Mailand. Dortmund steht nach dem 3:1 in Mailand vorzeitig in der nächsten Runde. Abwehrchef Mats Hummels ragt im San Siro heraus.
Große Abende bedürfen großer Vergleiche. Und Edin Terzic kam am späten Dienstagabend einer in den Sinn.
Borussia Dortmunds Trainer erinnerte sich zurück an den April 1997, als Jürgen Kohler zum „Fußball-Gott“ aufstieg. Eric Cantona schoss, Kohler rettete auf der Torlinie. Eine Szene, die exemplarisch für die hohe Verteidigungskunst steht, die der Abwehrchef des BVB in jenem Halbfinal-Rückspiel in der Champions League bot. Ohne Kohlers Grätsche im Old Trafford gegen Manchester United, kein Lupfer von Lars Ricken im Finale gegen Juventus Turin.
„Ich glaube nicht, dass die Leistung von Jürgen Kohler damals deutlich besser war als die von Mats Hummels heute“, fand Terzic. Die Zahlen sprechen dafür: bei 13 gewonnen von 14 geführten Zweikämpfen, einer Passquote von 94 Prozent, neun Ballklärungen und, noch viel wichtiger für den BVB: dem vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale der Königsklasse nach diesem 3:1 (1:1)-Erfolg im Mailänder Fußball-Tempel San Siro. „Mats hat heute ein unglaublich tolles Spiel gemacht“, lobte Terzic. „Er hat beinahe jeden Zweikampf gewonnen, uns ganz viel Sicherheit gegeben gegen den Ball und mit dem Ball.“ Jürgen Kohler brachte einst das Theater der Träume zum Schweigen, Mats Hummelsließ die beeindruckende Curva Sud im Opernhaus des Fußballs verstummen – auch wenn Kohler in einem Halbfinale sicherlich noch mal auf einer anderen Ebene wirkte.
BVB hat auch das nötige Spielglück
Hummels, 34, aber war am Dienstag Eckpfeiler einer stabilen Dortmunder Defensive. Zudem Koordinator einer aufs Umschaltspiel ausgelegten Offensive, die gerade nach der Pause immer wieder gefährliche Nadelstiche setzen konnte. Der wieder starke Jamie Bynoe-Gittens (59.), der erneut in der Startelf ran durfte, und der eingewechselte Karim Adeyemi (69.) vollendeten zwei dieser Konter. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Milan aufs zweite Tor gedrückt, was der siebenmalige Champions-League-Sieger angesichts der Tabellenkonstellation dringend benötigt hätte. Dortmund aber erwies sich mal wieder als Angstgegner der Rossoneri. Drei Spiele in diesem Jahrtausend hat Milan im Europapokal gegen deutsche Klubs verloren – alle gegen den BVB, zuletzt vor 20 Jahren.
In der ersten Halbzeit war Dortmund zunächst durch Marco Reus in Führung gegangen (10./Foulelfmeter), Samuel Chukwueze (37.) glich anschließend aus. Zuvor hatte bereits Gregor Kobel den Handelfmeter von Olivier Giroud pariert (6.) – das Spielglück hatte der Bundesligist diesmal auf seiner Seite.
„Das war heute ein richtiges Statement“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl, der „eine sehr, sehr reife Leistung“ seiner Mannschaft gesehen hatte. „Wir waren sehr gefestigt, standen sehr gut und waren taktisch richtig gut eingestellt.“ Die Belohnung dafür ist ein Endspiel gegen Paris Saint-Germain am 13. Dezember im Dortmunder Stadion um den ersten Platz in der vermeintlichen Todesgruppe F. Ein Remis reicht bereits, um die Vorrunde auf Rang eins zu beenden und den übrigen Gruppensiegern aus dem Weg zu gehen. Der Einzug in die Runde der letzten 16 bringt dem BVB zudem weiteren finanziellen Spielraum. 9,6 Millionen Euro kassiert der Vizemeister, darf zudem mit den Einnahmen eines weiteren Heimspiels und weiteren Prämien planen – insgesamt dürften bis zu 15 Millionen Euro zusammenkommen.
BVB trifft nun auf Bayer Leverkusen
Bis dahin allerdings stehen andere Herausforderungen an, auf die Mats Hummels verwies. Ganz am Ende der langgezogenen Interview-Zone blieb der 34-Jährige doch noch stehen, um seine Sicht der Dinge zu schildern. Bayer Leverkusen, der nächste Gegner am kommenden Sonntag (17.30 Uhr/DAZN), sei „eine Mannschaft, die man aktuell noch mal über Milan ansehen muss. Da müssen wir wieder unseren Mann stehen und dann schauen, ob wir was mitnehmen können.“ Drei Tage später folgt das Pokal-Achtelfinale beim VfB Stuttgart (20.45 Uhr/ZDF und Sky).
Der Erfolg in Norditalien jedenfalls machte Hummels „sehr stolz“. Als „Zeichen, dass wir erwachsener geworden sind“, wertete Hummels das 3:1, denn man sei in schwierigen Auswärtsspielen doch häufiger weggebrochen, wenn es hart wurde. „Das kann man uns in dieser Saison gar nicht vorwerfen.“
Was auch an Hummels‘ x-ten Frühling liegt. Erst im Frühjahr hatte er seinen auslaufenden Vertrag noch mal um ein Jahr verlängert, eine Entscheidung über seine Zukunft über den Sommer 2024 hinaus möchte er wieder recht spät treffen, sich erstmal alle Optionen offenhalten. Jürgen Kohler beendete seine Karriere im Alter von 36 Jahren – ein bisschen Zeit bliebe also noch, um weiter auf den Spuren des „Fußball-Gottes“ zu wandeln.