Essen. Bayer Leverkusen empfängt den FC Bayern zum Topspiel. Lothar Matthäus spricht über Xabi Alonso und die Hierarchie in der Bundesliga.

Showdown in der Fußball-Bundesliga: Am kommenden Samstag (18:30 Uhr, Sky) treffen die in dieser Saison besten deutschen Vereine aufeinander. Der ungeschlagene Spitzenreiter Bayer Leverkusen empfängt den Serienmeister Bayern München. Leverkusen hat aktuell zwei Punkte Vorsprung auf den FC Bayern. Die Münchner können mit einem Sieg die Tabellenführung übernehmen.

+++ Kommentar: Bayer Leverkusen: Größte Herausforderung nicht der FC Bayern +++

Lothar Matthäus (62) wird das Gipfeltreffen in der BayArena wieder als Sky-Experte verfolgen. Dort wird der deutsche Rekordnationalspieler Bayern-Trainer Thomas Tuchel zum TV-Interview treffen. Beim Topspiel im November in Dortmund gerieten beide aneinander. Tuchel hatte ein Problem mit der Kritik von Matthäus und dessen Sky-Kollegen Dietmar Hamann und brach das Interview ab. „Er wird nicht kritisiert, weil man ihn kritisieren will. Bayern München hat eben andere Ansprüche“, sagt Matthäus im Gespräch mit dieser Redaktion zum Thema Tuchel. Im Interview blickt der Weltmeister von 1990 auf das Duell Bayer Leverkusen gegen Bayern München, übt Kritik an der Spielweise der Bayern und spricht über die Zukunft von Bayer-Trainer Xabi Alonso und Überflieger Florian Wirtz. Davon sei laut Matthäus abhängig, ob Bayer Leverkusen Bayern-Herausforderer Nummer eins bleibt.

Bochum und Schalke - Angriff in der Kritik und Kritik als Angriff
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    Bayer Leverkusen gegen Bayern München: Die beiden mit Abstand besten Teams treffen sich am Samstagabend zum Ligagipfel. Welche Erwartungen haben Sie an dieses Spiel, Herr Matthäus?

    Lothar Matthäus: Auf jeden Fall freue ich mich drauf. Ich glaube, dass diese Partie die Erwartungen aller Zuschauer erfüllen wird. Beide Mannschaften performen auf unterschiedliche Art und Weise über einen längeren Zeitraum und stehen zurecht da oben. Auch mit diesem großen Abstand zur Konkurrenz.

    Das Hinspiel wurde mit sehr offenem Visier geführt. Es gab vier Tore, beide Teams kamen zu vielen Torchancen. Erwarten Sie einen ähnlichen Spielverlauf?

    Bei diesem Duell erwartet man viele Tore. Beide Teams wissen, dass der Gegner in der Offensive eine hohe Qualität hat. Ich glaube, dass Bayern München versuchen wird, die Leverkusener hoch zu pressen. Sie wie es die Stuttgarter gemacht haben oder auch Leipzig. Gegen Leipzig und Stuttgart hatten sie in der ersten halben Stunde mit dem Pressing Probleme. Aber Xabi Alonso wird darauf vorbereitet sein. Leverkusen ist eine Mannschaft, die Fußball spielt, die viele Ballkontakte hat. Das erinnert mich schon etwas an den FC Barcelona – Spiele mit 6oo bis 800 Ballkontakten. Das ist ihr Spiel, aber dadurch könnten sie Probleme bekommen, wenn man sie presst und zu Fehlern zwingt. Das könnte Bayern München ausnutzen.

    Sky-Experte Lothar Matthäus ist mit der Saison des FC Bayern noch nicht zufrieden. Samstag geht es zum Topspiel nach Leverkusen.
    Sky-Experte Lothar Matthäus ist mit der Saison des FC Bayern noch nicht zufrieden. Samstag geht es zum Topspiel nach Leverkusen. © DPA Images | Bernd Thissen

    Über 90 Minuten ist das aber noch keinem Team in dieser Saison gelungen. Bayern Leverkusen ist seit 30 Spielen ungeschlagen. Warum ist die Mannschaft nicht zu bezwingen?

