Dortmund. Die Portugiesen spielen wie ein Titelkandidat und gewinnen 3:0 gegen die Türkei. Im Blickpunkt: Ein kleiner Junge und sein Smartphone.

Das Spiel war längst entschieden, da rannte und rannte ein kleiner Fan auf das Spielfeld, in seiner Hand klebte ein Smartphone, bis er Cristiano Ronaldo erreichte. Und der über den Dingen schwebende Star blieb gelassen, bückte sich für ein Foto, bescherte dem Jungen so das Selfie seines Lebens. 3:0 führte Ronaldos Portugal gegen die Türkei zu diesem Zeitpunkt, Bernardo Silva (22.) und Bruno Fernandes (56.) hatten getroffen, dazu kam ein katastrophales Eigentor von Samet Akaydin (29.). Die türkische Elf wirkte wie ein Luftballon, aus dem nach und nach die Luft entweicht. Mutig waren die Fußballer des stolzen Landes gestartet, aber ihr Selbstvertrauen verschwand durch den bitteren Spielverlauf. Portugal hingegen steht nach dem 3:0-Erfolg im Achtelfinale.

Das Dortmunder Stadion war am Samstag wieder mal mit Emotionen vollgestopft, auf der einen Seite standen die frenetischen türkischen Fans, eindeutig in der Überzahl, lautstark, euphorisch. Aber es hatten sich auch viele Portugiesinnen und Portugiesen auf den Weg zu dem weltberühmten Spielort von Borussia Dortmund gemacht, schon vor dem Anpfiff waren sie in einem riesigen Fanmarsch zur Strobelallee gelaufen. Es knisterte, und natürlich schauten die meisten zuerst auf Cristiano Ronaldo, 39 Jahre alt, ein Weltstar. Aber Portugal hatte noch mehr zu bieten. Etwa Bernardo Silva. Und Rafael Leao. Und Bruno Fernandes.

Das Selfie seines Lebens: ein kleiner Junge und Ronaldo.
Das Selfie seines Lebens: ein kleiner Junge und Ronaldo. © Getty Images | Kevin C. Cox

Türkei vermisst Wunderkind Arda Güler

Bei der Türkei saß Wunderkind Arda Güler etwas überraschend nur auf der Bank, Trainer Vincenzo Montella hatte im Vorfeld allerdings bereits verraten, dass der Kunstschütze aus dem ersten Gruppenspiel „ein wenig müde“ sei. Dafür begann erneut der Gelsenkirchener Kaan Ayhan, früher mal beim FC Schalke, im Mittelfeldzentrum. Neben ihm sollte Hakan Calhanoglu das Spiel antreiben. Beide sahen bereits in der siebten Minute, wie Zeki Celik den Ball scharf vor das portugiesische Tor rauschen ließ. Am zweiten Pfosten bekam Kerem Aktürkoglu seinen Fuß in die Flanke, schaffte es aber nicht, den Ball aufs Tor zu bringen. Ein Aufschrei. Herzrasen. Aber kein Treffer.

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Die Türkei startete mutig, jedoch, und dies fiel zum Beispiel durch zwei Hackentricks und ein Tänzchen von Ronaldo auf, hatte Portugal mehr technische Finesse zu bieten. Schrittweise übernahm die Auswahl von Trainer Roberto Martinez die Kontrolle, übte mehr und mehr Dominanz aus. Leao spielte auf der linken Seite auf Nuno Mendes, der passte flach in den Sechzehnmeterraum. Ronaldo verpasste den Ball und klatschte auf den Rasen, dahinter aber lauerte Bernardo Silva, der mit seinem linken Fuß so feste in die rechte Ecke schoss, dass sich Torhüter Altay Bayindir nicht mehr entscheidend dazwischenwerfen konnte (22.).

Die Führung ließ den türkischen Anhang leiser werden, der nun spürte, wie kompliziert es werden würde, gegen dieses Portugal noch einmal zurückzukommen. Vor allem, weil sich nur einige Minuten später ein katastrophales Missgeschick ereignete. Portugals Joao Cancelo hatte den Ball in einen Raum gespielt, in den Ronaldo gar nicht gelaufen war, eigentlich war die Gefahr für die türkische Elf damit gebannt. Doch Samet Akaydin übersah, dass Bayindir aus seinem Tor geeilt war und spielte einen Rückpass ins Nichts, der an dem türkischen Torhüter vorbeirollte und langsam ins eigene Tor trudelte (29.).

Türkei kämpft jetzt gegen Tschechien um das Achtelfinale

Zwei Minuten später ackerte sich der auffällige Kerem Aktürkoglu in den portugiesischen Sechzehnmeterraum, Torhüter Diogo Costa konnte dessen Abschlussversuch aber ohne große Schwierigkeiten zur Ecke klären. Bruno Fernandes schnupperte am dritten Tor (35.). Genauso Cristiano Ronaldo (36.). Beide Schüsse gerieten jedoch zu hoch. Orkun Kökcü schoss auf der anderen Seite aus 20 Metern zu ungefährlich ab (41.).

Die Türkei taumelte zwar, doch sie dachte nicht daran, sich geschlagen zu geben. Der eingewechselte Yusuf Yazici versuchte es aus etwa 30 Metern (53.), was allerdings verdeutlichte, dass Montellas Elf es zu selten schaffte, sich klare Gelegenheiten herauszuspielen. Wenn, dann waren es Fernschüsse oder Einzelleistungen, die Gefahr erzeugten. Und als die türkischen Fans gerade mit Sprechchören Wunderkind Arda Güler forderten, lief plötzlich Ronaldo unbedrängt auf Torhüter Bayindir zu. Zeki Celik hatte das Abseits aufgehoben. Ronaldo, eigentlich für sein Ego bekannt, legte ganz uneigennützig quer auf Bruno Fernandes, der keine Mühe hatte, diese Partie durch das dritte Tor zu entscheiden (56.).

Fast hätte Ronaldo selbst per Kopf getroffen (66.). Nur fast. Portugals Anhänger feierten den alternden Star trotzdem. Dann kam der kleine Junge, später rannten sogar noch ein weiterer Fan, dann noch einer und dann noch einer auf den Platz, was Ronaldo irgendwann berechtigterweise nervte. Aber: Sein Land zeigte, dass es in dieser Form ein Wörtchen im Titelkampf mitreden wird. Der Europameister von 2021 spielt jetzt am Mittwoch gegen Georgien (21 Uhr), die Türkei kämpft zeitgleich gegen Tschechien um das Achtelfinale und muss sich erstmal von diesem bitteren Abend erholen.