Hamburg. Wettanbieter zittern diese Woche vor Urteil des Bundesgerichtshofs, eine milliardenschwere Klagewelle der Verbraucher droht.

Die Europameisterschaft ist nicht nur der fußballerische Höhepunkt in 2024, er ist „für die Sportwettenbranche das wichtigste Ereignis des Jahres“, sagte kürzlich Mathias Dahms, Präsident des Deutscher Sportwettenverbandes (DSWV). Jener Verband erwartet Wetteinsätze in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro. Ein Drittel allerdings lande bei illegalen Anbietern, so die Schätzung des DSWV.

Betano, einer der Hauptsponsoren der EM, steht hingegen auf der sogenannten „Whitelist“ (wörtlich weiße Liste) des DSWV. Die von der österreichischen Betkick Sportwettenservice GmbH betriebene Wettanbieter erregte aber dennoch vor einigen Wochen Aufsehen, als er seine Revision im Prozess vor dem Bundesgerichtshof (BGH) um die Rückzahlung von Wettverlusten zurückzog. Der Kläger hatte 2018 12.000 Euro bei Online-Sportwetten verloren und forderte eine Rückzahlung, weil Betano zu diesem Zeitpunkt noch keine deutsche Lizenz besaß. Auch in einem anderen Fall beschäftigte sich der BGH im März mit dieser Frage.

Sportwetten bei EM „einschränken oder verbieten“

Dass mit Betano jetzt ein Wettanbieter als Sponsor so großflächig als Sponsor der EM auftreten darf, ärgert Rechtsanwalt Hannes Beuck (42), Mitgründer des Hamburger Unternehmens Gamesright, das sich auf das Zurückfordern von verlorenen Wetteinsätzen spezialisiert hat. „Es wird das völlig falsche Signal gesendet“, sagt Beuck. „Einigkeit besteht darüber, dass Sportwetten aufgrund ihres hohen Suchtpotentials überhandgenommen haben. Der Glücksspielatlas der Bundesregierung bestätigt dies und weist auf 1,3 Millionen Glücksspielsüchtige sowie weitere drei Millionen Gefährdete hin.“

Aus diesem Grund ist für Beuck klar: „Auch wenn Sportwetten in gewisser Weise zum Sport gehören mögen, halte ich es für falsch, bei einer Großveranstaltung dafür Werbung zu machen, insbesondere da hier auch viele junge Menschen auf Sportwetten aufmerksam gemacht werden. Vor vielen Jahren wurden Werbemaßnahmen für Zigaretten und Alkohol aufgrund ihres ähnlichen Suchtpotentials stark eingeschränkt oder verboten. Dasselbe sollte für Sportwetten gelten.“

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Für Gamesright selbst steht eine entscheidende Woche an: Am 27. Juni wird beim BGH ein Urteil im Rechtsstreit mit dem Aktenzeichen I ZR 90/23 erwartet. Hier klagt Gamesright gegen den in Deutschland weit verbreiteten Sportwettenanbieter Tipico, es geht dabei um die Rückforderung aus Sportwetten in Höhe von 3719,26 Euro, ebenfalls aus dem Zeitraum vor Ende 2020, als auch Tipico keine deutsche Lizenz besaß. . „Der BGH hat darüber zu entschieden, ob Sportwettverträge mit Anbietern ohne Lizenz bis Ende 2020 unwirksam waren. Wir gehen davon aus, dass dieser Grundsatz vom BGH bestätigt wird. Er gilt dann für alle Wetten vor Ende 2020. Entsprechend viele Betroffene dürften sich neu bei uns melden.“

Die Auftragslage bei Gamesright verdreifachte sich zuletzt auch ohne ein Urteil – schon jetzt melden sich 300 Neukunden – pro Tag. Ein Urteil – ein Vergleichsversuch scheiterte, eine außergerichtliche Einigung hält Gamesright für ausgeschlossen – könnte Forderungen gegenüber Wettanbietern in Milliardenhöhe zur Folge haben. „Das Urteil könnte eine erhebliche Welle von Klagen auslösen“, glaubt Beuck. Eine Kernfrage ist dabei aber, ob die von Oberlandesgerichten vertretene Frist von zehn Jahren bestehen bleibt oder auf drei Jahre begrenzt wird.