Hamburg. Das Hamburger Abendblatt stellt dar, wie die Veranstalter durch die Krise gekommen sind und was sie für 2021 planen.
Christoph Holstein ist als Realist bekannt, der Tatsachen offen und ehrlich benennt. Auf die Frage, wie bedrohlich die Pandemie für Hamburgs Topsport-Veranstaltungen ist, sagt Hamburgs Sportstaatsrat: „Die Veranstalter wurden von Corona hart getroffen und hatten wirtschaftlich einiges zu verkraften. Es gibt offenbar keine Fälle akuter Existenzbedrohung, aber eine Situation wie 2020 wäre in diesem Jahr für viele ein echter Tiefschlag.“ Wie ist die Lage tatsächlich? Wie sind die Veranstalter durch das Krisenjahr 2020 gekommen und was planen sie für dieses Jahr? Das Abendblatt gibt einen Überblick.
Beachvolleyball: Ein Olympia-Qualifikationsturnier, die EM oder die U-20-WM – der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) wollte in diesem Sommer ein internationales Turnier im Tennisstadion am Rothenbaum veranstalten. Stand heute wird daraus nichts. Der Weltverband FIVB plant derzeit noch drei bis fünf Olympia-Qualifikationsturniere. Die sollen in einer Blase gespielt werden, wahrscheinlich aber nicht in Europa, sondern in Neuseeland. Die EM 2021 wurde vom 11. bis 15. August nach Wien vergeben. Veranstalter Hannes Jagerhofer, der 2019 die WM in Hamburg organisierte, erhält dort die nötigen finanziellen Garantien des Staates – selbst im Falle einer kurzfristigen Absage.
Die Stadt Hamburg setzt jedoch weiter auf bedeutende Beachvolleyballturniere. Im vergangenen Jahr war das für Ende August geplante Finale der Major-Tour am Rothenbaum frühzeitig abgesagt worden. Grund: Die unklare Pandemie-Lage und fehlende Sponsoren. Ob die deutsche Beach-Tour 2021 in Hamburg Station macht, ist noch nicht entschieden. 2020 wurde ein Turnier der Serie am Olympiastützpunkt in Dulsberg ohne Zuschauer gespielt.
Galoppderby: Immerhin konnte im Juli 2020 ein auf drei Tage verkürztes Derbymeeting stattfinden. Wegen fehlender Zuschauereinnahmen gab es jedoch ein finanzielles Minus. „Die Unterdeckung blieb in einem vertretbaren Rahmen. Dadurch dass die Wetteinnahmen in der Außenwette erstaunlich hoch waren, konnten die höchsten Totoumsätze pro Rennen des Jahres erzielt werden“, teilte der Vorstand des Hamburger Rennclubs (HRC) mit. „Wir haben aber auch finanzielle Hilfe der Stadt erhalten, wofür wir dankbar sind.“
Aktuell planen die Verantwortlichen um den im Oktober 2020 neu gewählten Präsidenten Hans-Ludolf Matthiessen (80) das 152. Derbymeeting. Sollten auch 2021 Großveranstaltungen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit genehmigt werden, würde in Horn erneut ein verkürztes Meeting vom 2. bis 4. Juli über die Bühne gehen. Sollten Zuschauer zugelassen werden, sollen mindestens zwei weitere Renntage am 27. und 30. Juni hinzukommen. Darüber hinaus hofft der HRC auf eine Ausdehnung der Corona-Hilfsprogramme der Stadt, sollte ein normales Derbymeeting wegen der Pandemie nicht möglich sein.
Golf: Die vierte Auflage der Porsche European Open, die in 2020 für den 3. bis 6. September auf dem Nordkurs der Green Eagles Golf Courses bei Winsen (Luhe) geplant war, wurde am 28. Mai abgesagt. Die European Tour, die auch 2019 als Veranstalter aufgetreten war, komprimierte ihren Turnierkalender auf sechs Veranstaltungen, die ausschließlich in Großbritannien und ohne Zuschauer stattfanden. 2019 waren 39.200 Zuschauer nach Winsen gekommen und hatten einen siebenstelligen Beitrag zum Etat geleistet.
