Hamburg. Europameisterin Laura Philipp siegt mit weltweit zweitschnellster Zeit. Staatsrat bestätigt Interesse am Format „Die Finals“.
Diese Frau war einfach nicht zu halten. In der Weltklassezeit von 8:18:20 Stunden war Laura Philipp beim Ironman-EM-Rennen der Profifrauen auf dem Hamburger Rathausmarkt über die Ziellinie gesprintet. Es war die zweitschnellste Zeit der Welt, die jemals für eine Frau über die Triathlon-Langdistanz (3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren plus Marathonlauf über 42,195 km) gestoppt wurde, lediglich die Britin Chrissie Wellington (45) war 2011 bei der Challenge Roth sieben Sekunden schneller gewesen. Und weil es so schön war, genoss die 35-Jährige aus Heidelberg den Zieleinlauf doppelt.
Weil die zweitplatzierte US-Amerikanerin Chelsea Sodaro (33) bei ihrer Ironman-Premiere in 8:36:42 Stunden fast 20 Minuten länger brauchte, hatte Laura Philipp Zeit genug, sich auf einer Ehrenrunde im Zieleinlauf den Applaus der Zuschauenden noch einmal abzuholen. All das tat sie mit einer Lockerheit, als hätte sie gerade eine Aufwärmrunde um die Alster hinter sich gebracht.
Alster-Überraschung beim Ironman: „Gar nicht so eklig“
„Ich habe mich super gefühlt. Das Schwimmen in der Alster bei Sonnenaufgang war wunderschön, das Wasser längst nicht so eklig, wie ich befürchtet hatte. Auf der Radstrecke lief es super, und dann habe ich gemerkt, dass auch meine Läuferbeine gut waren. Also habe ich mich vom Publikum tragen lassen. Es war ein perfekter Tag“, sagte die in Bad Pyrmont geborene Ausdauerathletin, die ihren im vergangenen Jahr in Kuopio (Finnland) gewonnenen EM-Titel erfolgreich verteidigen konnte, voller Freude.
Rang drei hinter Sodaro, die auch als Nicht-Europäerin in die EM-Wertung aufgenommen wurde – eine kuriose Eigenheit des Ironman –, belegte die Französin Manon Genet (32/8:52:02).
Dass am selben Tag auf dem Lausitzring in einem Modellversuch unter Laborbedingungen – gerade Schwimmstrecke, Windschattenfahren und Tempomacher erlaubt – die Britin Katrina Matthews (31) die Ironman-Distanz in 7:31:54 Stunden absolvierte und Norwegens Olympiasieger Kristian Blummenfelt (28) in 6:44:26 Stunden in für unmöglich gehaltene Dimensionen vorstieß, tat Laura Philipps Fabelzeit keinen Abbruch.
„Das Event in der Lausitz war gutes Entertainment“, sagte sie. Wellingtons inoffizielle Weltrekordzeit – angesichts der unterschiedlichen Streckenführungen führen die Verbände keine offizielle Rekordliste – hält sie für absolut erreichbar. „In Roth verliert man in den Wechselzonen deutlich weniger Zeit als hier“, sagte sie. Außerdem hatte sie eine Toilettenpause beim Wechsel vom Rad auf die Laufstrecke Zeit gekostet.
Philipp auch beim Ironman auf Hawaii
Den nächsten Anlauf auf einen WM-Titel nimmt Laura Philipp am 6. Oktober beim legendären Ironman auf Hawaii. 2019 war sie dort Vierte geworden. Die vom vergangenen Jahr auf Anfang Mai verschobene WM 2021 in St. George (US-Bundesstaat Utah) hatte sie wegen einer Corona-Infektion verpasst. Nur deshalb hatte sie überhaupt in Hamburg an den Start gehen können. „Zum Glück hat das funktioniert, denn ich habe mich hier wirklich sehr wohl gefühlt“, sagte sie.
