Hamburg. Senat passt die Zuschauerregelung für Hamburg nun doch dem MPK-Beschluss an. Was dies bedeutet – und wie Betroffene reagieren.

Während sich der HSV und der FC St. Pauli an diesem Dienstagvormittag in Spanien auf die Rückrunde in der Zweiten Liga vorbereiten, kommt der Hamburger Senat angesichts steigender Corona-Infektionszahlen und der sich immer weiter ausbreitenden Omi­kron-Variante zu einer wegweisenden Sitzung zusammen.

Ursprünglich hatten beide Clubs auf wenige Tausend Fans beim Stadtderby am 21. Januar im Volksparkstadion gehofft. Nach Abendblatt-Informationen muss sich jedoch der gesamte Hamburger Profisport erneut auf Geisterspiele einstellen. Eine dementsprechende Richtungsentscheidung wird an diesem Dienstag erwartet. Der Indoor-Breitensport muss sich zudem auf eine 2G-plus-Regel vorbereiten.

Geisterspiele für HSV, St. Pauli & Co.

Nach dem jüngsten Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) hätten überregionale Großveranstaltungen eigentlich bereits ab dem 28. Dezember ohne Zuschauer stattfinden sollen. In Hamburg gilt zurzeit jedoch noch die Regel, dass bei Großveranstaltungen unter freiem Himmel, wie beispielsweise bei Fußballspielen des HSV oder FC St. Pauli, bis zu 5000 Fans erlaubt sind.

In geschlossenen Räumen sind zudem bis zu 2500 Zuschauer wie bei den Bundesligahandballern des HSV Hamburg (HSVH) oder den Erstligabasketballern der Hamburg Towers zugelassen. Insbesondere für den HSVH und die Towers, die kurz vor dem MPK-Beschluss mehrere Tausend Tickets für ihre Spiele rund um Weihnachten verkauft hatten, war diese Regelung auch ein Entgegenkommen des Hamburger Senats. Nun wird sich Hamburg jedoch dem geltenden MPK-Beschluss angleichen.

Göttlich kritisiert Maßnahmen scharf

Der HSV würde zwar bereits mit lediglich 5000 Zuschauern enorme Verluste machen. Geisterspiele sorgen jedoch für Einnahmeverluste von rund 1,5 Millionen Euro pro Heimspiel. Auch der FC St. Pauli verliert bei Spielen vor leeren Rängen im Millerntor-Stadion einen mittleren sechsstelligen Betrag an Einnahmen.

Oke Göttlich, Präsident des Zweitliga-Tabellenführers, übte ungewohnt scharfe Kritik. Der FC St. Pauli habe bislang alle Maßnahmen unterstützt und den Schutz der Gesundheit immer an erste Stelle gesetzt. „Mit der neuen Verordnung muss man sich allerdings in Hamburg fragen lassen, warum innerhalb von weniger als zwei Wochen Verordnungen auf den Weg gebracht werden, die mehr Fragen als Antworten liefern“, sagte Göttlich: „Wer kann noch plausibel erklären, weswegen 1000 Zuschauer:innen bei Nicht-Profi-Sportveranstaltungen zugelassen werden? Ist ein Stadtderby auch eine überregionale Veranstaltung? Und warum gibt es keine Unterscheidung zwischen Innen- und Außenveranstaltungen? Warum orientieren wir uns nach wie vor an Inzidenzen und nicht an Hospitalisierungen?“

Hallenclubs leiden besonders unter Zuschauerausschluss

Deutlich härter trifft der erneute Zuschauerausschluss jedoch die Hallen-Proficlubs HSV Hamburg (Handball-Bundesliga) und Hamburg Towers (Basketball-Bundesliga) sowie die Crocodiles Hamburg (Eishockey-Oberliga).

„Wir haben allein im Januar noch fünf Heimspiele mit teilweise sehr attraktiven Gegnern. Wir haben das Vertrauen zu den Zuschauern gerade erst wieder mühsam aufgebaut. Dass wir jetzt wieder vor leeren Rängen spielen, ist ein großes Problem. Dennoch waren wir auch auf dieses Szenario vorbereitet und hoffen, dass es nur von kurzer Dauer ist“, sagt Towers-Geschäftsführer Jan Fischer. Wie die Handballer des HSVH müssen die Wilhelmsburger bei Geisterspielen pro Partie auf Zuschauereinnahmen im mittleren fünfstelligen Bereich verzichten.