In diesem Jahr ist das Turnier bereits vom 3. bis 6. Juni geplant, nachdem Hauptsponsor Porsche seinen Vertrag für die kommenden drei Auflagen verlängert hat. Als neuer Veranstalter tritt bis 2023 die Düsseldorfer Agentur U.Com Event auf. Das Preisgeld beträgt noch 1,2 Millionen Euro, 800.000 Euro weniger als 2019. Titelverteidiger Paul Casey (43/England) hat seine Teilnahme zugesagt. Eintrittskarten im Vorverkauf werden noch nicht angeboten, um nicht im Fall einer Absage auf Kosten für die Rückerstattung sitzen zu bleiben. Ohne zahlende Zuschauer ist das Turnier nicht finanzierbar.
Marathon: Der 35. Haspa-Marathon muss erneut verschoben werden. Nachdem 2020 Stadt und Veranstalter auch den zunächst zugesagten Nachholtermin am 13. September wieder zurückzogen, wird Deutschlands größter Frühjahrsmarathon in diesem Jahr voraussichtlich erst im September gelaufen. Das ursprünglich vorgesehene Datum 25. April hat die Marathon Hamburg Veranstaltungs GmbH bereits gestrichen, das Anmeldeportal wurde geschlossen.
Der Halbmarathon (19. September) und der Köhlbrandbrückenlauf (3. Oktober) könnten dagegen wie vorgesehen stattfinden. „Dank treuer Teilnehmer, der Unterstützung vom Bund, der Stadt und Sponsoren, die den Weg der Verschiebung größtenteils mitgehen, kommen wir mit dem abgelaufenen Jahr wirtschaftlich zurecht. Klar ist aber auch, dass wir in diesem Jahr reale, nicht nur virtuelle Veranstaltungen organisieren müssen. Wir sind dazu in sehr guten Gesprächen mit der Stadt“, sagt Marathon-Cheforganisator Frank Thaleiser.
Radsport: Die im August 2020 geplante Austragung der EuroEyes Cyclassics musste ausfallen. Veranstalter Ironman Germany GmbH verzichtete auf finanzielle Hilfen der Stadt, machte lediglich die angefallenen Planungskosten geltend. In diesem Jahr ist die Austragung für 22. August geplant. Der Großteil der für 2020 angemeldeten Teilnehmenden hat die Möglichkeit wahrgenommen, die Startplätze auf das diesjährige Rennen zu verschieben. Die Anmeldung für noch verbliebene Plätze ist im Internet unter cyclassics-hamburg.de möglich.
Spring- und Dressurderby: Mehr als 500.000 Euro hatte Derbychef Volker Wulff mit seiner Agentur En Garde im vergangenen Jahr in die 100. Auflage des Traditionsevents im Klein Flottbeker Derbypark bereits investiert, ehe er im April absagen musste. „Dieses Geld ist weg, 2020 haben wir hauptsächlich von Reserven gelebt“, sagt der 64-Jährige. Keinen seiner 22 Mitarbeitenden hat Wulff entlassen, dank Kurzarbeit und der Überbrückungshilfen aus Bundesmitteln und dem Hamburger Sporthilfefonds hofft er weiterhin darauf, „dass wir überleben und 2021 wieder ein Derby in vollem Umfang anbieten können“.
Dass dieses wie geplant vom 12. bis 16. Mai stattfinden wird, ist unwahrscheinlich. Bis Ende Januar will Wulff entscheiden, ob er den beim Weltverband für 1000 Schweizer Franken reservierten Ersatztermin 25. bis 29. August anpeilt. Immerhin muss im Derbypark nicht auf infrastrukturelle Probleme Rücksicht genommen werden. „Die Verlegung hätte den Vorteil, dass wir mehr Zuschauer zulassen könnten. Ein Derby ohne Zuschauer ist keine Option“, sagt Wulff, der auf weitere Unterstützung der Stadt baut. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis und fühlen uns wertgeschätzt. Aber wir brauchen Hilfe.“
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Tennis: Am geplanten Termin 10. bis 18. Juli hält Rothenbaum-Turnierdirektorin Sandra Reichel vorerst fest. Die Herrentennisorganisation ATP hat bisher ihren Kalender bis Anfang April veröffentlicht, für die Monate danach gibt es nur einen groben Zeitplan. Viel hängt davon ab, ob die Olympischen Sommerspiele (23. Juli bis 8. August) in Tokio stattfinden. 2020 waren die Hamburg European Open aus dem Juli auf 19. bis 27. September verlegt worden. 2300 von 10.000 möglichen Zuschauern ließ die Gesundheitsbehörde am Rothenbaum zu, mit ähnlichen Größenordnungen rechnet Reichel auch in diesem Jahr.
