Hamburg. Hamburgs Football-Team stellt auf der Tribüne neue Bestwerte auf, bekommt aber gegen Rhein Fire auch auf dem Platz die Hütte voll.

Durch das Volksparkstadion schwappte „La Ola“, die Welle, im Hintergrund dröhnte „Das ist die perfekte Welle, das ist der perfekte Tag“ von Juli über die Boxen, die Stimmung war so, wie sie sich die Hamburg Sea Devils vor der Partie gewünscht hatten. Mit 32.500 Zuschauern stellte das Hamburger American-Football-Team am Sonntagnachmittag gleich zwei Zuschauerrekorde auf.

Einen für die Football-Geschichte in Hamburg und einen weiteren für die 2021 gegründete European League of Football (ELF). Dummerweise bekamen die Sea Devils zeitweise auch auf dem Platz die Hütte voll. Mit 22:27 (0:7, 9:7, 0:13, 13:0) verloren die Hausherren verdient gegen Düsseldorf Rhein Fire. „Wir haben uns ein paar Mal selber in den Fuß geschossen“, sagte Sea-Devils-Passempfänger Jean-Claude Madin Cerezo. "Wir haben in den vergangenen beiden Jahren eine sehr starke Defense gehabt, die alles stoppen konnte. Das haben wir in diesem Jahr noch nicht."

American Football: Tausende Fans feierten Powerparty

Das Spiel war – abgesehen vom Sportlichen – ein einmaliges Highlight in dieser Saison. Für die restlichen Heimspiele kehren die Sea Devils in ihr angestammtes Stadion an der Hoheluft zurück. Angelehnt an das in den USA übliche „Tailgating“, bei dem die Zuschauer vor Footballspielen auf dem Parkplatz eine Grillparty veranstalten, hatten sich bereits drei Stunden vor Anpfiff mehrere Tausend Fans bei der „Powerparty“ vor dem Stadion versammelt.

Vor dem Spiel feierten mehrere Tausend Fans gemeinsam vor dem Stadion.
Vor dem Spiel feierten mehrere Tausend Fans gemeinsam vor dem Stadion. © Witters | Unbekannt

Und obwohl bei der von den deutschen Behörden genehmigten Variante der gemeinsamen Spieleinstimmung keine ganzen Rinder auf Ladeflächen großer Pick-up-Trucks gegart wurden, war die Stimmung hervorragend.

Selbst die Hamburger Ligabosse Patrick Esume und Zeljko Karajica schlenderten zwischen Pommes- und Burgerständen über den Stadionvorplatz – eine Idee, die NFL-Commissioner Roger Goodell in den USA wohl eher nicht gekommen wäre. Auch Sportsenator Andy Grote (SPD) mischte sich mit seiner Familie unter die Fans. „Großartig, die Atmosphäre ist wirklich top“, sagte Grote in der Halbzeit.

Otto Waalkes machte den Münzwurf

Sportlich ist die ELF rund zweieinhalb Jahre nach ihrer Gründung meilenweit von der NFL entfernt. Dennoch kann und wird die US-Eliteliga auch nie der Anspruch sein. Stattdessen setzt die ELF auf Nahbarkeit. Geschäftsführer, Spieler und Headcoaches beider Teams traten noch zwei Stunden vor dem Spiel auf der Bühne der Powerparty auf.

Großen Applaus erntete Rhein-Fire-Headcoach Jim Tomsula, als er auf die Frage nach Deutschlands größtem Vorteil das „German Beer“ nannte. Tomsula weiß, wie sich die NFL anfühlt, in der Saison 2015 arbeitete er als Headcoach der San Francisco 49ers.

Beim Einlauf brachten die Sea Devils blaue und rote Rauchfackeln mit auf das Feld.
Beim Einlauf brachten die Sea Devils blaue und rote Rauchfackeln mit auf das Feld. © Witters | Unbekannt

In Sachen Show gaben sich die Sea Devils Mühe, mit dem großen Vorbild aus Übersee mithalten zu können. Die Einlaufshow begann, indem ein schwarzes Motorrad mit großer Sea-Devils-Flagge auf den Rasen fuhr, im Anschluss lief das Team mit Pyrofackeln ein, den Münzwurf nahm Komiker Otto Waalkes vor.

Nur die HSV-Kabine war tabu

Drei Tage lang hatte das Rasenpersonal gearbeitet, Linien und Logos aufgebracht, die Endzonen in Blau und Rot gestrichen. Die Seeteufel konnten das Stadion fast frei nach ihrem Geschmack umgestalten. Nur die HSV-Kabine war tabu für die Sea Devils, die sich stattdessen mit der Gästeumkleide begnügen mussten. Rhein Fire zog sich in einem weiteren Nebenraum um.

