Hamburg. Nationaltorhüterin Amy Gibson will mit Bundesliga-Hockeydamen des Hamburger Traditionsvereins wieder um die Meistertitel kämpfen.
Verschnupft klingt Amy Gibson, aber sie gibt direkt doppelte Entwarnung. „Es ist nur ein Infekt, kein Corona. Ich glaube, dass ich am Wochenende spielen kann“, sagt die 32-Jährige. Besonders für Jens George ist das eine gute Nachricht, bedeutet sie doch, dass der Cheftrainer der Bundesliga-Hockeydamen des Clubs an der Alster in den Heimspielen gegen Uhlenhorst Mülheim (Sa., 14 Uhr) und Rot-Weiß Köln (So., 12 Uhr, jeweils Pfeilshof) auf seine Stammtorhüterin setzen kann.
Das ist deshalb wichtig, weil sich die schottische Nationalkeeperin zu einer tragenden Säule des Hamburger Traditionsvereins entwickelt hat, seit sie im Sommer 2017 nach Hamburg kam. „Amy ist mit ihrer Erfahrung und Gelassenheit eine echte Bank hinten drin. Ihre Reflexe auf der Linie sind überragend, dazu spielt sie gut mit“, sagt George. Amy Gibson hält vor allem Kommunikationsfähigkeit für ihre größte Stärke.
„Um in jeder Spielsituation fokussiert zu bleiben, rede ich viel mit meiner Abwehr. Ich glaube, dass ich dadurch dazu beitragen kann, Ruhe und Selbstvertrauen auszustrahlen“, sagt sie im breitesten schottischen Englisch. Deutsch spricht sie nur auf dem Spielfeld. „Das ist der einzige Ort, an dem ich mich sicher genug fühle, weil ich alle nötigen Begriffe der Hockeysprache kenne. Ansonsten ist Deutsch wirklich eine extrem schwere Sprache.“
Amy Gibson begann als Neunjährige mit dem Hockey
Amy Gibson, die als Neunjährige mit dem Hockey begann, damals aber auch Fußball spielte und auch dort ins Tor wollte, weil sie keine Lust auf das viele Laufen als Feldspielerin hatte, kennt das in Deutschland verbreitete Sprichwort, dass Torhüter ein Stück weit verrückte Menschen seien. Zu beurteilen, inwiefern das auf sie zutrifft, überlässt sie anderen. Einen Aberglauben oder eine Routine, die sie vor oder während Spielen braucht, um Bestleistung zu bringen, hat sie nicht. „Aber ich bin ein Mensch, der sich nicht unbedingt alterskonform verhält“, sagt sie, „ich will im Herzen immer jung bleiben und versuche, stets positive Energie auszustrahlen.“
Zusammen mit Nationalstürmerin Lisa Altenburg, die für das Wochenende wegen einer Erkrankung ebenfalls fraglich ist, ist Amy Gibson die älteste Spielerin im Alster-Kader. Bevor sie über die Verbindung zu Alsters englischem Torwarttrainer Jimi Lewis nach Hamburg kam, spielte sie vier Jahre in England für Reading und war Teil des Hockeyprogramms Großbritanniens, weshalb sie aus ihrer Heimat Dumbarton nahe Glasgow nach England gezogen war. Im Hockey gibt es die Besonderheit, dass zu Olympischen Spielen ein „Team GB“ mit Spielerinnen aus verschiedenen Nationen des Vereinigten Königreichs antritt, während bei EM oder WM Schottland als eigene Nation vertreten ist.
Dass sie kurz vor den Sommerspielen 2016, bei denen Großbritannien in Rio Gold holte, aus dem Kader gestrichen wurde, wurmt Amy Gibson zwar noch immer, Nationalspielerin für ihr Heimatland ist sie aber weiterhin. Ende Oktober versucht sie sich mit Schottland für die WM 2022 in Spanien und den Niederlanden zu qualifizieren. Dafür allerdings ist beim Qualifikationsturnier in Pisa (Italien), an dem acht Nationen teilnehmen, der erste Platz notwendig. „Es wird hart, aber wir können es schaffen. Das ist in diesem Jahr mein größter Traum“, sagt Amy Gibson.
Wie lange sie ihre Rolle im Alster-Tor noch spielen will, weiß sie nicht
Mit dem Club an der Alster hat sie sich mehrere Träume bereits erfüllt. Im ersten Jahr gleich Doublesieger zu werden, war der bestmögliche Einstieg. 2019 den im Jahr zuvor gewonnenen Feldmeistertitel erfolgreich verteidigt zu haben, sei der Höhepunkt ihrer Karriere gewesen. „Das schaffen nur wirklich große Teams“, sagt sie. Nachdem im vergangenen Jahr der Dauerrivale Düsseldorfer HC triumphieren konnte, ist ihr die Rolle als Jäger aber auch recht.
Wie lange sie ihre Rolle im Alster-Tor noch spielen will, weiß sie nicht. Das hänge auch davon ab, wie lange ihr Freund Gavin Byers als Spieler und Jugendtrainer beim Zweitligisten Großflottbeker THGC bleibe. Zu weit in die Zukunft planen sei aber sowieso nichts für sie. „Ich wollte eigentlich nur ein Jahr in Deutschland spielen, jetzt sind es schon vier, und ich liebe es hier.“ Nicht nur Jens George wird das gern hören.