Hamburg. Der Footballprofi über die Gründe seiner Rückkehr aus der NFL nach Hamburg, seine Liebe zu den Fans und die Ziele mit den Sea Devils.
Knapp 8000 Kilometer trennen Kasim Edebali von seiner alten und neuen Heimat Hamburg aktuell. Aber die gute Laune, die der Neuzugang der Hamburg Sea Devils ausstrahlt, ist auch über das Mobiltelefon zu spüren. In Florida arbeitet der 31 Jahre alte American-Football-Profi nach einer Anfang des Jahres erlittenen Rückenverletzung mit einem Privatcoach an seiner Fitness.
Schließlich will der im Hamburger Stadtteil Osdorf aufgewachsene Sohn einer Deutschtürkin und eines US-Soldaten in Topform sein, wenn am Wochenende 19./20. Juni für ihn und die „Seeteufel“ die Premierensaison in der neu gegründeten Europaliga ELF beginnt. Wie heiß der Passrusher auf die Rückkehr zu seinen Wurzeln ist, kann man seit Bekanntgabe seiner Verpflichtung am vergangenen Mittwoch auf seinen Social-Media-Kanälen verfolgen.
Hamburger Abendblatt: Herr Edebali, wenn man sich die Videos anschaut, die Sie in den sozialen Medien posten, kann der Eindruck entstehen, Sie wären eher professioneller Werbefilmer als Footballprofi. Machen Sie das alles allein?
Kasim Edebali: Alles, von der Idee bis zur Umsetzung. Manchmal fange ich aus dem Nichts an zu lachen, weil ich eine bekloppte Idee habe. Dann fragt meine Frau, was los sei, obwohl sie eigentlich schon weiß, dass mir wieder etwas eingefallen ist. Videos zu drehen hat mir schon immer Spaß gemacht. In der Pandemie, als ich keinen Vertrag und deshalb leider mehr Freizeit hatte als gewünscht, konnte ich mich damit noch mehr beschäftigen.
Was reizt Sie daran? Dass Sie in andere Rollen schlüpfen können?
Edebali: Nee, gar nicht. Ich spiele ja keine Rollen. Die meisten Jungs im Football wollen immer hart sein und das auch mit ihren Auftritten rüberbringen. Ich muss nichts beweisen und will mich nicht verstellen, sondern einfach zeigen, wie ich bin. Ich möchte, dass die Fans Anteil nehmen können an meinem Leben. Ich bin ich, und wer auf meine Party mitkommen will, ist eingeladen.
Für jemanden wie Sie, der gern mit Menschen interagiert, muss Abstandhalten in Corona-Zeiten doppelt hart sein.
Edebali: Corona ist körperlich wie eine Achterbahnfahrt gewesen. Ich hatte im vergangenen Jahr 118 Kilo, habe dann mithilfe eines Ernährungsberaters zwölf Kilo wieder abgenommen. Natürlich hoffe ich, dass der ganze Spuk bald vorbei ist und die Fans wiederkommen dürfen, um ihren Teams zuzuschauen und ihre Stars live zu erleben. Das gemeinsame Erleben ist das, was den Sport ausmacht. Dennoch habe ich während Corona auch tolle Sachen erlebt, mit meinen Kumpels Patrick Esume und Björn Werner haben wir über deren Podcast „Football Bromance“ sehr viel Kontakt zu den Fans gehalten. Da sind enge Bindungen entstanden. Man muss auch aus schlechten Situationen immer das Beste machen.
Sie gelten als ein Mensch, der immer positiv denkt. Wie haben Sie es geschafft, diese Einstellung über die Jahre zu behalten, in denen Sie in der US-Eliteliga NFL von Team zu Team weitergereicht wurden, manchmal nur für eine Woche an einem Ort waren und dann wieder entlassen wurden?
Edebali: In der Sekunde, in der du deine Positivität verlierst, machst du dir dein Leben selbst schwer. Ich habe in der NFL viele Jungs gesehen, die mehr Talent hatten als ich. Aber wenn es hart wurde für sie, wurden sie negativ, und dann waren sie schneller weg, als man gucken konnte. Wenn du zweifelst, fällst du in ein Loch, aus dem du schwer wieder herauskommst. Nur wer positiv bleibt und hart arbeitet, schafft es, sich in der NFL auf Dauer zu behaupten. Und welchen Grund hätte ich gehabt, mich zu beklagen? Mein Lebenstraum war es, ein NFL-Spiel zu machen. Dass mir das gelungen ist, war die Sahne auf der Torte. Alles danach war ein Bonus, den ich einfach nur genossen habe.
Sie haben 62 NFL-Spiele gemacht, bis auf eins alle für die New Orleans Saints. Was ist Ihre Qualität, die das ermöglicht hat?
Edebali: Dass ich immer bereit bin, immer hart arbeite und nie schlechte Laune verbreite. Im Sommer 2019 bekam ich einen Anruf der Philadelphia Eagles. Sie fragten, ob ich bereit wäre, übermorgen zu spielen. Ich flog hin, trainierte einmal mit dem Team und spielte am Tag darauf im Pre-Season-Game. Alle meine Coaches haben nichts Schlechtes über mich zu sagen, weil sie wissen: Wenn du Kasim reinwirfst, passiert nichts Schlechtes.
Das wird sich auch Ted Daisher gedacht haben, der neue Sea-Devils-Headcoach. Allerdings werden Sie in Hamburg eine ganz neue Rolle spielen: Sie sind der Superstar, das Gesicht des Teams. Macht Ihnen das nur Freude oder auch ein wenig Druck?
