Madrid. Niclas Füllkrug spielt schwach, Youssoufa Moukoko überhaupt keine Rolle. Aber kann nun der Ivorer Dortmund tatsächlich helfen?
Sebastian Kehl hatte sich in den Katakomben des Estadio Metropolitano um kurz vor Mitternacht längst wieder in den besonnenen Sportdirektor von Borussia Dortmund gewandelt, der nach Spielen gewohnt sachlich seine Einschätzungen zum Besten gibt. Nichts mehr war von jenem Kehl zu sehen, der zuvor urplötzlich in seine vor einigen Jahren abgelegte Rolle des Mittelfeld-Anführers geschlüpft war.
Mitte der zweiten Halbzeit nämlich da baute sich der 44-Jährige vor Diego Simeone auf. Der heißblütige Dompteur von Atlético Madrids Rauhbeinen ist kein gewiss Kind von Traurigkeit, es benötigt schon einen gewissen Mut dem argentinischen HB-Männchen die Stirn zu bieten. Es wirkte wie kurz vor Kneipenschlägerei, bis ein Co-Trainer die Streithähne auseinanderschob.
BVB hat noch alle Chancen auf das Halbfinale der Champions League
„Da kamen Emotionen hoch. Es ging heute darum dagegenzuhalten“, meinte Kehl. „Es ging um eine Szene auf dem Platz, das wissen er und ich. Dabei belassen wir es.“ Vielleicht aber hatte das Tête-à-Tête mit dem Atléti-Trainer tatsächlich eine Signalwirkung für die Profis des BVB.
Sie schafften am Ende ja noch ein Anschlusstor durch Sebastien Haller, das Dortmund trotz der 1:2 (0:2)-Niederlage eine hoffnungsvolle Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Dienstag (21 Uhr/Prime) bereitet hat. Die erste Halbzeit hingegen, in der Rodrigo de Paul (4.) und Samuel Lino (32.) die Madrilenen schon mit einem Bein ins Halbfinale geschossen haben, hatte der indisponierte BVB hingegen völlig verbaselt.
BVB: Viel Lob für Sebastien Haller
Es brauchte also Veränderungen, und eine erwies sich als goldrichtig. Haller erlöste Dortmund im Stile eines Mittelstürmers kurz vor Schluss (81.), schon zuvor war der nach 60 Minuten für den schwachen Niclas Füllkrug eingewechselte Ivorer eine Fix-Punkt. „Er hat sich die Chance verdient, heute recht früh eingewechselt zu werden“, lobte Trainer Edin Terzic. Auch Kehl befand: „Er war sehr präsent in der Strafraumbesetzung. In dem einen Moment natürlich auch eiskalt. Dass es Sebastien nicht verlernt hat, wo das Tor steht, wissen wir.“
Zumindest beim BVB hätte man allerdings in den vergangenen Monaten diesen Eindruck gewinnen können. Da präsentierte sich Haller nämlich nicht auf Bundesliga-Niveau, wirkte wie ein Fremdkörper im Spiel.
Nach dem Triumph beim Afrika-Cup wollte der Ivorer eigentlich mit neuem Schwung in Dortmund aufschlagen, sich herankämpfen und allen beweisen, dass die tragische Figur des Saisonfinales 2023 noch etwas in petto hat. Doch eine Sprunggelenksverletzung warf Haller nach Rückkehr aus seiner Heimat, für die er die entscheidenden Tore im Turnier erzielt hatte, wieder zurück. „Er wirkt nun im Training schon viel harmonischer im Zusammenspiel mit den anderen Jungs“, sagte Terzic.
BVB: Niclas Füllkrug stößt immer mehr an seine Grenzen
Sein spätes Tor in Madrid brachte Haller, der selbst lieber nicht sprechen wollte, wie dem gesamten Klub neue Zuversicht. In der Königsklasse, aber auch dafür, ein sich abzeichnendes Stürmerproblem zu beheben.
Denn immer häufiger stößt Niclas Füllkrug, 31, an seine Grenzen. Er gab am Mittwochabend bis zu seiner Auswechslung nur einen Torschuss ab, hatte mikrige 14 Ballkontakte. Füllkrug hing in der Luft. Wenn es ringsherum rasant zugeht, wirkt der frühere Bremer überfordert, dann kommen seine technischen Schwächen zum Vorschein. Seit einem Monat wartet er schon auf einen Treffer für Dortmund. „Manchmal gibt es Dinge, die man so nicht erklären kann“, sagte Kehl. „Er arbeitet unglaublich hart, er versucht alles, ist dann in vielen Aktionen aber auch unglücklich.“
BVB: Was wird aus Youssoufa Moukoko?
Weil es noch diverse andere Problemzonen im Dortmunder Kader gibt, wird man im Sturm, der quantitativ mehr als ausreichend besetzt ist, nicht nachbessern wollen und können. Ob Haller wirklich noch einmal zur Verstärkung werden kann, bezweifelt man intern zwar sehr. Doch genau wie Füllkrug ist er bis 2026 mit gut dotierten Verträgen an den Klub gebunden. Beide sind dann im recht hohen Fußballer-Alter, hohe Ablöse werden sie bis dahin nicht bringen können. Andererseits war das bei Haller auch nie der Plan gewesen, als er ja als absoluter Top-Einkauf im Sommer 2022 nach Dortmund gekommen war. Dann jedoch schockierte die Krebserkrankung.
Bliebe noch Youssoufa Moukoko. Der 19-Jährige ist ebenso mit einem Vertrag bis 2026 ausgestattet, spielt allerdings gar keine Rolle mehr. Vertieft in sein Handy und mit seiner Kapuze tief ins Gesicht gezogen, stampfte Moukoko am Mittwoch durch die Mixed Zone in Richtung Mannschaftsbus. Befriedigend ist seine Situtation für alle Beteiligten nicht. Anders als bei seinen Konkurrenten dürfte für ihn aber noch eine stattliche Geldsumme für den BVB zu holen sein.