Oliver Schiek, Geschäftsführer des Veranstalters Ironman Germany GmbH, freute sich über ein perfektes Profirennen. „Es hat alles gestimmt. Die Atmosphäre war unglaublich, das Ergebnis ebenso, dazu so gutes Wetter – Hamburg hat wieder einmal bewiesen, was die Besonderheit dieses Rennens ausmacht“, sagte er.
Bis 2024 läuft der Vertrag zwischen Ironman und der Stadt Hamburg, bis dahin soll die Frauen-EM auf jeden Fall in und an der Alster stattfinden. Der Termin im Juni – in den Jahren vor Corona hatte der Ironman im August seinen Platz – soll ebenfalls für die nächsten zwei Jahre gelten. „Damit sind alle Beteiligten sehr zufrieden“, sagte Schiek. Zusätzlich auch die Männer-EM nach Hamburg zu holen, sei allerdings kein Thema. Schiek: „Sie funktioniert in Frankfurt sehr gut und hat dort eine große Tradition, warum sollten wir das ändern?“
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2700 beim Jedermann-Ironman in Hamburg
Nicht nur das Profirennen ließ den Veranstalter glücklich zurück. Auch mit der Durchführung der Altersklassenrennen der Jedermänner und -frauen war Schiek sehr zufrieden. 2700 Aktive hatten sich angemeldet, rund 2100 von ihnen standen tatsächlich morgens am Start.
„Mit 7,1 Prozent hatten wir eine niedrige Abbrecherquote“, sagte Schiek, die Zahl der Rettungsdiensteinsätze sei im normalen Bereich gewesen. „Es gab keinen Unfall mit lebensbedrohlichen Umständen, was für uns ganz besonders wichtig ist“, sagte er. Auch Jonas Weller (Ratzeburg), dessen Kreislauf im Zielbereich den Dienst quittiert hatte, war am Montag bei der Preisverleihungszeremonie in der Handelskammer wieder frisch.
Er musste jedoch mit einer kleinen Enttäuschung zurechtkommen. Am Sonntagnachmittag war er als erster Jedermann nach 8:32:42 Stunden mit einem Urschrei durchs Ziel gestürmt. Da seine Altersklasse 25 bis 29 allerdings zeitversetzt zur Altersklasse 30 bis 34 gestartet war, wurde Weller als schnellster Jedermann noch von Sascha Hubbert (Wesel) abgefangen, der nach 8:30:14 Stunden ins Ziel kam. Schnellster Hamburger war Max Teichert (AK 35 bis 39/9:14:32 Stunden), schnellste Hamburgerin Clara Redetzki (AK 30 bis 34/9:57:09).
Neues Sport-Event für Hamburg?
Sportstaatsrat Christoph Holstein, der in Anlehnung an das Ironman-Mekka stilecht im Hawaii-Shirt die EM-Siegerinnenehrung übernahm und es sich nicht nehmen ließ, um 23 Uhr zur Finisher-Party die letzten Ankommenden zu feiern, dankte den Athleten ebenso wie den gut 100.000 Fans an der Strecke. „Besser kann man es sich kaum vorstellen, die Atmosphäre war atemberaubend. Man spürt, wie wichtig es den Menschen ist, dass solche Veranstaltungen wieder stattfinden“, sagte er.
Zudem verriet er, dass die Veranstalter des Wettkampfformats „Die Finals“ Interesse bekundet haben, mit Hamburg über eine Ausrichtung zu verhandeln. Mitte Juni soll es informelle Gespräche geben. Das Multisportevent vereint seit 2019 deutsche Meisterschaften in diversen Sportarten. In diesem Jahr sind es vom 23. bis 26. Juni in Berlin 14.
Ein fehlendes Leichtathletikstadion dürfte ein Punkt der Sondierungsgespräche sein. Dafür hat Hamburg mit dem Ironman wieder bewiesen, dass die ganze Stadt eine Arena sein kann.