Berlin. „Wie unter Beruhigungsmitteln“: Kroatien offenbart bei der Niederlage gegen Spanien, wie abhängig es von seinem Star wirklich ist.
Der großen Euphorie vor dem ersten Spiel bei der Fußball-Europameisterschaft folgte die Ernüchterung. „Die wichtigsten kroatischen Stars schienen unter Beruhigungsmitteln zu stehen“, schrieb zum Beispiel die kroatische Tageszeitung „Jutarnji“ nach dem 0:3 zum Auftakt gegen Spanien im Berliner Olympiastadion. Und mit Stars ist vor allem einer gemeint: Luka Modric.
Einmal mehr wurde deutlich, wie abhängig die Mannschaft von Trainer Zlatko Dalic tatsächlich vom Champions-League-Sieger von Real Madrid ist. Funktioniert Modric nicht, oder wird er wie gegen Spanien komplett aus dem Spiel genommen, dann funktioniert auch Kroatien nicht. Dies ist das Fazit des ersten EM-Auftritts der Kroaten.
Modric: Wir waren nicht wir selbst
Es ist schon bemerkenswert, welchen Status der inzwischen 38 Jahre alte Mittelfeld-Regisseur in der Mannschaft hat. Als es vor dem Spiel zum Aufwärmen hinausgehen sollte, warteten die Mitspieler fast schon ehrfürchtig in den Katakomben des Olympiastadions auf ihren Star. Erst als Modric durch die Spielerreihen nach vorn schritt und als Erster die Stufen hochlief, folgten ihm die Teamkollegen.
In den folgenden gut 60 Minuten, in denen Modric auf dem Platz stand, ließen die Spanier ihn schlichtweg alt aussehen. Kaum Impulse, viel zu selten Anspielstation, um die Defensive zu entlasten oder Offensivaktionen einzuleiten – „uns fehlte die Energie und wir standen zu weit weg von ihren Spielern. Sie haben uns dafür bestraft. In der ersten Halbzeit waren wir nicht wir selbst“, bilanzierte Modric selbst einen erstaunlich müden Auftritt.
Bezeichnend war das Verhalten der gesamten kroatischen Defensive beim zweiten Gegentor durch Fabian Ruiz, den Spieler des Spiels. Als der Mittelfeldspieler durch die kroatischen Abwehrreihen tanzte, schauten alle nur zu – nachdem Modric zuvor nur halbherzig eingegriffen hatte. „Nach dem ersten Gegentor waren wir nicht in der Lage, ins Spiel zurückzufinden“, erklärte Trainer Dalic.
Kroatien muss gegen Albanien unbedingt gewinnen
Die Auswechslung seines Kapitäns nach gut einer Stunde hatte Coach Dalic wie folgt begründet: „Vor uns liegen noch zwei wichtige Spiele, gegen Albanien und Italien. Wir lagen 0:3 zurück und hatten nicht viele Chancen, das Spiel noch umzudrehen, also habe ich beschlossen, ihn runterzunehmen.“ Schonung für die übrigen zwei Gruppenspiele, in denen gerade Modric bei seiner fünften EM-Teilnahme gefordert sein wird.
„Wir haben nicht länger das Recht, Fehler zu machen. Wir müssen uns erholen und die kommenden Spiele gewinnen.“ Die Forderung des Ausnahmespielers ist eindeutig. „In gewisser Weise ist das eine gute Sache, denn wir wissen, dass wir keine andere Wahl haben, als zu gewinnen. Wir müssen uns gut vorbereiten, analysieren, was schiefgelaufen ist, und viel besser sein, insbesondere was die Energie betrifft“, fügte Modric hinzu.
Ohne Zweifel brauchen die Kroaten einen Stimmungsaufheller, soll das Turnier nicht in einem Fiasko enden. Der Erfolg in Portugal (2:1) im letzten Testspiel vor der EM, „war das Schlimmste, was Kroatien passieren konnte. Die euphorische Stimmung der Fans, die nicht der Realität entsprach, stieg in die Höhe“, schrieb „Jutarnji“. Nun liege es nicht zuletzt an Modric, „die Skeptiker zu dementieren“. Am Mittwoch wartet im Spiel gegen Albanien in Hamburg (15 Uhr, RTL) die nächste Möglichkeit.