HSVH etwas mehr Glück als die Towers

Da die Handball-Bundesliga wegen der EM zurzeit pausiert und das nächste Heimspiel erst am 13. Februar gegen die Füchse Berlin auf dem Programm steht, hat der HSVH etwas mehr Glück als die Towers. „Wir haben in erster Linie zwei Einnahmequellen. Das sind einerseits die Sponsorengelder und andererseits der Ticketverkauf“, sagt HSVH-Geschäftsführer Sebastian Frecke. „Wir hoffen, dass die Corona-Lage bei unserem nächsten Heimspiel wieder Zuschauer zulassen wird.“

Auch bei den Crocodiles hat man sich gedanklich auf Partien ohne Publikum eingestellt. „Bei den Corona-Zahlen, die derzeit durch die Decke schießen, gehen wir davon aus, dass es für eine gewisse Zeit Geisterspiele geben wird. Ich bleibe dabei: Wenn es über einen langen Zeitraum Geisterspiele gibt, wird es für einige Vereine in der Oberliga wird es sehr, sehr eng. Auch uns würde es den Boden unter den Füßen wegziehen“, sagte Geschäftsführer Sven Gösch dem Abendblatt und nahm dabei die Politik in die Pflicht: „Zuschauereinnahmen machen 50 Prozent unseres Etats aus. Es gibt für uns eigentlich nur eine Chance zu überleben: durch zusätzliche Hilfe von der Stadt und vom Bund.“

Nach Abendblatt-Informationen würde die Stadt zusätzliche Corona-Hilfen für die Clubs im Einzelfall prüfen. Das Problem der Bundeshilfen, die den Towers und dem HSVH fehlende Zuschauereinnahmen kompensieren sollen: als Referenzzeitraum gilt das Jahr 2019. Damals spielten beide Clubs noch vor weniger Fans in Liga zwei.

Auch interessant

Viele HSV-Fans begleiten die Mannschaft seit Saisonbeginn kritisch. Es fehlt vor allem der Support der Ultras.
Von Stefan Walther, Henrik Jacobs, Rainer Grünberg, Carsten Harms und Maximilian Bronner
  • St. Paulis Präsident Göttlich spricht über Geisterspiele

Corona-Ausbruch: Crododiles im Schwebezustand

Wann das nächste Heimspiel der Crocodiles überhaupt steigen kann, ist derzeit völlig unklar. Nach dem Corona-Ausbruch in der Mannschaft sind mit dem bereits zuvor positiv getesteten Kapitän Norman Martens (35) mittlerweile insgesamt zehn Kadermitglieder infiziert. Bei fünf weiteren Spielern wird das Ergebnis an diesem Dienstag erwartet. Auch die Geschäftsstelle ist in dieser Woche wegen eines positiven Tests geschlossen. Das am 2. Januar ausgefallene Spiel bei den Moskitos Essen soll am 1. Februar (20 Uhr) nachgeholt werden.

Um welche Variante des Coronavirus es sich handelt, wissen die Crocodiles noch nicht. „Es wird nicht automatisch sequenziert. Im Moment arbeiten die Labore am Limit, sodass nur getestet wird, ob jemand positiv ist oder nicht. Für uns ist es mit Blick auf die Quarantänezeit wichtig, zu wissen, ob es Omikron oder Delta ist. Deshalb sind wir dran, über unseren Teamarzt und das Labor zu klären, welche Variante bei uns vorherrscht“, erklärte Gösch.

Wann die neue Hamburger Verordnung in Kraft tritt, ist derweil noch unklar. Fest steht jedoch, dass der Hamburger Senat die an diesem Freitag anstehende MPK noch abwarten wird. Ein denkbarer Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Verordnung wäre beispielsweise der kommende Montag (10. Januar), sodass die Towers ihr Bundesligaheimspiel gegen Brose Bamberg an diesem Mittwoch (19 Uhr/MagentaSport) noch vor Fans austragen könnten.

2G plus im Breitensport: Schnelltests vor Ort?

Auch Breitensportvereine hätten somit ein paar Tage Zeit, um sich auf die 2G-plus-Regel einzustellen. Ausnahmen von der zusätzlichen Testpflicht sollen beispielsweise für geboosterte Menschen sowie in der Schule getestete Kinder gelten. „2G plus wäre zweifellos eine weitere Hürde für den Vereinssport, aber vor dem Hintergrund der Inzidenzentwicklung verständlich. Priorität sollte weiterhin die Verhinderung eines Sport-Lockdowns haben“, sagt Daniel Knob­lich, Vorstandsvorsitzender des Hamburger Sportbunds (HSB).

Diskutiert wird auch, ob sich Sportler direkt an der Sportstätte unter Aufsicht testen lassen können. Dies war bereits im vergangenen Sommer unter der 3G-Regelung möglich. Für HSB-Pressesprecherin Steffi Klein steht trotz allem fest: „Mag sein, dass 2G plus einigen Sporttreibenden zu anstrengend ist. Aber wir haben das Gefühl, dass viele Leute nach langer Durststrecke im vergangenen Jahr endlich Sport treiben wollen. Für sie steht im Vordergrund: Bloß keinen Sport-Lockdown!“