„Ich bin bei der Prognose aber sehr vorsichtig. Wie auch 2020 steht die Gesundheit an erster Stelle“, sagt sie. Dank Reduzierung des Preisgeldes um 40 Prozent auf 1,06 Millionen Euro, 500.000 Euro Zuschuss der Stadt plus Erstattung der zusätzlichen Hygieneaufwendungen sowie der großzügigen Unterstützung des Hamburger Unternehmers und Sportmäzens Alexander Otto (ECE) schrieb die Veranstaltung keine roten Zahlen. Der Ticketverkauf könnte im April starten, bisher sind nur Gutscheine erhältlich.
Triathlon: Die Ironman Germany GmbH, die in Hamburg auch die Cyclassics (siehe oben) veranstaltet, konnte 2020 in Deutschland nur ein einziges Event durchführen: die Profirennen der Weltserie im September unter Ausschluss von Zuschauern im Stadtpark. „Der finanzielle Schaden war erheblich, die gesamte Branche kämpft damit“, sagt Geschäftsführer Oliver Schiek (50). Europaweit waren unter strengen Auflagen einzelne Rennen allerdings möglich, bei denen ein „Safe Return to Racing“-Konzept erarbeitet wurde, das auch in diesem Jahr wichtige Erkenntnisse für die Durchführung der geplanten Rennen liefern kann.
Nach engem Austausch mit dem Sportamt verzichtete die Ironman Germany GmbH auf das Beantragen von Nothilfe. „Wir haben lediglich die entstandenen Planungskosten geltend gemacht. Für die anstehenden Formate in diesem Jahr sind die üblichen Zuwendungsverfahren vorgesehen“, sagt Schiek. Aktuell geht er davon aus, dass sowohl Ironman- als auch Weltserienrennen in diesem Jahr wie geplant stattfinden. „Wenn es Vorgaben gibt, unter denen eine Austragung realistisch möglich ist, werden wir alle Rennen durchführen“, sagt Schiek. Der Ironman am 6. Juni ist wegen der Verschiebung aus 2020 und der hohen Nachfrage bei Anmeldestart Ende des vergangenen Jahres bereits ausverkauft. Für die Jedermannrennen am Weltserienwochenende (10./11. Juli) sind noch Restplätze verfügbar, die Anmeldung dazu öffnet in Kürze.
Die Stadt plant, die Veranstalter auch in diesem Jahr umfangreich finanziell zu unterstützen. „Wir werden die Lage beobachten und bei Bedarf über weitere Förderungen sprechen“, verspricht Staatsrat Holstein. Für den Hamburger Nothilfefonds II, in dem rund vier Millionen Euro nicht zurückzuzahlende Zuschüsse bereitstehen, können bis zum 31. März weitere Anträge gestellt werden. 500.000 Euro wurden aus diesem bereits an Sportveranstalter ausgezahlt. Aus dem ersten, der Ende Mai 2020 ausgelaufen war, waren es lediglich 77.000. Ob Veranstalter die Corona-Soforthilfe oder einen Sonderkredit beantragt haben, sei nicht bekannt.
„Die geringere Inanspruchnahme des Nothilfefonds I ist damit zu begründen, dass viele Veranstalter in der ersten Jahreshälfte nicht in existenziell bedrohliche Schwierigkeiten geraten waren und hofften, ihre Veranstaltungen im Herbst durchführen zu können“, sagt Holstein, der den Veranstaltern zwei Dinge rät: „Zum einen, wo immer möglich auf die zweite Jahreshälfte auszuweichen. Und zum anderen, trotz allem zuversichtlich zu bleiben. Wir lassen den Sport nicht hängen!“