Hamburg. Charles Jones, neuer Cheftrainer der Hamburg Sea Devils, über die Football-Europaliga ELF, seine Ziele und seinen Spitznamen.

Am Donnerstagmittag machten die Hamburg Sea Devils offiziell, was das Abendblatt am 18. Dezember bereits vermeldet hatte: Charles „Yogi“ Jones wird das American-Football-Team als Cheftrainer in die zweite Saison der Europaliga ELF führen, die im Juni mit zwölf Teams beginnen soll. Der 61 Jahre alte US-Amerikaner, der den aus beruflichen und privaten Gründen zurückgetretenen Andreas Nommensen ersetzt, kommt von der Bethune-Cookman-Universität in Daytona Beach (Florida), wo er zuletzt als Defensive Coordinator arbeitete und bis Mitte dieser Woche ins Rekrutierungsprogramm eingebunden war. Im Abendblatt spricht er exklusiv über seine Pläne.

Hamburger Abendblatt: Mister Jones, Sie waren schon vor der ersten Saison Wunschkandidat der Sea Devils. Warum waren Sie damals nicht bereit, warum sind Sie es jetzt?

Charles Jones: Im vergangenen Jahr hatte ich an der Uni noch zu viele offene Baustellen, dazu kam die unsichere Covid-Situation. Außerdem war ich zwölf Jahre bei Bethune-Cookman, der Job war eine Herzensangelegenheit. Aber nun hatte ich das Gefühl, dass dort alles in guten Händen ist, also habe ich nicht lange überlegen müssen, diesmal das Angebot der Sea Devils anzunehmen.

Sie waren im Dezember zum Try-out-Wochenende der Sea Devils in Hamburg. Was haben Sie dort gesehen, das Sie überzeugt hat, nach Hamburg zu kommen?

Charles Jones: Es war eine schöne Überraschung für mich, so viel Talent zu sehen. Ich suche immer nach Spielern, die ihr Bestes aus sich herausholen wollen, und an dem Wochenende habe ich viele solche Spieler gesehen. So etwas respektiere ich sehr. Da waren einige dabei, die aus dem Nichts kamen, aber einen richtig guten Eindruck hinterlassen haben.

Hatten Sie, bevor Sie sich zum Jobwechsel entschieden, Zeit, sich über das Team zu informieren?

Charles Jones: Natürlich, ich habe Gespräche geführt und Videos geschaut. Das Wichtigste war, einen Eindruck von unserem Quarterback zu bekommen, Salieu Ceesay. Ein junger, deutscher Quarterback mit viel Talent, auf den ich sehr gespannt bin. Ansonsten schaue ich viel auf die Athletik, denn auf die kommt es in einer Liga wie der ELF an.

Was wissen Sie über die ELF? Haben Sie sie in den USA verfolgt?

Charles Jones: Natürlich, Patrick Esume (der Ligachef, d. Red.), mit dem ich in Kiel und Frankreich zusammengearbeitet habe, hat mir Tapes geschickt. Ich weiß, dass das Level sehr hoch ist, und ich weiß auch, dass das, was Patrick anfasst, erfolgreich sein wird. Wir sind sehr gute Freunde, haben eine sehr ähnliche Herangehensweise an das Coaching im Football.

Sie waren vor Ihrer Zeit bei Bethune-Cookman mehrere Jahre in Europa beschäftigt, kennen auch Hamburg aus Ihrer Zeit als Linebacker-Coach bei den Sea Devils in der NFL Europe 2007. Wie sehen Sie die Entwicklung im europäischen Football seitdem?

Charles Jones: Ich sehe, dass es immer mehr Spieler aus Europa an die Colleges in den USA oder in die Profiligen NFL und CFL schaffen. Das spricht für das steigende Niveau der Spieler hier. Ich glaube, dass es im nächsten Schritt wichtig ist, die Talente hier zu halten und ihnen Coaching und Wettkampf auf höchstem Level zu bieten. Die ELF ist dafür ein sehr wichtiges Instrument, deshalb glaube ich fest daran, dass diese Liga eine erfolgreiche Zukunft vor sich hat. Die NFL braucht genau diese Ligen, in denen sich Spieler entwickeln können, die es nicht sofort in die NFL schaffen.

Wie interpretieren Sie Ihre Rolle als Cheftrainer? Was ist Ihr Stil, was sind Ihre Führungsprinzipien?

Charles Jones: Ich bin Trainer geworden, um jungen Spielern zu helfen. Ich behandle alle Spieler gleich, solange sie ihr Bestes geben. Ich mache keine Unterschiede zwischen Star-Import und lokalem Talent. Jeder bekommt eine faire Chance, aber ich erwarte immer vollen Einsatz.

