Weissenhaus. In Weissenhaus ziehen acht der besten Schachprofis im neuen Format um 200.000 Dollar. Favorit ist der Weltranglistenerste Magnus Carlsen.
Superlative gehören zum Geschäftsmodell des Hamburger Unternehmers Jan Henric Buettner. Wenn er aber jetzt das erste von ihm organisierte Schachturnier gleich als G.O.A.T. Challenge plakatiert, dürfte der Titel nicht einmal übertrieben sein. The Greatest of all Times, der größte Schachspieler aller Zeiten, stellt sich in Buettners 75 Hektar großen Resort Schloss Weissenhaus an der Ostsee seinen Herausforderern.
Schach in Weissenhaus mit Ex-Weltmeister Magnus Carlsen
Mit anderen Worten: Der Norweger Magnus Carlsen (33), seit Juli 2011 ununterbrochen Weltranglistenerster und von 2013 bis zu seinem freiwilligen Rücktritt 2023 auch Weltmeister, kämpft im luxuriösen Ambiente gegen die aktuell nächstbesten der Welt um 200.000 US-Dollar Preisgeld, 60.000 Dollar erhält der Sieger.
Das Schach, das in Weissenhaus in den nächsten sieben Tagen auf die Bretter kommt, hat indes mit der traditionellen Variante nur die Gangart der Figuren und Bauern gemein. Die Aufstellung des Königs, der Dame, der Springer, Läufer und Türme auf der Grundreihe ist beliebig, bei Weiß und Schwarz jedoch identisch. 960 Möglichkeiten existieren hierfür, allein Position 518 wird in Weissenhaus bei der Auslosung ausgeschlossen. Es ist die klassische Grundordnung.
Neues Format: Die Grundstellung der Figuren wird ausgelost
Die Spielart hat viele Namen, Schach 960 ist einer, Buettner nennt sie Freestyle. Neu ist sie nicht, die ersten Aufzeichnungen stammen aus dem Jahr 1792, aber sie ist in Mode gekommen. 2019 veranstaltete der Weltverband Fide seine erste Weltmeisterschaft, sie gewann der US-Amerikaner Wesley So (30). 2022 wurde sein Landmann Hikaru Nakamura (36) sein Nachfolger.
„Schach 960 ist nicht besser als das herkömmliche Schach, aber anders“, sagte Carlsen vor Turnierbeginn. „Die computergestützte Vorbereitung auf die Partien verliert ihre entscheidende Bedeutung, vom ersten Zug an wird ein hohes Maß an Kreativität gefordert. Das macht Schach 960 für mich interessant.“
Carlsen trat im vergangenen Jahr als Weltmeister zurück
Der Norweger hatte im vergangenen Jahr seinen Weltmeistertitel nicht mehr verteidigt, weil er es nach zehn Jahren leid war, sich ein halbes Jahr lang auf das Match gegen seinen Herausforderer vorzubereiten. „Um heute nach der Eröffnung eine komplexe Stellung zu erhalten, die dir wenigstens Chancen auf einen offenen Kampf bietet, musst du mit deinen Sekundanten inzwischen sehr lange analysieren“, hatte Carlsen seinen Rückzug begründet. Ihn reize das Spiel nach wie vor, nicht aber die erschöpfende wissenschaftliche Auseinandersetzung mit ihm.
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Carlsen bevorzugt seitdem Turniere mit kürzerer Bedenkzeit, online und in Präsenz. Ende Dezember verteidigte er in Usbekistan seine Titel im Schnell- und Blitzschach. Weltmeister im klassischen Schach ist derzeit der Chinese Ding Liren (31). Auch er spielt in Weissenhaus, dazu der Weltranglistenzweite Fabiano Caruana (31/USA), der Franzose Alireza Firouzja (20/Nr. 6), der Usbeke Nodirbek Abdussattorov (19/Nr. 15), der Inder Dommaraju Gukesh (17/Nr. 16), der Mainzer Vincent Keymer (19/Nr. 17) und der armenische Altmeister Levon Aronjan (41/Nr. 24). Die Spielbedingungen sind komfortabel wie bei Weltmeisterschaftskämpfen. Jeder der acht Großmeister kann seinen eigenen Ruheraum nutzen.
Turnier in Weissenhaus kostet rund zwei Millionen Euro
Hobbyschachspieler Buettner hatte Carlsen vergangenes Jahr in Katar kennengelernt und mit ihm das neue Turnierformat entwickelt. Ursprünglich kalkulierte der gebürtige Hamburger mit Ausgaben von einer Dreiviertelmillion Euro, zwei Millionen sind es letztlich geworden. „Mein Credo war und ist es, ein perfektes Produkt anzubieten. Dabei sind die Kosten zunächst zweitrangig“, sagt Buettner. „Wenn es dann reüssiert, verkauft es sich später auch.“
Weltweit rechnet er in den nächsten Tagen auf seiner Online-Plattform freestyle-chess.com mit 20 Millionen Interessierten, die das Turnier live oder on demand verfolgen. Der ungarische Großmeister Peter Leko (44) und die Inderin Tania Sachdev (37) kommentieren die Züge vornehmlich in Englisch. Bei entsprechender Resonanz kann sich Buettner vorstellen, eine Serie mit drei Veranstaltungen im Jahr zu starten. Neben Weissenhaus wären Städte in den USA und Indien mögliche Austragungsorte. Dafür hofft er weitere Sponsoren zu finden.
Turnier in Weissenhaus: Das Preisgeld liegt in gläsernen Koffern
Buettner interessieren weniger die Schach- als vielmehr die Nicht-Schachspieler. Sie will er erreichen und begeistern. „Im Mittelpunkt soll nicht das Spiel, sondern die Spieler stehen“, sagt er. Die Formel 1 ist sein Vorbild, das Drumherum der Star. Jeder der acht Supergroßmeister erhielt einen maßgeschneiderten Anzug in der von ihm gewählten Farbe, ist damit auf dem Bildschirm identifizierbar.
Das Preisgeld wird in acht gläsernen Koffern auf der Bühne präsentiert. Buettner hatte sich dafür bei der Bank die 200.000 US-Dollar in 20-Dollar-Scheinen auszahlen lassen. Schach als Show – Buettner glaubt daran, dass es funktioniert. In Weissenhaus will er es beweisen.