Hamburg. Die Schmerzen sind zu stark: Nach 1210 Profispielen verkündet der ehemalige NHL-Star sein Karriereende. Was Schubert jetzt plant.
Die tiefen Ringe unter den Augen zeigten, dass die Nacht, die Christoph Schubert hinter sich hatte, eine kurze war. „Ich habe mich nur hin-und hergewälzt. Mir sind 1000 Gedanken durch den Kopf geschwirrt“, gestand der 37-Jährige, der am Dienstag den wohl schwersten Tag seines Sportlerlebens bewältigen musste.
Der Kapitän und das Aushängeschild der Crocodiles Hamburg muss nach seiner im Dezember 2017 erlittenen schweren Schulterverletzung mit Eckgelenkssprengung, Bizepsriss und Sehnenverletzung seine aktive Karriere beenden. Bis zuletzt hatte er trotz des Totalschadens gehofft, dass er noch einmal das machen kann, was er so sehr liebt. Auf dem Eis stehen, Checks austeilen, Tore schießen, Teil einer Mannschaft sein „Es war ein stetiger Kampf Herz gegen Verstand“, gab Schubert einen Einblick in sein Seelenleben.
Schubert muss um Beschwerdefreiheit kämpfen
Am vergangenen Mittwoch bekam er bei einer Untersuchung bei einem Schulterspezialisten in Hamburg die knallharte Mitteilung, dass sein Körper nie wieder Profisport zulassen wird, und es nun ausschließlich darum geht, dass er wieder einen beschwerdefreien Alltag führen kann. Auch anderthalb Jahre nach seiner Verletzung kann er keinen Wasserkasten schmerzfrei tragen.
„Das war ein brutaler Schlag ins Gesicht. Es ist anschließend viel Rotz und Wasser bei mir gelaufen“, sagte Schubert und ergänzte: „Für jeden Athleten ist es ein Scheißtag, wenn man sein Karriereende verkündet. An wem das abprallt, der hat seinen Sport nie geliebt“, ergänzte der sonst so beinharte Eishockeyprofi mit feuchten Augen. Aus, vorbei. Nach zwanzig Jahren und 1210 Spielen als Profi.
2007 stand Schubert im Stanley-Cup-Finale
Es wird einige Tage, vielleicht Wochen dauern, bis der Stolz auf das Erreichte größer ist als der Schmerz des Abschiedes. Sechs Weltmeisterschaften, Olympische Spiele 2002 in Salt Lake City sowie 2006 in Turin und 346 Partien in der NHL, der besten Eishockey-Liga der Welt, für die Ottawa Senators und die Atlanta Thrashers. Mit den Kanadiern kämpfte Schubert 2007 im Stanley-Cup-Finale um die begehrteste Eishockey-Trophäe der Welt. Erinnerungen, die ihm keiner mehr nehmen kann.
„Ich bin mit 20 Jahren nach Nordamerika gegangen, sprach kaum Englisch, musste mich allein auf einem fremden Kontinent zurechtfinden. Das hat mich geprägt“, sagte Schubert. Über einen kurzen Zwischenstopp bei Frölunda Göteborg – Schubert war der erste Deutsche in der schwedischen Liga – führte sein Weg im Dezember 2010 zu den Hamburg Freezers. „Auch wenn ich das Servus nie durch ein Moin ersetzen werde, fühle ich mich nach über neun Jahren als Hamburger. Hier habe ich meine Frau kennengelernt, eine Familie gegründet und meine Heimat gefunden“, sagte der Familienvater.
Fußballstars halfen Schubert
Bei den Freezers wurde er zum Gesicht des Clubs und hatte maßgeblichen Anteil daran, dass in Hamburg eine neue Eishockey-Euphorie entstand, die im Mai 2016 ein jähes Ende fand, als die Anschutz Entertainment Group den Club abstieß. Mit einer deutschlandweit beachteten Retterkampagne, für die er Hockeyprofi Moritz Fürste sowie die Fußballstars Thomas Müller und Max Kruse mobilisieren konnte, versuchte Schubert sein „Baby“ zu retten – vergebens. „Noch heute würde ich gerne die Wahrheit wissen, warum damals Schluss war. Aber die werden wir alle wohl nie erfahren“, so der Bayer, der nach dem Aus der Freezers bei den Crocodiles anheuerte, um den Eishockey-Standort Hamburg am Leben zu erhalten.
Nach einem erfolgreichen ersten Jahr führte Missmanagement letztlich dazu, dass der angestrebte Plan, mit Schubert als Gallionsfigur bis 2021 in die DEL2 aufzusteigen, ad acta gelegt werden musste. Im Dezember musste der Club sogar Insolvenz anmelden. „Es war trotzdem keine verlorene Zeit bei den Crocodiles. Auch das sind Erfahrungen, die mich auf Sicht weiterbringen“, erklärte Schubert.
Schubert sagt auch den Crocodiles "Servus"
Mit dem Karriereende ist auch das Kapitel Crocodiles für den Publikumsliebling beendet. Geschäftsführer und Sportchef Sven Gösch hätte Schubert gerne als Cheftrainer behalten, doch in der vergangenen Woche sagte der Ex-Profi ab. „Ich gehe aber überhaupt nicht im Groll. Wir hatten, was die zukünftige Ausrichtung angeht, einfach unterschiedliche Auffassungen. Mit Gösch ist das Verhältnis tadellos. Aber ich will einen Schnitt machen“, so der Bayer.
Für die Karriere nach der Karriere hat Schubert bereits konkrete Pläne. Der Ex-Nationalspieler, der die C-Lizenz hat, will ins Trainergeschäft. Voraussichtlich im Februar 2020 wird er seinen B-Schein machen. „Ich brauche einfach den Geruch der Eisfläche und will die Erfahrungen meiner Karriere einfach weitergeben. Egal ob als Chef-oder Assistenztrainer. Egal ob in Deutschland, Europa oder Nordamerika. Ich bin für alles offen“, sagte Schubert, der bereits erste Anfragen vorliegen hat und hofft, in der neuen Saison eine neue Aufgabe zu haben.
Schubert und Familie bleiben in Hamburg
Seine Heimat aber bleibt in jedem Fall Eimsbüttel. Ehefrau Janina und Sohn Lenni (6), der im August eingeschult wird, werden in der Hansestadt wohnen bleiben. Auch, weil die Hoffnung auf Profi-Eishockey in Hamburg nicht komplett gestorben ist: „Vielleicht kommt ja irgendwann ein anderes, spannendes Eishockey-Projekt nach Hamburg. Das kann so schnell gehen, aber jetzt wird mir eine berufliche Luftveränderung erst einmal guttun“, sagte der Wahl-Hamburger.
Eine Luftveränderung privater Natur bekommt Schubert bereits am Wochenende. Am Sonnabend geht es mit seiner Familie nach Österreich. Der erste Urlaub als offizieller Eishockey-Rentner.