Essen. Mit einem der größten Erfolge macht er Schluss: Handball-Nationalspieler Kai Häfner im großen Interview nach Olympia-Silber.

Die Olympischen Spiele waren Höhepunkt und Schlusspunkt zugleich. Mit der Silbermedaille um den Hals war die Zeit von Kai Häfner (35) in der Handball-Nationalmannschaft beendet. Der Rückraumspieler, seit dem EM-Titelgewinn 2016 Teil des Teams, will sich nun voll auf die Anfang September startende Bundesligasaison mit seinem Klub TVB Stuttgart konzentrieren.

Herr Häfner, ich nehme an, ich erwische Sie gerade nicht im Urlaub, oder? In knapp drei Wochen ist ja schon wieder Bundesliga-Start. 

Kai Häfner: Ein paar freie Tage wurden mir nach Olympia zum Glück doch gegönnt (lacht). Am Wochenende geht es aber wieder zur Mannschaft. Bis dahin habe ich die freie Zeit mit der Familie genossen, ich war ja lange genug weg. 

Wenige Tage ist das Olympiafinale erst her. Haben Sie es schon verarbeitet? 

Ich glaube, so wirklich habe ich das Ganze noch nicht verarbeitet. Das geht auch gar nicht, das war ja schon eine Riesensache! Für mich ist Olympia grundsätzlich immer etwas ganz, ganz Besonderes. Als Kind war Olympia schon das Größte, und ich bin dankbar und stolz, dass ich das dreimal miterleben durfte. Auch diese letzten drei Wochen waren wunderschöne und da gibt es viele tolle Erinnerungen. 

Deutschlands Kai Häfner jubelt nach dem Spiel bei der Siegerehrung mit der Silbermedaille über den zweiten Platz bei den Olympischen Spielen.
Deutschlands Kai Häfner jubelt nach dem Spiel bei der Siegerehrung mit der Silbermedaille über den zweiten Platz bei den Olympischen Spielen. © dpa | Tom Weller

Ihre Nationalmannschaftskarriere haben Sie nun beendet. War die Silbermedaille der passende Abschluss?

Man hätte es sich kaum schöner vorstellen können. Hätte man mir das vor den Spielen angeboten, hätte ich das genauso unterschrieben (lacht). Der Gedanke an den Abschied aus der Nationalmannschaft war aber schon ein bisschen länger gereift und hatte mit dem Ausgang des Turniers nichts zu tun. Ich denke einfach, es ist an der Zeit. Wohlwissend, dass es immer eine Ehre und Freude war, für die Nationalmannschaft zu spielen.

Was waren denn die Gründe?

Es gab mehrere. Die ganzen Jahre haben Energie gekostet, ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Irgendwie hat es sich angefühlt, dass es jetzt passt, dass es sich richtig anfühlt, nun Platz für die neuen Generationen zu machen.

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Sie haben drei Olympische Spiele miterlebt. Welchen Stellenwert hat Paris im Vergleich zu den anderen? 

Es ist immer schwer, Turniere und Medaillen in einer Rangfolge zu ordnen. Jedes Turnier, jeder Erfolg und auch jeder Misserfolg hat seine Berechtigung. Klar, das letzte Turnier so zu beenden hätte kaum besser sein können, dann bleibt alles noch schöner in Erinnerung. Es gibt Schlechteres, als mit einer Olympiamedaille einen Schlussstrich zu ziehen.

Nach dem EM-Titel und Olympia-Bronze 2016 war das Halbfinale stets das höchste der Gefühle in den Folgejahren bei großen Turnieren. Wie gut hat es sich dann angefühlt, diesen Halbfinal-Fluch endlich zu brechen? 

Sehr gut. Für mich ging es in meinen ersten beiden Turnieren mit einem Titel und einer Olympiamedaille los, danach habe ich ein paar Talfahrten mitgemacht. Da habe ich schnell gemerkt, dass mein Anfang im Nationalteam nicht normal war, dass zu Erfolgen bei großen Turnieren schon sehr viel dazugehört und einfach auch verdammt viel passen muss. Dass da am Ende noch mal so ein Highlight kommt und ich eine Medaille mitnehmen kann – da wiederhole ich mich jetzt - das ist schon etwas ganz Besonderes. Andreas Wolff kam einen Tag vor dem Halbfinale zu mir und meinte: „Wir machen das jetzt schon so viele Jahre zusammen und sind so oft im Halbfinale gescheitert und Vierter geworden wie bei der Heim-WM und Heim-EM. Jetzt wollten wir es schaffen!“ Und ja, es fühlte sich deutlich besser an, das Halbfinale zu gewinnen und eine Medaille mitzunehmen.

