Frankfurt. Geheimfavorit Belgien ist mit einer Niederlage in die EM gestartet. Die Roten Teufel unterlagen der Slowakei überraschend mit 0:1.
Trainer Domenico Tedesco wedelte mit den Händen, um die Fans noch einmal anzutreiben, Kapitän Kevin De Bruyne forderte und verteilte den Ball, trieb an und verzweifelte, Stürmer Romelu Lukaku fasste sich angesichts vieler vergebener Chancen an den Kopf - doch Mitfavorit Belgien konnte in der hektischen Schlussphase die unerwartete 0:1 (0:1)-Niederlage gegen die mutige Slowakei nicht mehr abwenden. 47.000 Zuschauer erlebten in Frankfurt die erste EM-Überraschung.
Dabei hatte der von den in Rot gekleideten belgischen Fans schon beim Aufwärmen frenetisch gefeierte De Bruyne sein Team unmittelbar vor dem Anpfiff noch angetrieben. Der komplette Kader hatte einen Kreis gebildet, De Bruyne, der von den 14 Tedesco-Länderspielen zehn verpasst hatte, wirkte engagiert, motiviert. Und schon in den ersten fünf Minuten zeigte die hochgelobte belgische Offensive zweimal, dass sie zu den besten in Europa gehört. Drei Minuten waren gespielt, als Jeremy Doku über den rechten Flügel auf und davon lief und in der Mitte die freie Auswahl hatte, und keine schlechte: De Bruyne und Lukaku standen frei. Doch Doku konnte sich nicht entscheiden - Fehlpass. Zwei Minuten später misslang ein Zusammenspiel zwischen Lukaku und Leandro Trossard, doch es deutete sich an, dass es für die slowakische Abwehr ein sehr langer Abend werden könnte.
Slowakei nutzt einen schweren Fehlpass zum Siegtor
Doch innerhalb von Sekunden nahm das Spiel eine unerwartete Wendung. Doku stand an der eigenen Eckfahne und spielte einen riskanten Pass in den Strafraum. Juraj Kucka scheiterte an Torwart Koen Casteels, den Abpraller verwandelte Ivan Schranz zum 1:0 für den Außenseiter, der sein Glück kaum fassen konnte. De Bruyne munterte seine Mitspieler sofort auf, Tedesco stand ratlos an der Seitenlinie. Plötzlich schien alles vergessen, was er seiner Elf mit auf den Weg gegeben hatte.
Nichts gelang den Belgiern mehr, gegen den riskanten Spielaufbau und das starke Pressing der leidenschaftlichen Slowaken fanden sie kein Mittel mehr. Der Außenseiter erarbeitete sich bei seinen Gegenangriffen sogar fünf Ecken und die sehenswerteste Chance der ersten Hälfte. Nach einem Pass von Kucka donnerte Lukas Haraslin den Ball volley aufs Tor und zwang Torwart Casteels zu einer Glanztat (40.). Trainer Francesco Calzona (55), der zu Beginn seiner Trainerkarriere nebenbei als erfolgreicher Kaffee-Verkäufer jobbte und dann als eine Art Peter Hermann Italiens 14 Jahre als Co-Trainer durchs Land zog, bevor er 2022 Nationaltrainer wurde, trickste Belgien in der ersten Hälfte aus.
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Calzonas Team schaffte es, Superstar De Bruyne aus dem Spiel zu nehmen. Wunderdinge vollbrachte der nicht. Stürmer Lukaku vergab in seinem 116. Länderspiel kurz vor der Pause auch seine zweite Chance, als er freigespielt wurde, aber den Ball nicht kontrollieren konnte. Die vielen slowakischen Fans feierten die 1:0-Pausenführung wie einen Sieg.
Es dauerte auch in der zweiten Halbzeit rund zehn Minuten, bis Belgien ins Spiel zurückkehrte - und Stürmer Lukaku (31), auf seiner Europareise inzwischen bei der AS Rom angekommen ist, vergab eine Chance nach der anderen. Scheiterte er zunächst an Torwart Dubravka (55.) und am Außennetz (61.), wurde ein von ihm erzieltes Abstaubertor nach Video-Check aberkannt (56.). Lukaku hatte hauchdünn im Abseits gestanden.
Die beste Chance der Roten Teufel hatte Johan Bakayoko, dessen Schuss von der Torlinie gekratzt wurde (62.). De Bruyne führte nun auf dem Platz mit Verspätung Regie, zeigte seinen Mitspielern zwischenzeitlich jeden Pass an. Doch es blieb beim 0:1, die Minuten verrannen. Die Slowaken versuchten es schon rund 25 Minuten vor dem Abpfiff mit übertriebenem Zeitspiel.
Mit dieser wenig filigranen Strategie gelang es ihnen, die Drangperiode der Belgier zu stoppen. Die wirkten immer kopf- und ideenloser, ließen sogar viel Platz für Konter. Tedesco wechselte zusätzliche offensive Kräfte ein, um seine erste Niederlage als belgischer Nationaltrainer noch abzuwenden.
Zwei Lukaku-Tore nach VAR-Check aberkannt
Und eine großartige Chance bekamen die Belgier noch. Der eingewechselte Lois Openda setzte sich in der 87. Minute über die linke Seite durch, spielte einen Querpass, und erneut traf Lukaku, diesmal stand er nicht im Abseits. Openda hatte den Ball mit der Hand berührt, erneut zählte das Tor nicht. An diesem Abend ging für Belgien eben alles schief - und nach sieben Minuten Nachspielzeit war die Niederlage perfekt.