Hamburg. Elmar Sprink ist der fitteste Athlet mit einem fremden Organ. In Hamburg startet er nur zwei Wochen nach seinem Rennen in Frankfurt.
Wenn Sportstaatsrat Christoph Holstein am Sonntagmorgen um 6.30 Uhr den Startschuss für den vierten Hamburg Ironman abfeuert, für 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen (Straßensperrungen siehe oben), wird auch Elmar Sprink in die Binnenalster springen.
Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Der heute 49 Jahre alte Ostwestfale lebt seit dem 9. Juni 2012 mit einem Spenderherz, und wäre das bei einem Extremsport nicht schon Herausforderung genug, vor gerade einmal zwei Wochen hat er in Frankfurt am Main seinen bisher letzten Ironman bestritten. Zwei Events dieses Umfangs innerhalb von 14 Tagen trauen sich nicht einmal gestandene Profis zu.
Sprink: „Ich habe richtig Lust darauf"
„Es ist eine Premiere, ein Experiment, was ich mir zumuten kann“, sagt Sprink. Er fühle sich gut, physisch und psychisch, sei sehr gut trainiert, klar im Kopf, alle Blutwerte seien in Ordnung. „Das Wichtigste aber ist: Ich habe richtig Lust darauf, und ich weiß genau, was ich mache.“ Ohnehin könne er jeder Zeit aussteigen, sollte es ihm nicht gut gehen, oder er eventuell beim finalen Marathon zu große Schmerzen habe.
Das mit den Schmerzen ist bei einem wie ihm allerdings relativ. Für Sprink sind sie willkommene Anzeichen seines zweiten Lebens. Als er vor neun Jahren sieben Monate lang im Herz- und Diabeteszentrum Bad Oeynhausen bei schwindenden Kräften auf dem Rücken lag und auf ein Spenderorgan hoffte, „da hätte ich gern mal Schmerzen in den Beinen gehabt“.
Sprink war schon vor Herzstillstand ein Ironman
Schon vor seinem ersten Herzstillstand am 12. Juli 2010 auf dem heimischen Sofa, zwei weitere sollten folgen, war Sprink ein Ironman, stieg auf Berge, fuhr Ski und Radrennen, surfte, spielte Fußball. Bereits 2005 bestritt er in Hamburg einen Triathlon, die olympische Distanz, 1,5 Kilometer Schwimmen, 40 Kilometer Radfahren, 10 Kilometer Laufen, heute eine Art Aufwärmprogramm für ihn.
Es mögen diese körperlichen Erfahrungen gewesen sein, das Austesten seiner Belastungsgrenzen, die einst sein Immunsystem trainiert und gestärkt haben. Davon profitiert er noch heute, sind seine Ärzte überzeugt, die ihn engmaschig medizinisch kontrollieren. Die Gründe für seine schwere Herzerkrankung wurden nie zweifelsfrei gefunden.
Extremsportler mit Spenderherz doppelt gefährdet
Nach einer Organtransplantation müssen die Empfänger ihr Leben lang Tabletten gegen mögliche Abstoßreaktionen des Körpers schlucken; täglich eine ganze Schachtel Pillen, sagt Sprink. Diese unterdrücken das Immunsystem, der Patient wird anfälliger für Infekte. Ähnliches gilt in der Regel für Leistungssportler. Extremsportler mit einem Spenderherz wären damit doppelt gefährdet. Sprink hält deshalb schon aus Eigenschutz Abstandsregeln penibel ein, um sich vor Ansteckungen zu schützen.
Seine letzte Erkältung hatte er vor fünf Jahren. Und als er sich im März 2020, wahrscheinlich auf dem Rückflug aus Südafrika, mit dem Coronavirus infizierte, verlief die Krankheit bei ihm fast symptomfrei. Ein paar Tage konnte er nichts schmecken, auch das normalisierte sich alsbald wieder. Heute ist er zudem zweimal geimpft, andernfalls hätte er in Hamburg nicht starten dürfen.
Elmar Sprink gilt als fittester Mensch mit Spenderherz
Elmar Sprink, 1,88 Meter groß, 72 Kilo schwer, ehemaliger IT-Spezialist, gilt als fittester Mensch mit transplantiertem Herzen. Seit 2013 absolvierte er mehr als 130 Ausdauerwettbewerbe, darunter sieben Ironman. Bei den Weltmeisterschaften auf Hawaii lief er 2014 bei extremer Hitze als erster Athlet mit einem Spenderherz über die Ziellinie. 2017 und 2019 siegte er bei den World Transplant Games über 400 Meter Schwimmen, 20 Kilometer Radfahren, 5 Kilometer Laufen. Beim Sprinttest auf einem Fahrradergometer trat er in 15 Sekunden bis zu 1100 Watt.
Zum Vergleich: Ein Weltklasse-Radprofi wie der Rostocker André Greipel schaffte 1800 Watt, nur gut ein Drittel mehr. So erstaunlich diese Leistungen alle sind, sie sind wohl auch erklärbar. In seinem Körper schlage schließlich ein gesundes Herz, sagen seine behandelnden Ärzte. Bester Beweis: Beim Frankfurt-Triathlon kam Sprink vor zwei Wochen in 10:38 Stunden ins Ziel, 45 Minuten eher als mit seinem alten Organ vor 16 Jahren.
Sprink ist auch Autor von „Herzrasen 2.0“
Vor einem Wettbewerb bereitet sich Sprink akribisch wie ein Profi vor, füllt seine Glykogenspeicher in den letzten beiden Tagen vor dem Rennen mit täglich 750 Gramm Kohlenhydraten, je 300 Gramm Reis, den Rest über Energydrinks. Während des Rennens nimmt er 80 bis 90 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde zu sich, in Form von Gels, Powerriegeln und Energiegetränken. Dazu kommt die Einnahme eines Gramms Natrium pro Stunde. Sie ist wichtig für die Weiterleitung von Nervenimpulsen, den Herzrhythmus, die Muskelarbeit.
Sprink, Autor des Buches „Herzrasen 2.0“, ist stets auch als Botschafter unterwegs: „Wenn ich mit meinen Leistungen Menschen dazu bewegen kann, einen Organspendeausweis auszufüllen, habe ich schon gewonnen.“ Auch in der Nachsorge einer Transplantation ließe sich vieles verbessern, sagt er. Nervenzellen, die bei der Operation getrennt werden, könnten bei zielgerichtetem Intervalltraining nachwachsen – wie bei ihm.
Elmar Sprink will Zeit „sinnvoll, intensiv nutzen"
Er komme bei einem Ironman auf einen Durchschnittspuls von 140 Schlägen pro Minute, eine Frequenz, die andere Menschen mit einem Spenderorgan gerade mal 60 Sekunden aushalten.
Elmar Sprink hat einmal gesagt, er möchte die Zeit, die ihm ein anderer Mensch, der jetzt tot ist, geschenkt hat, „sinnvoll, intensiv nutzen und bewusst erleben“. Bisher hat er das beispielhaft geschafft.