Das Volksparkstadion war am Sonntag mit 32.500 Fans gefüllt.
Das Volksparkstadion war am Sonntag mit 32.500 Fans gefüllt. © Witters | Unbekannt

Pfiffe gab es nur beim Auftritt der Bundeswehr-Ehrenformation, die zur Nationalhymne auf das Feld gerufen wurde. Auch der weitgehend verwaiste Infostand der Bundeswehr auf der Powerparty zeigte, dass sich nicht alle amerikanischen Werte auf den europäischen Football übertragen lassen. Der militärische Dienst an der Waffe findet in Deutschland – wenig überraschend – deutlich weniger Befürworter als in den USA.

„Für mich ist das wie ein großes Klassentreffen“, sagte Sea-Devils-Geschäftsführer Max Paatz vor dem Spiel. Vor rund 20 Jahren, als die 2007 eingestellte NFL Europa noch die Spitze des American Footballs in Europa war, hatte der gebürtige Düsseldorfer für Rhein Fire gearbeitet.

Fragende Gesichter bei den Fans

Trotz seiner Vergangenheit dürfte sich Paatz nicht über die Gastgeschenke gefreut haben, die die Hamburger den Rheinländern machten. Die Spielzüge der Sea Devils wirkten wie die zu Beginn schlecht eingestellten Lautsprecheranlagen und kaum erkennbaren Spielstandanzeigen im Stadion: Sie riefen bei den Fans fragende Gesichter hervor.

Bereits beim zweiten Spielzug ließ Widereceiver Madin Cerezo den Ball fallen, was der frühere Sea-Devils-Quarterback Jadrian Clark sofort bestrafte. Ein langer Pass bis kurz vor die Endzone, ein weiterer auf Patrick Poetsch in die Endzone – und die Hamburger lagen 0:7 zurück.

Offensiv lief bei den Sea Devils nicht viel – im wortwörtlichen Sinne. Das in der vergangenen Saison noch so überragende Laufspiel war fast nicht existent, nur Quarterback Preston Haire ließ sich hin und wieder zu nicht ungefährlichen Ausflügen hinreißen. "Wir haben in der Offense ein neues System. Früher sind wir den Ball sehr oft und erfolgreich gelaufen, das ist jetzt nicht mehr so", sagte Madin Cerezo.

Schlomm traf per Fieldgoal

Nachdem Kicker Eric Schlomm zwischenzeitlich per Fieldgoal auf 3:7 verkürzen konnte, war es erneut ein Clark-Pass, der in die Endzone flog, Florian Eichhorn erhöhte auf 3:14.

Kurz vor der Pause konnte Haire, der die Sea Devils vor den Augen von HSV-Vorstand Jonas Boldt, Bundesligaschiedsrichter Patrick Ittrich und vielen weiteren bekannten Hamburger Sportgesichtern selbst in die gefährliche Zone brachte, mit einem Pass auf Madin Cerezo für den ersten Touchdown der Sea Devils sorgen. „Wir müssen jetzt hart arbeiten, um das Spiel zu drehen“, sagte Sea-Devils-Headcoach Charles Jones in der Pause (9:14).

Lösungen gegen das Passspiel fand sein Team allerdings auch weiterhin nicht. Die Offensive Linemen der Sea Devils machten viel zu wenig Druck, Clark fand US-Receiver Nathaniel Robitaille, der ohne Kontakt in die Hamburger Endzone lief (9:21). Der Gäste-Quarterback hatte eine gefühlte Ewigkeit Zeit, um den Ball zu fangen, die Atmosphäre zu genießen und sich einen freien Mitspieler auszusuchen. "Wir haben gegen ein extrem gutes Team gespielt heute. Wir müssen konstanter werden und die Fehler minimieren", sagte Linebacker Matthias Spiegel.

Stimmung trotz Pleite gut

Zu allem Überfluss warf Haire wie bei der 25:34-Auftaktpleite bei den Wroclaw Panthers in der vergangenen Woche auch noch einen Pick Six, als sein Pass in den Armen von Fire-Verteidiger Omari Williams landete.

Der nächste Touchdown, 9:27, das Spiel war früh entschieden. Immerhin: Die finalen Touchdowns von Madin Cerezo und Malik Stanley sorgten noch einmal für Stimmung – und die war am Sonntag ja irgendwie die Hauptsache.