Hamburg. Das wird lustig: Zum internationalen Hamburg Queer Cup kommen am Sonnabend Gäste aus ganz Europa in den Inselpark nach Hamburg.
Viel ist es nicht, was man zur Situation queerer Sportler und Sportlerinnen in Hamburg sagen kann, aber eines steht in diesem Moment mit Sicherheit fest: Janko Zehe hat die Sache im Griff. „Es fehlen noch drei Kuchen“, sagt er beim Blick auf die Excel-Tabelle in seinem Smartphone: „Was ist mit dir, Minh, kannst du einen backen?“ Minh schaut erst fragend, dann bittend und gibt sich am Ende geschlagen. „Alles klar, kann ich machen“, sagt der junge Mann seufzend. Mit rund 20 anderen Männern und Frauen steht er am Dienstagabend vor dem Bäderland-Schwimmbad in Bramfeld, wo in wenigen Minuten das Training der Schwimmerinnen und Schwimmer von Startschuss beginnt – Hamburgs einzigem queeren Sportverein.
Das Adjektiv „Queer“ kommt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt eigentlich sonderbar oder eigenartig. In diesem Zusammenhang ist die Bezeichnung allerdings selbst gewählt: von nicht heterosexuellen Menschen, die sich abgrenzen möchten von herkömmlichen Vorstellungen sexueller Orientierung. Wenn an diesem Sonnabend der nunmehr fünfte Hamburger Queer Cup stattfindet, bedeutet das nicht nur, dass Schwimmerinnen und Schwimmer aus ganz Europa in die Stadt kommen, um im Wilhelmsburger Inselparkbad um Weltranglistenpunkte zu schwimmen. Sondern auch, dass dieser Wettkampf bunt wird – und es jede Menge zu lachen gibt.
Hamburgs buntester Schwimmcup: Fegebank kommt zur Eröffnung
Janko Zehe ist Erster Vorsitzender von Startschuss, seit Monaten ist er genau wie viele andere Mitglieder mit der Organisation des Queer Cups beschäftigt. Die Anforderungen an das Turnier sind hoch: 20 Kampfrichter und Kampfrichterinnen müssen gefunden werden, die es für einen Wettkampf auf diesem Niveau braucht, und dann ist da noch die Sache mit der Anschlag-Elektronik, die im Inselpark für die Erfassung der genauen Bahnenzeiten aufwendig installiert werden muss. Schlafplätze müssen organisiert, das Rahmenprogramm geplant werden. Immerhin konnte für die Eröffnung um 9.30 Uhr Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank gewonnen werden.
32 Jahre ist es her, dass eine Gruppe junger Hamburger den „Startschuss Schwul/Lesbischer Sportverein“ gründete – damals noch aus dem Gedanken heraus, homosexuellen Menschen einen Raum zu geben, in dem sie geschützt Sport treiben können. 2021 erfolgte auf der Mitgliederversammlung dann die Umbenennung in „Queerer Sportverein Hamburg“. Damit sind alle Identitäten gemeint, von schwul und lesbisch bis hin zu Bi-, Trans-, Inter- oder Asexualität, verkürzt LGBTQIA+. „Weil diese Buchstabenkolonne aber immer länger wird, wollten wir mit dem Wort queer klarstellen, dass wirklich alle gemeint sind, ganz egal, wen man liebt, wir fragen da gar nicht nach“, sagt Janko Zehe. Das gelte sowohl für den Verein als auch für den Hamburg Queer Cup.
Ehemalige Leistungsschwimmer und Quereinsteiger tummeln sich hier
Am Dienstagabend steht Zehe nach dem Bahnentraining gemeinsam mit Trainer Niels Walker am Beckenrand und erklärt noch einmal die Synchronschwimm-Choreografie, die der Verein als Gastgeber am Sonnabend in der Pause präsentieren möchte. „Wer war im Trainingslager dabei und weiß noch, was Queen A und Queen B im ersten Teil machen?“, ruft Zehe und erntet fragende Blicke. Also gut. Dann noch einmal alles von vorn.
„Es geht darum, wer am Ende die größere Diva ist“, erklärt Niels Walker am Beckenrand lachend und schnappt sich seine Trinkflasche in Regenbogenfarben, „und das ist in diesem Verein wirklich nicht das Problem.“ Von ehemaligen Leistungsschwimmern bis hin zu Quereinsteigern mit Schulsporttrauma reicht das Spektrum der rund 30 Männer und Frauen, die an diesem Abend zum Training erschienen sind – es geht um den Spaß am Schwimmen, nicht um Medaillen. „It’s fun to stay at the YMCA“, tönt es aus Zehes mobilem Lautsprecher, und im Becken geht es spätestens jetzt so ausgelassen zu wie damals auf Klassenfahrt. Es ist schon erstaunlich: Wie sehr hier eine Sportart für die Community da ist – und nicht die Community für den Sport.
Auf dem Papier ist es ein ganz normaler Sportverein
Es ist Niels Walker, der später im Gespräch darauf eine Antwort zu geben versucht. Als der heute 40-Jährige 2013 nach Hamburg kam, suchte er als eher durchschnittlicher Schwimmer einen Verein und stieß auf verbissene Trainer und viele Vorurteile. Ein Jahr später wurde er Mitglied bei Startschuss und hat inzwischen sogar die C-Lizenz als Trainer abgelegt. „Klar, auf dem Papier sind wir ein ganz normaler Sportverein“, sagt Walker, „aber natürlich sind wir auch ein ,Safe Space‘, ein Schutzraum für Menschen, die sich bei uns nicht erklären, keinem Bild entsprechen müssen, die sich völlig frei fühlen können. Und das merkt man einfach immer an der Stimmung.“ Zwar sei er in Hamburg nie im Verein diskriminiert worden. „Es geht mir eher darum, dass ich hier einer von vielen bin und nicht der einzige Schwule, der dann doch anders beäugt wird als andere Mitglieder des Vereins.“
18 Sportarten bietet Startschuss heute an, Segeln ist dabei, aber auch Fußball oder Yoga. An diesem Wochenende allerdings steht die Schwimmabteilung im Mittelpunkt. Wer also Lust auf anspruchsvolle Wettkämpfe hat und die wundervolle Synchronschwimm-Showeinheit nicht verpassen will, sollte sich am Sonnabendmorgen dringend Richtung Wilhelmsburg aufmachen. Bunt wird es mit Sicherheit.
Weitere Infos unter hamburg-queer-cup.de sowie startschuss.org. Karten für die offizielle Party des Queer Cup ab 22 Uhr in der Prinzenbar gibt es für 12 Euro an der Abendkasse oder im Vorverkauf bei Hein & Fiete am Pulverteich 21 sowie der Aidshilfe Hamburg.