    Leverkusen ist hervorragend eingestellt, hat Charakter und auch Erfahrung. Man merkt, dass die Mannschaft dem Trainer und dessen Spielsystem vertraut. Es funktioniert und sie schaffen es auch, Spiele in den letzten Minuten für sich zu entscheiden. Deswegen ist der Glaube an sich selbst so gewachsen: durch die Erfolge und durch Xabi Alonso. Zudem sind die Ruhe und die Geschlossenheit im Verein wichtig. Man geht gemeinsam einen Weg, dem man vertraut. Das hat Alonso auf die Mannschaft übertragen. Sie hatten das Glück, eine leichte Gruppe in der Europa League erwischt zu haben. So haben auch die Spieler der zweiten Reihe Spielpraxis sammeln können. Das zahlt sich aus.

    Bisher hat Leverkusen stets betont, dass man keinen Druck habe. Die Spiele werden aber weniger und nun gibt es ein großes Topspiel. Wird es nun doch eine Kopfsache gegen die erfahrenen Bayern?

    Ich denke, dass Bayer Leverkusen genug Selbstvertrauen gesammelt hat. Sie machen einen sehr überzeugten Eindruck. Sonst hätten sie zuletzt nicht drei Spiele in der Schlussphase gewonnen. Sie sind überzeugt von dem, was sie machen.

    Bayern-Trainer Thomas Tuchel unterhält sich mit Leverkusens Coach Xabi Alonso (r.).
    Bayern-Trainer Thomas Tuchel unterhält sich mit Leverkusens Coach Xabi Alonso (r.). © Marcel Engelbrecht/firo Sportphoto | Marcel Engelbrecht

    Mit Ausnahme des Bremen-Spiels stimmten die Ergebnisse auch bei den Bayern. Richtig rund lief es zuletzt aber nicht. Woran liegt das? Spielen die zahlreichen Ausfälle eine Rolle, die Thomas Tuchel stets erwähnt?

    Sechs oder sieben Ausfälle hatte Bayer Leverkusen zuletzt auch. Das wäre mir zu einfach. Bayern München hat den Kader nun auch aufgefüllt. Man konnte jungen Spielern wie Alexandar Pavlovic eine Chance geben. Das wäre bei einem vollen Kader wohl nicht möglich gewesen. Er kann mithalten und sogar den Unterschied ausmachen. Viele Mannschaften haben mit Verletzungen oder Abstellungen zu kämpfen, auch kleinere Klubs wie der VfL Bochum. Bei Bayern München wird das Thema immer groß aufgemacht. Nicht nur von den Bayern, auch von uns Medien. Aber das ist ein anderes Thema. Bayer Leverkusen hat nicht so viel Luft nach oben wie der FC Bayern. Man erwartet sie so wie beim 4:0 in Dortmund oder beim 3:0 gegen Stuttgart. Die Dominanz sehe ich zu selten. Bei Bayer Leverkusen sieht man sie jede Woche, selbst beim 0:0 gegen Gladbach. Die Attraktivität fehlt den Bayern. Das bewerten auch viele Fans so. Mit meiner Meinung stehe ich nicht allein.

    Wie wichtig ist dieses Spiel für Thomas Tuchel? Die Kritik am Bayern-Trainer reißt nicht ab.

    Ein Sieg in Leverkusen würde seine Position festigen. Er wird nicht kritisiert, weil man ihn kritisieren will. Bayern München hat eben andere Ansprüche. Es geht nicht nur darum, Meister zu werden, sondern auch darum, zu performen und die Leute zu unterhalten. Bayern München hat das unter Thomas Tuchel im einen oder anderen Spiel gezeigt. Ich betone wieder Dortmund: Dort hat man den FC Bayern gesehen, wie ich ihn gerne häufiger sehen würde. Das ist leider zu selten vorgekommen. Thomas Tuchel wird es vielleicht auf die verletzten Spieler schieben oder Spieler, die er nicht bekommen hat. Das ist alles Ansichtssache und muss auch respektiert werden. Andererseits muss auch akzeptiert werden, dass wir von Bayern München neben Ergebnissen auch Unterhaltung erwarten.

    Ich habe zudem aus dem Umfeld von Alonso gehört, dass es sein größter Traum ist, Real Madrid zu trainieren.
    Lothar Matthäus über den Trainer von Bayer Leverkusen.

