Herzogenaurach. Der Hit von Peter Schilling, der längst zum inoffiziellen EM-Song geworden ist, ist wieder in den Charts. Wie konnte das passieren?

Peter Schilling schaut genau hin bei dieser Europameisterschaft, oder eher: hört zu. Er erlebe sie „gerade sehr intensiv, intensiver als so manches Turnier zuvor“, sagt der 68-Jährige dieser Redaktion. Was daran liegt, dass der Künstler vor 42 Jahren offensichtlich den inoffiziellen Song dieser EM geschrieben hat und nun „einen Beitrag zum derzeitigen Lebensgefühl geleistet zu haben scheine“.

Tatsächlich schweben die deutschen Fußballfans hinsichtlich der ansprechenden Leistung ihrer Mannschaft völlig losgelöst wie einst Major Tom durch diesen Sommer. Wenn der Neue-Deutsche-Welle-Klassiker in den Stadien vor den DFB-Spielen abgespielt wird, stimmen Zehntausende mit ein. Erlebt die Stimmung auf den Fanfesten einen Durchhänger, wird sie von DJs mit Schillings Hit gerettet. Und auf Partys singen ihn Teenager mit, die ihn nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen dürften.

DFB-Team: Peter Schilling ist stolz darauf, dass er auch eine junge Generation anspricht

Für Peter Schilling ist es „ein außerordentliches Erlebnis für mich, dass auch die junge Generation den Song annimmt, als wäre er gerade erst kreiert worden“. Major Tom kratzt nach vier Jahrzehnten wieder an den Top 10 der Charts, zählt zu den meistgestreamten Liedern des Sommers und ist plötzlich die Torhynme der Nationalelf. Wie konnte es dazu kommen?

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Die ursprüngliche Idee geht auf Moderator Tommi Schmitt zurück, der in seinem Podcast COPA TS Major Tom als Torhymne ins Spiel brachte. Der Song tauchte später auch im vielbeachteten Werbe-Spot auf, in dem die deutschen EM-Trikots von Adidas präsentiert worden sind. Eine neue Dynamik kam in die Sache, als Twitter-Nutzer Max Kirchi eine Petition startete, um das Lied ins Stadion zu bringen – mit Erfolg. Als Maximilian Mittelstädt im März in Frankfurt gegen die Niederlande traf, besangen die Fans Major Tom.

Sänger Peter Schilling
Peter Schilling. © DPA Images | Lennart Preiss

Dass es die Petition von „diesem begrenzten Kreis auf Twitter bis ins reale Leben geschafft hat, ist immer noch surreal für mich“, sagt Max Kirchi dieser Redaktion. „Ich glaube, gerade dieser Völlig-losgelöst-Part, symbolisiert das Gefühl der Fans und des Teams wirklich gut. Man lässt das Alte, Schwerwiegende, hinter sich und beginnt einen völlig neuen Weg.“ Dass der Inhalt des Songs ein tragischer ist – er handelt von einem Astronauten, der den Kontakt zur Erde verliert – sei zweitrangig, weil ja nur der Refrain als Torhymne abgespielt wird.

DFB-Team: Major Tom ist nun die Torhymne der Nationalelf

Nach drei verkorksten Turnieren und einer zunehmenden Entfremdung der durchkommerzialisierten Mannschaft zum Publikum war ein neuer Weg für den DFB auch dringend nötig. Im Verband hat man die Entwicklung von Beginn an beobachtet und ist aktiv geworden, als zu spüren war, dass Major Tom auf breite Zustimmung bei den Fans stößt. Präsident Bernd Neuendorf gab schließlich die formale Zustimmung, die Torhymne zu ändern. Bei EM-Spielen ist sie allerdings nur beim Aufwärmen und nach dem Schlusspfiff, nicht nach Toren zu hören, da die Uefa die Songs vorgibt. Max Kirchi aber ist bewusst, dass „sich eine gute Stimmung und sportlicher Erfolg gegenseitig bedingen“. Nach sportlichem Misserfolg könne die Euphorie aber umso schneller wachsen, wie schon das Sommermärchen 2006 bewiesen hat.

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Das späte Tor von Niclas Füllkrug gegen die Schweiz bescherte den deutschen Fans einen besonderen EM-Moment. © DPA Images | Christian Charisius

Wie auch immer diese EM nun ausgeht: Max Kirchi will sich nicht selbst überhöhen, betont er, doch „wenn ich in einigen Jahrzehnten daran zurückdenke und mich selbst als Teil des Ganzen fühlen kann, ist das unfassbar viel wert“. Gegen Dänemark soll es nun erstmal völlig losgelöst weitergehen.

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