London. Nach dem 2:2 bei Arsenal blicken die Münchner trotz Gnabry-Verletzung und des Elfmeter-Ärgers zuversichtlich aufs Rückspiel in München.
Schon kurz vor der Abfahrt zum Bankett hatte sich in vielen Szenen vor den beiden Mannschaftsbussen beobachten lassen, dass sie beim FC Bayern wieder mit sich im Reinen sind. Wie bei Thomas Müller, der zwar gar nicht eingesetzt worden war beim 2:2 im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League beim FC Arsenal, danach aber noch an der Bustür gerne für den Selfiewunsch eines kleinen Jungen bereitstand. Sogar der sonst eher medienscheue Leroy Sané ließ sich gut gelaunt auf einen Plausch mit Journalisten ein. Und auch Trainer Thomas Tuchel führte am Bus vor der Abfahrt zum Bankett noch ein lockeres Gespräch.
Auch später im Mannschaftshotel war zu sehen und zu hören, wie positiv der leidenschaftliche Auftritt das Binnenklima beeinflusst hatte. Deutlich zu vernehmen war, dass die Hoffnung der Münchner auf einen versöhnlichen Saisonabschluss zurückgekehrt ist. „Totgesagte leben länger“, befand der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen in seiner Bankettrede in jenem Hotel, in dem die Bayern 2013 auch vor ihrem 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund im Finale von Wembley gewohnt hatten. Dieser Ort, sagte Dreesen, solle die Mannschaft inspirieren, „diesen Geist aufleben zu lassen“. Der CEO lobte, dass Tuchels Team nun sein „wahres Gesicht gezeigt“ habe. In dieser Form, verkündete er vollmundig, „muss sich jeder in Europa vor uns in Acht nehmen. Und natürlich lebt der Traum weiter.“ Gemeint war der Gewinn des Henkelpotts ein paar Kilometer weiter westlich, wenn am 1. Juni das Finale erneut in Wembley stattfindet.
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FC Bayern München: Max Eberl bilanziert „sehr erwachsene Leistung“
Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Zunächst einmal muss das Rückspiel gewonnen werden, um ins Halbfinale einzuziehen. Die Zuversicht war vor allem deshalb zurückgekehrt, weil der FC Bayern beim Tabellenführer der Premier League eine starke Vorstellung geboten und sein tatsächliches Leistungsvermögen gezeigt hatte. Zuletzt hatte es in der Bundesliga zwei Niederlagen gegen Dortmund (0:2) und bei Aufsteiger Heidenheim (2:3) gesetzt. Nun aber bilanzierte Max Eberl „eine sehr erwachsene Leistung“ und erklärte die Debatte um Tuchel für endgültig beendet. „Ich finde, das war der Beweis, dass er die Mannschaft erreicht“, sagte der Sportvorstand.
Durch Bukayo Sakas Schlenzer waren die Bayern früh in Rückstand geraten (12.), ehe Serge Gnabry rasch ausglich (18.). Bald darauf endete Sanés Solo über den halben Platz erst durch ein Foul von William Saliba im Strafraum. Harry Kane verwandelte den Elfmeter mit seinem 39. Tor im 38. Pflichtspiel für die Bayern (32.). Der Ausgleich durch Arsenals Leandro Trossard (76.) änderte wenig daran, dass die Münchner mit berechtigter Zuversicht aufs Rückspiel in der eigenen Arena blicken. Eberl sprach von einer „großen Chance, ins Halbfinale zu gehen“.
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Ärger über verweigerten Elfmeter: Bayern-Trainer Tuchel schimpft
Die Aussicht, die Runde der letzten Vier zu erreichen, hätte sogar noch besser ausfallen können. Doch Schiedsrichter Glenn Nyberg sah von einem Elfmeter ab, obwohl Arsenals Verteidiger Gabriel den Ball nach einem flachen Abstoß seines Torwarts David Raya irrtümlich im eigenen Strafraum einfach in die Hand genommen hatte. Der Schiedsrichter habe gegenüber den Münchner Spielern davon gesprochen, dass Gabriel ein Anfängerfehler („kids mistake“) unterlaufen sei und er so etwas in einem Champions-League-Viertelfinale nicht pfeife, berichtete Tuchel. Für den Bayern-Trainer ein Unding: „Das ist eine ganz neue Form der Regelauslegung. Das ist einfach unglaublich.“ Als weitere Ärgernisse hinzu kamen die Gelbsperre für Alphonso Davies fürs Rückspiel und Gnabrys Verletzung, durch die Tuchel einen Ausfall für die zweite Verabredung mit Arsenal prognostizierte. Eine genaue Diagnose stand zwar zunächst aus, viel deutet jedoch darauf hin, dass Gnabrys EM-Chancen auf ein Minimum sinken. Immerhin aus Münchner Sicht hatte Nyberg keinen Elfmeter verhängt, als Saka kurz vor Schluss bei Torwart Manuel Neuer eingefädelt hatte.
Bei aller Hoffnung der Bayern auf einen versöhnlichen Saisonabschluss wissen sie aber auch, dass sie in dieser Saison schon oft sehr schwankungsanfällig waren. Geht es nach Eberl, soll das nun ein Ende haben. „Wir haben Hochs gehabt, wir haben Tiefs gehabt, es war eine Wellenbewegung die ganze Saison, und das sollte uns zum Ende der Saison nicht mehr passieren“, sagte er und forderte, in der Bundesliga einen Sieg nachzulegen: „Ich erwarte, dass die Mannschaft auch am Samstag gegen Köln so eine erwachsene Leistung zeigt“, sagte Eberl. Eine solche wird gegen Arsenal erst recht erneut nötig sein.