Herzogenaurach. Der Ex-Kapitän der Nationalmannschaft spricht über die „absurde“ Umfrage, die Real-Madrid-Gerüchte und seine Zukunft beim FC Bayern.
Auf dem Weg zur Pressekonferenz wurde Joshua Kimmich gebrieft. Der Nationalspieler hatte von der Medienabteilung des Deutschen Fußball-Bundes erfahren, dass die ARD eine Umfrage veröffentlicht und das Ergebnis in eine fragwürdige Schlagzeile verpackt hatte: „Jeder fünfte Deutsche will mehr „weiße“ Nationalspieler“ lautete die Überschrift zu der repräsentativen Umfrage, die als Teil der neuen Dokumentation „Einigkeit und Recht und Vielfalt – Die Nationalmannschaft zwischen Rassismus und Identifikation“ von erstellt wurde.
Kimmich schüttelte auf dem Presspodium des Medienzentrums in Herzogenaurach mit dem Kopf. „Es ist absurd, so eine Frage zu stellen vor der Heim-EM. Das ist absolut kontraproduktiv“, sagte der 29-Jährige zwei Wochen vor dem Auftaktspiel der Europameisterschaft in Deutschland gegen Schottland am 14. Juni in München.
ARD-Umfrage passt zur politischen Situation in Deutschland
Wie die ARD auf die Idee kam, so eine Umfrage in Auftrag zu geben, wurde nicht bekannt. Das Ergebnis passt in jedem Fall zur politischen Situation in der Bundesrepublik. Eine Woche vor der Europawahl kommt die AFD in Deutschland in Umfragen auf einen Zuspruch von 14 Prozent. In der Doku sprechen der aktuelle Nationalspieler Jonathan Tah und die Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah und Shkodran Mustafi über ihre Erfahrungen mit Rassismus in deutschen Fußballstadien.
Im aktuellen EM-Kader der deutschen Mannschaft haben neun Spieler einen Migrationshintergrund. „Ich würde sehr viele Spieler aus unserer Mannschaft vermissen, wenn sie nicht hier wären“, sagte Kimmich und wählte klare Worte. „Das ist rassistisch und hat keinen Platz in der Kabine. Der Fußball ist ein sehr gutes Beispiel, wie man verschiedene Nationen, Religionen und Hautfarben vereinen kann. Bei der EM geht es darum, das ganze Land zu vereinen. Wir wollen alle Menschen in Deutschland hinter uns kriegen“, sagte Kimmich.
Joshua Kimmich will endlich wieder ein Eröffnungsspiel gewinnen
Der Münchner weiß, wie wichtig in der kommenden Woche die beiden Länderspiele gegen die Ukraine (Montag) und gegen Griechenland (Freitag) sind, um die Vorfreude in Deutschland zu steigern und den Fokus allein auf den Sport zu legen. Entscheidend sei dann aber vor allem das EM-Eröffnungsspiel eine Woche später. „Das erste Spiel ist extrem wichtig“, sagte Kimmich, der mit der DFB-Auswahl bei den vergangenen drei großen Turnieren jeweils das Eröffnungsspiel verloren hatte. „Argentinien hat bei der WM gezeigt, dass es auch anders geht. Aber die Stimmung wird viel vom ersten Spiel abhängen. Wenn wir nicht gewinnen, ist der Druck und der Gedanke an die anderen Turniere gleich wieder da.“
Kimmich erinnert sich gerne an seine erste EM 2016 zurück. Bei der Europameisterschaft in Frankreich vor acht Jahren war sein Stern in der Nationalmannschaft aufgegangen. Damals rutschte er während des Turniers für Benedikt Höwedes auf die Position des Rechtsverteidigers und überzeugte ganz Deutschland. Insbesondere im Viertelfinale gegen Italien, als der damals noch 21-Jährige seinen Versuch im Elfmeterschießen sicher verwandelte. Joachim Löw hatte seinen neuen Philipp Lahm gefunden. Pep Guradiola, der ihn in dieser Saison zum Durchbruch verholfen hatte, schwärmte: „Ich liebe diesen Jungen.“
In den vergangenen Jahren hat sich das Kimmich-Bild aber gedreht. Als zentrale Figur im zentralen Mittelfeld wurde Kimmich zum zentralen Sinnbild des deutschen Misserfolgs. In der Phase, in der Kimmich den verletzten Manuel Neuer vor einem Jahr als Kapitän vertrat, verlor die deutsche Mannschaft fast alle Spiele. Der damalige Bundestrainer Hansi Flick degradierte Kimmich und machte Ilkay Gündogan zum neuen Kapitän – und den Münchner wieder zum Rechtsverteidiger.
Joshua Kimmich bei Real Madrid und Barcelona im Gespräch
Nun gibt es Spekulationen, dass Flick als neuer Trainer des FC Barcelona ausgerechnet Kimmich vom FC Bayern abwerben könnte. Der Vertrag des achtmaligen deutschen Meisters läuft im kommenden Jahr aus. Die Bayern wollen nach der titellosen Saison einen Umbruch forcieren. Auch als Nachfolger von Toni Kroos bei Real Madrid wird Kimmich von der „Bild“ ins Gespräch gebracht. Kimmich ließ diese Gerüchte unkommentiert, sagte aber zu seiner Zukunft in München: „Das hängt nicht nur von mir ab. Es ist auch die Frage, was der Verein will. Nach der EM wird ein Gespräch stattfinden.“
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18 Jahre nach dem Sommermärchen 2006 in Deutschland will Kimmich erneut den Lahm machen und im Eröffnungsspiel als Außenverteidiger treffen. „Ich werde alles dafür tun“, sagte Kimmich und erinnerte sich mit einem Lachen an den 2006 gegen Costa Rica am Arm gehandicapten Lahm: „Ich habe zum Glück keinen Gips an.“