganz ehrlich (lacht). Das ist ja die härteste Zeit für die Spieler. Aber es wird sicher noch mal die eine oder andere Situation kommen, in der es in den Fingern kribbelt und ich gerne aktiv eingreifen würde. Aber diese Zeit ist vorbei, ich bin da auch völlig d’accord mit meinem Karriereende. Durch die Verletzungen habe ich mich ja auch schon daran gewöhnt, hinter der Bank zu sitzen und ein Spiel aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.

Mit Ihrem Status als Klublegende sind bei den Löwen-Fans große Hoffnungen verbunden, was aber auch Druck mit sich bringt.

Na ja, einer alleine kann das Ganze ja auch nicht stemmen. Ich war lange genug Mannschaftssportler, um zu wissen, dass es nur über das Team geht, über den Aufsichtsrat, die Vereinsführung, das Trainerteam, die Geschäftsstelle – da muss es unser Ziel sein, dass wir diesen Teamgedanken von oben nach unten stärken und der Mannschaft vorleben.

Uwe Gensheimer über unangenehme Entscheidungen in seiner neuen Rolle

Als Sportlicher Leiter gilt es auch, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Vielleicht müssen Sie einem alten Mitspieler bald mitteilen, dass sein Vertrag nicht verlängert wird…

Ja, natürlich, diese Situation wird es auch mal geben, da habe ich auch Respekt vor. Ich bin ja nicht naiv, es wird Entscheidungen geben, mit denen nicht jeder konform gehen wird. Ich bin aber der Meinung, wenn man eine offene und ehrliche Kommunikation fährt, dann ist da auch Verständnis auf allen Seiten da. So habe ich mir das auch als Spieler immer gewünscht.

Einer der Leistungsträger: Spielmacher Juri Knorr.
Einer der Leistungsträger: Spielmacher Juri Knorr. © dpa | Uwe Anspach

Für die Rhein-Neckar Löwen verlief die letzte Saison enttäuschend: Platz zwölf, finanzielle Schwierigkeiten, die Trennung von Geschäftsführerin Jennifer Kettemann… Eine heikle Zeit, um als Sportlicher Leiter einzusteigen.

Ja, es war keine einfache Zeit, sportlich waren wir nicht zufrieden, was aber auch mit dem Ausfall mehrerer wichtiger Spieler zusammenhing. Da war das Tempospiel, das uns immer ausgezeichnet hat, nicht mehr da. In der European League ging es noch um was, da haben wir uns gut präsentiert, in der Liga war aber schon früh die Luft raus. Da erwarte ich mir jetzt in der neuen Saison auch ein anderes Auftreten vom Team. Es soll mit voller Überzeugung ins Tempospiel gehen, das hat uns lange ausgezeichnet und soll es wieder tun.

Bekommt man einen anderen Blick auf die Liga, wenn man nicht mehr nur als Spieler, sondern viel mehr im Hintergrund involviert ist?

Ja, ich war jetzt auch bei Tagungen der Handball-Bundesliga dabei, man bekommt ein anderes Verständnis für die handelnden Personen und die Schwierigkeiten, die hinter der Vereins- und Ligaführung stecken. Aber ich habe die Bundesliga schon immer als große Familie empfunden, auch wenn die Klubs im Wettkampf zueinander stehen. Trotzdem geht es ja allen darum, unseren Sport nach vorne zu bringen, und es gibt viele Themen, die gemeinsam beschlossen werden. 

Wer spielt denn in dieser Saison vorne mit?

Das wird sehr spannend. Magdeburg wird mit der Qualität, der Breite des Kaders und dem Selbstvertrauen aus den Erfolgen der vergangenen Jahre ein Titelkandidat sein. Flensburg sehe ich auch sehr stark, sie haben eine sehr starke Rückrunde in diesem Jahr gespielt und das Team ist zusammengeblieben. Kiel wird zurückschlagen wollen. Bei Berlin muss man schauen, wie sehr die Belastung mit der Champions League die Bundesligaleistung beeinflussen wird. Und dann gibt es ein breites Mittelfeld, in dem viel passieren kann – und zu dem ich auch uns zähle.

Sie sind sehr heimatverbunden, sind in Mannheim geboren und haben bis auf drei Jahre in Paris immer bei den Löwen gespielt. Sind Sie froh, weiter dort arbeiten zu können?

Natürlich, die Löwen sind mein Verein, da ist eine emotionale Verbindung. Wenn man dann noch in einer höheren Position dort tätig sein kann, ist das eine schöne Aufgabe.

Einmal werden Sie das Trikot mit der Nummer drei aber noch tragen: Anfang Februar nächsten Jahres steigt Ihr offizielles Abschiedsspiel.

Genau. Es ist ja nie einfach, einen Termin für solch ein Spiel zu finden. Ich hoffe, dass ich bis dahin noch fit genug bin und einige Minuten spielen kann (lacht).