    Über Xabi Alonso wird auch viel gesprochen, dabei geht es aber vor allem um seine sportliche Zukunft. Nach dem angekündigten Klopp-Rücktritt wurde er sofort als Nachfolger in Liverpool gehandelt. Ist er für Leverkusen noch zu halten?

    Er würde sich keinen Gefallen tun, wenn er jetzt zu Liverpool gehen würde. Das würde ich mir an seiner Stelle trotz seiner Liverpool-Vergangenheit unmittelbar nach der Erfolgsgeschichte Jürgen Klopp nicht antun. Ganz sicher sollte er irgendwann einen größeren Verein als Bayer Leverkusen trainieren. Aber in Leverkusen hat er sich etwas aufgebaut. Er ist noch ein junger Trainer und in Leverkusen meiner Meinung nach noch nicht fertig. Er würde im nächsten Jahr mit Bayer Leverkusen in der Champions League spielen. Das könnte für ihn der nächste Schritt sein. Ich habe zudem aus dem Umfeld von Alonso gehört, dass es sein größter Traum ist, Real Madrid zu trainieren. Wenn er jetzt woanders hingehen sollte, dürfte das schwierig sein, da Carlo Ancelotti noch ein Jahr bleibt. Ich glaube daher, dass er noch in Leverkusen bleibt und dann irgendwann zu Real Madrid gehen wird.

    Lothar Matthäus: Florian Wirtz sollte noch bei Bayer Leverkusen bleiben

    Wechselgerüchte gibt es auch um die Bayer-Spieler. Allen voran um Florian Wirtz. Was würden Sie ihm mit Blick auf die nächste Saison raten?

    Qualitativ ist er schon bereit für einen großen Klub. Aber auch ihm würden noch ein oder zwei Jahre in Leverkusen guttun. Vielleicht bis zur WM 2026. Er ist erst 20 Jahre alt. Für Timo Werner und Kai Havertz lief es nicht so gut bei Chelsea. Das hat er wahrscheinlich auch gesehen. Florian Wirtz hat noch keinen Titel gewonnen. Wenn ihm das gelingen sollte, hat er ein anderes Standing im Ausland. Er wird es auf lange Sicht schaffen, weil er die Qualität einfach hat. Aber trotzdem würde ich ihm raten, auf den nächsten Schritt noch zu warten.

    Florian Wirtz (l.), der junge Star von Bayer Leverkusen, ist wie hier gegen Stuttgart häufig nur mit Fouls zu stoppen.
    Florian Wirtz (l.), der junge Star von Bayer Leverkusen, ist wie hier gegen Stuttgart häufig nur mit Fouls zu stoppen. © Getty Images | Lars Baron

    Diese Entscheidungen dürften sich darauf auswirken, ob wir Meisterduelle zwischen Leverkusen und den Bayern auch in den nächsten Jahren sehen werden. Trauen Sie Bayer zu, sich oben zu etablieren oder sehen Sie eher den BVB wieder als Bayern-Jäger Nummer eins?

    Wenn Bayer Leverkusen nicht auseinanderbricht und sich verstärken kann, werden sie oben bleiben. Einzelne wichtige Spieler könnte Leverkusen ersetzen, vielleicht nicht Florian Wirtz, aber andere schon. Es könnte aber sein, dass sich Bayern München bei Bayer Leverkusen bedienen wird, da sie einen harten Konkurrenten sehen und diesen schwächen wollen. Das kennt man aus der Vergangenheit.

    Bayer Leverkusen fehlt laut Lothar Matthäus „die Strahlkraft“

    Bei Sky gab es in dieser Woche eine Fan-Umfrage. Man wollte wissen, mit welcher Startelf die Nationalmannschaft bei der EM antreten soll. Das Ergebnis: Sechs Bayern-Spieler waren dabei und keiner von Bayer Leverkusen. Wie erklären Sie sich das?

    Die Strahlkraft ist nicht so groß, wenn man bei Bayer Leverkusen spielt. Das habe ich während meiner Zeit bei Gladbach auch mitgemacht. Ich persönlich sehe schon mehrere Leverkusener Spieler in der deutschen Nationalmannschaft.