Dortmund. In Dortmund ist der Deutschlandachter für das Olympiajahr präsentiert worden. Gelingt mit zwei Rückkehrern der Anschluss an die Weltelite?
Während in anderen Teilen des Ruhrgebiets am Donnerstagmorgen Wolkenbrüche Straßen in Kanäle verwandelten, blieb es am Dortmund-Ems-Kanal trocken. Zumindest von oben, versteht sich. So kam es lediglich zu ein paar Spritzern am Anleger, als der Deutschlandachter, das Paradeboot, der Mythos, das Flaggschiff des Deutschen Ruderverbandes sich erstmals offiziell in seiner neuen Besetzung für dieses Olympiajahr in Bewegung setzte. Mit ruhigen Schlägen, kraftvoll – und mit einer guten Mischung aus Frische und Erfahrung.
Weltcup-Auftakt als Standortbestimmung für Deutschlandachter
Nach einem Knick in der Leistungskurve soll es in neuer Zusammenstellung zurück in die Erfolgsspur gehen. Der Weltcup-Auftakt in Varese (12. bis 14. April) dient als erster Gradmesser, was mit Blick auf die Sommerspiele in Paris möglich ist. In Italien kommt es erstmals zum Aufeinandertreffen mit aktuellen Branchengrößen wie Großbritannien und den Niederlanden. Gelingt der Anschluss an die Weltelite?
Einer, der wie kaum ein anderer weiß, wie Erfolg mit dem Achter geht, ist Richard Schmidt. Der 36-Jährige war auch bei der Vorstellung des neuen Achters in Dortmund – jedoch in neuer Funktion. Der Olympiasieger von 2012 in London ist einer der erfolgreichsten deutschen Ruderer der Geschichte – doch bereits im sportlichen Ruhestand. Am Donnerstag war der Wirtschaftsingenieur lediglich als Vertreter des Hauptsponsors Wilo vor Ort. Dabei kann sein Erfahrungsschatz für seine Nachfolger Gold wert sein.
Ociks Erfahrung soll Deutschlandachter zum Erfolg verhelfen
Das gilt ähnlich für Hannes Ocik. Viele Jahre saß er mit Richard Schmidt in einem Boot. Anders als der mehrmalige Welt- und Europameister ist der Schweriner Ocik nun aber zurück im Achter. „Ich konnte schon viel Erfahrung sammeln“, sagte er. „Und dieser Erfahrungsschatz ist durch den großen Umbruch im Boot 2021 und 2022 ein Stück weit verloren gegangen. Das Potenzial in dieser Mannschaft ist komplett vorhanden.“ Bei der WM im vergangenen Jahr war die Olympiaqualifikation so gerade mit dem fünften Platz noch gelungen.
Als Schlagmann hatte der 32-Jährige den Achter 2016 in Rio und 2021 in Tokio jeweils zu Olympia-Silber sowie zu drei WM-Titeln geführt. Nach Tokio versuchte er sich im Einer, kehrte dann zum Achter zurück, musste sich jedoch in der Vorsaison zunächst mit der Rolle des Ersatzmanns begnügen. Nun soll seine Routine zu neuer Schlagkraft verhelfen. „Im vergangenen Jahr fehlten uns 1,4 Sekunden zu einer WM-Medaille. Unser Ziel Richtung Paris muss sein, diese Lücke zu schließen“, sagte Bundestrainerin Sabine Tschäge, „wir brauchen einen langen Atem, müssen draufgehen und unerschrocken sein.“
Dazu gehört für die 53-Jährige auch, sich bei der Auswahl ihres Schlagmanns noch nicht endgültig festlegen zu wollen: „Hannes bringt viel Erfahrung mit und hat einen positiven Effekt auf das Boot“, sagt sie, „aber wir haben noch weitere Möglichkeiten.“
Ebenfalls wieder zurück ist der 27 Jahre alte Krefelder Laurits Follert. Ein Bandscheibenvorfall hatte ihn zu einer einjährigen Pause gezwungen. Er soll dem Boot noch einmal mehr Wucht verleihen. Komplettiert wird das Boot mit Wolf-Niclas Schröder (Berlin), Torben Johannesen (Hamburg), Max John (Rostock), Mattes Schönherr (Potsdam), Olaf Roggensack (Berlin) und Benedict Eggeling (Hamburg) sowie Jonas Wiesen (Treis-Karden) als Steuermann, die ihre Plätze behielten.
Der Deutschlandachter. Schon allein Teil dieser Crew aus acht Ruderriesen und einem schmalen Steuermann zu sein, ist eine Ehre. Die Tradition lastet auf den Schultern genau wie der ewige Erfolgsdruck. Dieser ist in diesem Jahr ungemein größer als sonst. Denn seit Olympia-Silber in Tokio setzte es medaillenlose Meisterschaften. Hinzu kam ein Konflikt mit dem damaligen Bundestrainer Uwe Bender, der in dessen Versetzung in den Innendienst gipfelte. Sabine Tschäge, die zuvor als Cheftrainerin der männlichen Riemer – ein Ruder statt zwei – engagiert worden war, übernahm.
Die gebürtige Duisburgerin, die in Mülheim an der Ruhr lebt, ist die erste Frau, die die Verantwortung für das deutsche Prestigeboot trägt. „Sie ist sehr direkt, handlungsstark und vor allem eine richtig gute Trainerin“, sagt Torben Johannesen vom RC Favorite Hammonia, der seit 2017 zur Stammbesetzung zählt.
Erfahrung bringt die ehemalige Athletin reichlich mit: Seit ihrem 20. Lebensjahr arbeitet sie als Trainerin. 2021 führte sie als Bundestrainerin für den Leichtgewichts-Doppelzweier den Mülheimer Jonathan Rommelmann und dessen Partner Jason Osborne zu Olympia-Silber. Im Moment seines größten Triumphes freute Rommelmann vor allem, dass er ihn mit seiner langjährigen Trainerin teilen konnte, so groß ist die Wertschätzung. Als sie später im Jahr als DOSB-Trainerin des Jahres ausgezeichnet wurde, hielt er die Laudatio.
Nun soll sie also den Deutschlandachter zurück zu olympischen Weihen führen. Man wolle „um die Medaillen mitfahren“, sagt die nur 1,63 Meter große Frau, nach den schwierigen Jahren müssen man bis Paris aber „die Lücke nach vorne“ schließen. Gradmesser sollen neben dem Weltcup-Auftakt in Italien auch die EM in Szeged (25. bis 28. April) sowie den Weltcups in Luzern (24. bis 26. Mai) und Posen (14. bis 16. Juni) sein.