Herrschte bei Ihnen noch einmal eine andere Stimmung, wenn man weiß, dass es in das letzte Turnier geht? 

Auf jeden Fall. Man hatte allerdings nicht jeden Tag Zeit, sich darüber Gedanken zu machen, dazu war der Zwei-Tages-Rhythmus zu fordernd und es prasselte zu viel auf einen ein. Aber klar, immer wieder wurde man ein bisschen wehmütig. Sagen wir so: Es war kein normales Turnier, ganz klar.

Apropos wehmütig: Sind Sie das schon? Diese Mannschaft hat eine erfolgversprechende Zukunft vor sich, oder? 

Ja, das glaube ich wirklich. Alles liegt bereit, die Jungs sind gut drauf, die Qualität ist da. Da kann was gehen, das wird sicher nicht die letzte Medaille und das letzte Finale gewesen sein. 

Auch wenn Sie Rangfolgen nicht mögen: Bei 154 Länderspielen muss es doch Favoriten unter den Turnieren geben…

Das erste Turnier in Polen war schon speziell, dort so überraschend den Titel zu holen, zumal ich ja erst zum Ende der Hauptrunde nachnominiert wurde. Dann kurz darauf Olympia in Rio mit Bronze… Aber auch die Folgeturniere, die nicht so erfolgreich waren, waren wichtig für die persönliche Entwicklung. Dann ganz klar die Heim-Turniere, auch wenn wir in beiden Vierter wurden. Da war die Stimmung in den Arenen doch eine ganz besondere.

Deutschlands Torhüter Andreas Wolff (l.) und Kai Häfner jubeln mit der Silbermedaille.
Deutschlands Torhüter Andreas Wolff (l.) und Kai Häfner jubeln mit der Silbermedaille. © dpa | Tom Weller

Mit Andreas Wolff, Jannik Kohlbacher und Rune Dahmke sind Sie nun seit 2016 fast ununterbrochen zusammen. Ist das auch eine besondere Beziehung?

Natürlich, das verbindet. Man trifft sich jeden Januar und jeden Sommer für ein paar Wochen. Da lernt man sich natürlich besser kennen, das schweißt zusammen und verbindet. Das ist ja auch logisch, wenn man mit diesen Leuten diese ganzen Reisen gemacht hat, sowohl die guten als auch die schlechteren.

Heim-EM, Olympia – dieses Jahr hatte es in sich. Die hohe Belastung ist ja ohnehin regelmäßig ein Thema. Oder ist das alles mittlerweile fast schon „normal“ als Nationalspieler? 

Die Belastung ist ja vor jedem großen Turnier ein Thema und wir Spieler geben unseren Senf dazu. Klar ist die Belastung sehr hoch, wahrscheinlich zu hoch. Trotzdem kannst du jeden Spieler fragen, ob er lieber Urlaub haben oder im Januar zur WM/EM oder im Sommer zu Olympia fahren würde, und er würde antworten: Turnier. Das gehört dazu. Ich habe mit meinen Bundesligaklubs nicht immer international gespielt, deshalb war es für mich noch einmal etwas weniger kräftezehrend als bei anderen. Aber klar kostet das über die Jahre Körner. Wenn man nicht mehr 25 Jahre alt ist, merkt man das schon.

Jetzt also volle Konzentration auf die Bundesliga. Was sind denn die Ziele mit dem TVB Stuttgart? 

Wir haben einen großen Umbruch in diesem Sommer, altgediente Spieler sind gegangen und viele junge sind hinzugekommen. Ähnlich also wie bei der Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren. Aber es sind vielversprechende Talente dabei, es wird spannend sein, uns zu finden und möglichst schnell auf ein gutes Niveau zu kommen.

Haben Sie noch Pläne darüber hinaus? 

Ich würde schon noch gerne zwei bis drei Jahre spielen. Für die Zeit danach? Schwirren mir Dinge im Kopf herum, aber nichts Konkretes. Aber auch mit dem Abschied aus der Nationalmannschaft ist mir noch einmal bewusster geworden, dass auf jeden Fall weniger Jahre vor als hinter mir liegen.