Bereitet es Ihnen Sorge, bislang nie als Headcoach gearbeitet zu haben?

Charles Jones: Nein. Ich habe genug Führungserfahrung gesammelt und verstehe, was es heißt, Verantwortung zu tragen. Solange ich in der Position bin, Entwicklungshelfer für junge Spieler zu sein, bin ich glücklich. Entwicklung ist für mich das Schlüsselwort. Ich möchte sehen, dass mein Team von Woche zu Woche besser wird und dafür hart arbeitet. Dafür müssen alle als Einheit funktionieren. Meine Aufgabe ist, diese Einheit herzustellen.

Wo sehen Sie Ihre persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten in Hamburg?

Charles Jones: Ich möchte gern mehr über die wirtschaftliche Seite des Footballs erfahren, und ich will meinen Coaching-Stil verbessern. Ich glaube, dass die Spieler ein bisschen von der alten Schule brauchen, aber ich will nicht der Typ Trainer sein, der ihnen alles vorgibt. Sie sollen selbstständig denken und entscheiden, und sie sollen verstehen, dass jeder Einzelne von ihnen der sein kann, der den Unterschied von einem Yard machen kann, auf den es ankommt.

Der erste Headcoach der Sea Devils am Anfang der vergangenen Saison, Ted Daisher, hatte zwei Probleme: Er hatte nie in Übersee gearbeitet und war ohne seine Familie hier. Welche dieser Probleme versuchen Sie zu vermeiden?

Charles Jones: Alle diese! Ich kenne Europa und Deutschland, weiß also, was mich erwartet. Mir ist bewusst, dass manche meiner Spieler keine Profis sind, sondern einen anderen Beruf haben, mit dem sie ihr Geld verdienen. Alles, was ich erwarte, ist, dass jeder das Beste gibt, was er geben kann, und dass sich alle dann, wenn es drauf ankommt, auf ihre Aufgabe konzentrieren und schauen, wo sie sich verbessern können. Wenn alle diese Einstellung mitbringen, wird es kein Problem geben. Außerdem werde ich meine Frau mit nach Hamburg bringen.

Haben Sie schon etwas gefunden, was Sie verändern müssen an Ihrer Art zu arbeiten, um hier Erfolg zu haben?

Charles Jones: Noch nicht, dafür brauche ich noch Zeit. Aber zu wissen, dass ich mich verändern will, sollte mir dabei helfen, es umzusetzen. Ich weiß, dass ich nicht unfehlbar bin. Ich will lernen und besser werden.

Wie ist Ihr Zeitplan, wann werden Sie richtig loslegen?

Charles Jones: Ich werde am kommenden Montag nach Hamburg fliegen und versuchen, die Spieler dann dreimal in der Woche zu sehen. Wir hatten bereits virtuelle Meetings, aber ich will die Jungs so schnell wie möglich persönlich kennenlernen. Eine Saison ist ein Marathonlauf, und wir stehen noch am Start. Ich bin aber auch ein Coach, der weiß, dass die Spieler normale Leben haben, die sie auch genießen sollen.

In Ihrem Trainerstab gibt es mit Kirk Heidelberg, der als Offensive Coordinator eingeplant ist, einen potenziellen Headcoach und mit Defensive Coordinator Kendral Ellison eins der größten Trainertalente der ELF. Wie führen Sie dieses Trainerteam?

Charles Jones: Indem ich alle so coachen lasse, wie sie es können. Ich vertraue meinem Trainerteam und den Fähigkeiten, die sie alle haben. Wichtig ist, dass wir alle die gleiche Sprache sprechen und in dieselbe Richtung ziehen. Dann werden wir gemeinsam Erfolg haben.

In ihrer Premierensaison haben die Sea Devils das ELF-Finale verloren. Das Ziel für die neue Saison kann nur lauten, den Titel zu gewinnen, oder?

Charles Jones: Absolut richtig. Mit allem Respekt vor den anderen Teams, und es wird durch die Aufstockung von acht auf zwölf einiges an Qualität dazukommen, muss das unser Ziel sein. Das Potenzial ist da, jetzt versuchen wir, es gemeinsam zu heben.

Verraten Sie uns zum Abschluss bitte noch, woher Sie Ihren Spitznamen Yogi haben. Praktizieren Sie Yoga, oder sind Sie so ein entspannter Typ?

Charles Jones: Nein, mit Yoga hat das nichts zu tun. So heiße ich, seit ich ein kleiner Junge war. Meine Mutter hat mich so genannt, weil ich sie an einen großen, freundlichen Bären erinnert habe. Also nannte sie mich wie den Bären aus den Cartoons. Ein entspannter Typ bin ich aber trotzdem. Zumindest solange wir gewinnen.