Spielberg. Flavio Briatore ist zurück als oberster Berater des Alpine-Teams. Dort kann er zum Wegbereiter für Mick Schumacher werden.
Der Bart ist grauer geworden, die Brille markanter, aber die Stimme ist immer noch gleich rau und fordernd geblieben. Flavio Briatore bewegt sich durch die Boxengasse der Formel 1, als wäre er nie weg gewesen. Offiziell ist der 74-Jährige am letzten Mai-Wochenende nur für eine Art Familientreffen beim Großen Preis von Monaco, mit der 30 Jahre jüngeren Gattin Elisabetta Gregoraci und seinem Sohn Nathan Falcon trifft er eine andere Lebensgefährtin, Heidi Klum, mit der er die Tochter Leni hat. Eine ganz privates Teammanagement, Briatore macht davon sogar ein Selfie. Natürlich geht es nicht um das reine Idyll, wenn der ehemalige Benetton-Statthalter durch die Startaufstellung wandert, sondern um knallharte geschäftliche Interessen. Schluss mit Familienurlaub, seit dieser Woche ist der italienische Lebemann wieder offiziell zurück in der Formel 1, und stiftet vor dem Großen Preis von Österreich (Sonntag, 15 Uhr/RTL) in gewohntem Maße Unruhe.
Das Comeback nach anderthalb Jahrzehnten mag verwundern, manche auch verstören. Zwar hatte Flavio Briatore den Alpine-Vorläufer Benetton und Michael Schumacher in den Neunziger Jahren zum Champion getrimmt, und das Kunststück unter der Renault-Fahne 2005 und 2006 mit Fernando Alonso wiederholt. Seit er zwei Jahre später jedoch den Brasilianer Nelson Piquet in Singapore aus taktischen Gründen absichtlich in die Streckenmauern fahren ließ, galt er als persona non grata. Die lebenslange Sperre hatte vor zivilen Gerichten nicht lange Bestand.
Der Lebemann konzentrierte sich nach seinem Zwangsabschied aufs Nachtklubgeschäft, kaufte Anteile von Fußballklubs, hatte wie üblich Affären und kurierte große gesundheitliche Probleme aus. Die Verbindung zur Königsklasse aber riss nie ganz ab. Immer noch berät er Fernando Alonso, auch wurde er zum Serienbotschafter, seit sein Landsmann Stefano Domenicali im Formel-1-Management das Sagen hat. Eine schillernde Figur, aber auch eine mit viel Erfahrung. Briatore hatte in den Neunzigern Benetton an die Spitze geführt, Michael Schumacher zum Doppel-Champion gemacht und konnte das im neuen Jahrtausend mit Alonso und Renault wiederholen. Selten ging es dabei ohne Ärger ab, die Härte trägt der Italiener nicht nur in der Stimme.
Manager mit Playboy-Image
Aber die Formel 1 ist in vielerlei Hinsicht ein schnelllebiges Geschäft, das Gedächtnis ist kurz, der Wille zur Vergebung groß, wenn Not am Mann ist. Bei allem gut gepflegten Playboy-Image ist Briatore ein gnadenloser Manager, ordnet dem Erfolg alles unter. Dank seiner Kompromisslosigkeit und seines Charismas kann er ganze Rennmannschaften über ihre Grenzen treiben, kennt alle Tricks der Branche, erlaubte wie nicht erlaubte. Schumacher wurde wegen der Machenschaften von Benetton den Schmähnamen „Schummel-Schumi“ lange nicht los. Aber wenn Not am harten Mann ist, wie jetzt im Renault-Konzern, dann ist vieles möglich. Die Taktik, im Abstiegskampf einen Schleifer an Bord zu holen, kennt auch der Fußball. Nur bewegen sich diese Coaches selten auf Jet-Set-Niveau.
Der Notruf von Alpine, der Sportmarke von Renault, kam von seinem Landsmann Luca de Meo zu verdanken. Der CEO des Staatskonzerns verzweifelt an seinem Rennteam und regiert deshalb persönlich durch. Innerhalb eines Jahres wurde die komplette Führungsmannschaft ausgetauscht, erst langsam scheint sich unter der Notlösung Bruno Famin wieder etwas nach vorn zu bewegen. Sich im hinteren Mittelfeld zu tummeln und auch noch den schwächsten Motor zu haben ist aber für den ehrgeizigen de Meo nicht akzeptabel. Deshalb hat er Briatore als Berater geholt, der ausdrücklich eine aktive Rolle einnimmt. Heißt: er soll eingreifen – und durchgreifen. „Ich werde die Siegermentalität zurückbringen“, verspricht Flavio Briatore in bekanntem Selbstbewusstsein.
Für ihn gilt es dabei nicht nur die Fahrerfrage zu lösen. Esteban Ocon muss gehen, Pierre Gasly hat gerade verlängert. In die eigene, teure Motoren-Mannschaft hat der Renault-Vorstand offenbar nur noch wenig Vertrauen. Weshalb sich Briatore um einen preiswerten Kundenmotor anderswo bemühen, vielleicht bei Mercedes. Das ist ein Armutszeugnis für ein einst so stolzes Team, vielleicht auch eine sportliche und technische Bankrotterklärung. Möglich, dass der neue Berater die Braut hübsch machen soll und Alpine sein Team, das ohnehin bereits zu einem Viertel Investoren gehört, komplett veräußern wird.
Mick Schumacher will zurück in die Formel 1
Auf eine besondere Art der Familienzusammenführung hofft Mercedes-Ersatzmann Mick Schumacher. Der Sohn des Rekordweltmeisters fährt für Alpine Sportwagenrennen, will aber unbedingt in die Formel 1 zurück. Bei Briatore könnte der Familiennamen sogar nützlich sein. Brav machte der 25-Jährige zusammen mit Freundin Laila Hasanovic in Barcelona Briatore seine Aufwartung, in der kommenden Woche testet er einen zwei Jahre alten Alpine-Rennwagen, zusammen mit dem australischen Nachwuchspilot Jack Doohan.
Ex-Weltmeister Damon Hill, damals Michael Schumachers Gegenspieler, gehört zu denen, die entsetzt über die Rückkehr Briatores in den Motorsportzirkel sind: „Ich kapiere es einfach nicht. Flavio sind Konventionen und Regeln offensichtlich egal. Wir wollten doch eigentlich nicht zurück in diese Zeit, wo Leichen im Keller liegen und Dinge passieren, die einen fahlen Beigeschmack haben.“