Essen. Hockey, Basketball, Volleyball – deutsche Mannschaften feierten zuletzt große Erfolge. Experten erklären die Gründe.

Es war ein bemerkenswerter Erfolg, den die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft am vergangenen Wochenende feierte. Vielleicht sogar einer, für den das Wort Sensation einst geschaffen wurde. Nach zwölf Jahren qualifizierten sich Georg Grozer und Co. wieder für Olympische Spiele – unter anderem nach Siegen gegen die absoluten Topteams aus Italien und Brasilien. Erwartet hatte das niemand, wahrscheinlich nicht einmal ernsthaft erhofft. „Wir haben viele Jungs mit großer Qualität im Team, aber Georg Grozer hat mit seinem Comeback natürlich noch einmal viel ausgelöst“, sagt Marcus Dieckmann, Präsident des deutschen Volleyball-Verbands (DVV), gibt aber zu: „Unsere Olympia-Qualifikation ist ein überraschender Erfolg.“

Viel Kritik am deutschen System

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Ähnlich sah es vor einigen Wochen in Manila aus, als die Basketball-Nationalmannschaft angeführt vom Bundestrainer Gordon Herbert unerwartet WM-Gold im Finale gegen Serbien gewann und im Turnierverlauf sogar das Dreamteam der USA schlug. Fast unter gehen da schon Bronze der Hockey-Damen bei der Europameisterschaft in Mönchengladbach oder gar der WM-Titel der Herren zu Beginn des Jahres in Indien oder die Vize-Weltmeisterschaft der deutschen Eishockey-Cracks Ende Mai.

Es sind Erfolge, die das gesamtdeutsche Gefühl im Sport derzeit kaum widerspiegeln dürften. Wurde nach dem desaströsen Aus der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Katar und dem ebenfalls blamablen Aus der DFB-Frauen noch analysiert, dass der deutsche Fußball am Boden sei, mehrte sich die Kritik am gesamtdeutschen Sportsystem nach dem desaströsen Abschneiden des DLV bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest im August. Kaum ein gutes Haar wurde am Sport und dessen Förderung in diesem Land gelassen. Schon 2019 klagte Vital Heynen, bis drei Jahre zuvor Nationaltrainer der deutschen Männer und aktuell für die DVV-Frauen verantwortlich: „Wenn wir so weitermachen, gibt es hier bald keinen Mannschaftssport wie Handball oder Volleyball mehr.“ Auch damals ging es um die Sportförderung in Deutschland. „Wenn selbst ein großes Land wie Deutschland den Mannschaftssport nicht unterstützt, wer dann?“, so der Belgier.

Erfolge in Mannschaftssportarten kommen oft in Zyklen

Die Hockey-Herren feiern den WM-Titel.
Die Hockey-Herren feiern den WM-Titel. © dpa | dpa

Konträr dem gegenüber stehen nun die Erfolge in vielen Mannschaftssportarten. Ist also doch alles gut in diesem (Sport)-Land? „Bei den aktuellen Erfolgen muss man verschiedene Faktoren beleuchten“, sagt Daniel Memmert, der an der Sporthochschule Köln das Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik leitet. Eine einfache Erklärung – die gibt es nicht. „In Mannschaftssportarten feiern wir in Deutschland oft in Zyklen Erfolge“, sagt der ehemalige Basketball-Nationalspieler Pascal Roller. Oft mussten erst neue Teams aufgebaut werden – entweder weil das bisherige zu unerfolgreich war oder die Granden nach Triumphen abtraten.

Tatsächlich vergingen zwischen den größeren Erfolgen der Basket- und Volleyballer mehrere Jahre, wenngleich zumindest im Basketball seit einigen Jahren ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist. Ähnlich sieht es im Handball aus. Einzige Konstante: die Hockeysparte. Herren- und Damen-Nationalteams feierten in der Vergangenheit häufig Erfolge. „Beispielsweise im Hockey und im Basketball wurde in der Vergangenheit eine gute Struktur aufgebaut“, sagt Sportwissenschaftler Memmert. „In vielen Sportarten gibt es zudem inzwischen einen Bundestrainer Wissenschaft. Es findet ein Austausch zwischen der Wissenschaft und dem Sport statt, der dem Sport nur helfen kann“, sagt er. Er selbst hatte mit dem deutschen Rugby-Verband kooperiert und den Trainern detaillierte Analysen von Positionsdaten bereitgestellt.

DBB-Team überzeugt durch eine Qualitätsdichte an Topspielern

Die Basketball-Nationalmannschaft um die NBA-Größen Dennis Schröder und Franz Wagner überzeugte bei der WM im Sommer mit einer großen „Qualitätsdichte an Topspielern“, wie es der ehemalige Nationalspieler Pascal Roller sagt. Hinzu kam, dass sich die Mannschaft im Turnierverlauf an das große Ziel Titel glaubte. Ähnlich die Volleyballer. „Im Qualifikationsturnier ist das Team in einen Flow gekommen und hat, nachdem es aus der Außenseiterrolle heraus Italien und Brasilien geschlagen hat, auch dem Druck gegen die anderen Teams standgehalten“, sagt DVV-Präsident Dieckmann.

Zyklen, Flow – und Glück. Das sind wohl die Zutaten für die aktuellen Ergebnisse. „Bei allen Erfolgen in Mannschaftssportarten gehören Zufallsfaktoren dazu, die man überhaupt nicht trainieren kann“, sagt Memmert von der Sporthochschule in Köln, der aufgrund dessen Zielvorgabe wie das Erreichen von Medaillen ohnehin für vermessen hält, „da viele Länder mittlerweile auf einem ähnlichen Level performen. Es gehört viel Glück dazu, wenn so viele Erfolge von Teams unterschiedlicher Sportarten wie jetzt zusammenkommen.“

Deutsche Mannschaften sind Vorbilder für den Nachwuchs

Zudem gelte, dass es in vielen Mannschaftssportarten „keine generellen Probleme“ gebe, so Memmert. Das würden auch die Erfolge in den Jugend-Nationalteams zeigen. Das hebt auch Dieckmann hervor. „Die generelle Situation war in der Vergangenheit nicht so schlecht, wie sie manchmal gemacht wurde“, sagt er. Nun sei es nötig, die Erfolge nachhaltig zu machen und die Vorbildrollen der derzeitigen Generation zu nutzen, wie es die Basketballer einst mit Dirk Nowitzki taten. Ansätze gibt es bereits, so sollen möglichst viele Kinder und Jugendliche an den Sport herangeführt werden, bevor einzelne Talente in die Spitze vordringen. Aber: „Erfolg ist in Mannschaftssportarten und in Individualdisziplinen nicht 100 Prozent planbar“, sagt DVV-Präsident Dieckmann.