Edebali: Druck? Gar nicht. Ich freue mich einfach nur riesig darauf, wieder in Hamburg spielen zu können. Ich glaube, dass die Verantwortung, die ich übernehmen soll, weniger damit zu tun hat, wie ich spiele, sondern vielmehr damit, wie ich auf und neben dem Feld auftrete. Meine Priorität Nummer eins ist, die anderen besser zu mac hen. Ihnen Dinge zu zeigen, die sie noch nie gesehen haben. Ich will meinem Team und unseren Fans das Spiel in einer Form näherbringen, in der sie es noch nicht kannten.
Trifft es zu, dass die Zuneigung der deutschen Fans für die NFL im Allgemeinen und die deutschen NFL-Profis im Besonderen der Hauptgrund dafür waren, dass Sie in die ELF kommen?
Edebali: Es war auf jeden Fall ein wichtiger Grund. Als Patrick (Esume, der die ELF als Commissioner leitet, d. Red.) mir im vergangenen Jahr von seinen Plänen erzählte, ging es erst einmal nur darum, dass ich ihm helfe, die Liga ein bisschen zu pushen. Ich habe ja ein großes Netzwerk, und ich wollte ihn unterstützen. Irgendwann sagte er, dass es doch cool wäre, wenn ich als Spieler helfen würde.
Und das fanden Sie dann auch cool?
Edebali: Erst einmal noch nicht. Ich hatte andere Ideen im Kopf, vielleicht im Coaching oder im Management in der NFL einzusteigen. Aber je mehr ich mich damit beschäftigt habe, desto intensiver wurden auch die Verbindungen zu den deutschen Fans. Ich habe so viel Liebe bekommen von denen, dass ich irgendwann dachte: Jetzt will ich es zurückzahlen. Mein Ziel ist, mit meiner Präsenz ein bisschen NFL-Feeling in die neue Liga zu bringen und die Liebe zum Football in Deutschland noch größer zu machen, als sie schon ist.
Als Sie 2007 in die USA gingen, war gerade die NFL Europa eingestellt worden. Hätten Sie gedacht, irgendwann noch einmal für Hamburg zu spielen?
Edebali: Gehofft habe ich es. Es war immer mein Wunsch, irgendwann noch einmal mit den Jungs, mit denen ich in der Jugend bei den Hamburg Huskies groß geworden bin, zusammen zu spielen. Viele von denen sind jetzt im Team dabei. Es wird einfach unglaublich schön sein, über die alten Zeiten zu reden.
Ihre Verbundenheit zu den Huskies hatte immer Bestand. Einmal im Jahr, wenn Sie in Hamburg auf Familienbesuch waren, haben Sie auch die Huskies besucht, dort Trainingseinheiten geleitet. Warum?
Edebali: Weil ich nie vergesse, wo ich herkomme. Die Liebe zum Football, die ich in mir trage, ist dort entstanden, und ich habe gespürt, was für einen Einfluss es auf die Jugendlichen hat, wenn da einer aus der NFL kommt und ein paar Tipps gibt. In der NFL ist Football ein Beruf, da gibt es viele, die den Sport nicht mögen, ihn aber trotzdem machen, weil sie so gut darin sind, dass sie viel Geld verdienen. Ich habe Football immer geliebt, weil ich im Sport gelernt habe, was Gemeinschaft bedeutet. Diese Liebe trage ich in mir und will sie weitergeben.
Ihre ganze Familie lebt noch in Hamburg, Sie sind im Osdorfer Born groß geworden. Wie hat Sie das geprägt?
Edebali: Immer wenn ich in Gefahr geriet, die Bodenhaftung zu verlieren, habe ich mich an meine Jugend erinnert. Ich bin Achtern Born aufgewachsen, am Kroonhorst zur Schule gegangen. Harte, aber schöne Zeiten, ich habe noch viele Freunde von damals, von denen viele keine so guten Wege gehen konnten wie ich. Das erdet. Der Osdorfer Born ist weiter eng an meinem Herzen.
Ihre Frau ist Amerikanerin, die beiden Töchter in den USA geboren. Was wissen die über Ihre Herkunft?
Edebali: Wir waren erst einmal gemeinsam in Hamburg, das war im Januar 2020, da war richtiges Schietwetter. Ich freue mich riesig darauf, sie jetzt im Sommer mitzubringen und ihnen die Stadt zu zeigen, unsere Kultur. Richtiges Brot zum Frühstück. Ich finde es sehr wichtig, dass sie das kennenlernen. Phoenix, Arizona, wo wir leben, ist einfach ein ganz anderer Schnack.
Ist es denkbar, dass Sie länger bleiben als eine Saison? Dass sich der Kreis in Hamburg schließt und Ihre Karriere dort endet, wo sie begann?
Edebali: Denkbar ist alles. Aber ich habe schon vor Corona nie lang im Voraus geplant. Ich gebe einfach im Heute Vollgas und gucke, wo mich das hinträgt. Und dann gebe ich morgen wieder Vollgas.
Das Ziel für die Premierensaison haben Sie bereits ausgegeben: Der Titel mit den Sea Devils soll es sein. Können Sie schon realistisch einschätzen, wie stark die Liga ist?
Edebali: Natürlich nicht, ich kenne ja weder die anderen Teams noch meine Mitspieler. Ich werde Anfang Mai nach Hamburg kommen, dann werde ich sehen, was geht. Aber ich erwarte eine Liga, in der sehr viel Talent steckt, mit vielen Jungs, die besser werden wollen. Dabei möchte ich helfen, sowohl meinem Team als auch anderen Spielern in der Liga. Aber natürlich erst, nachdem wir gegeneinander gespielt haben. Ich möchte die vielen kleinen Dinge genießen, die wir gemeinsam erleben werden. Das ist das Ziel. Wenn dann noch der Titel dabei rauskommt, umso schöner.