Frankfurt/Main. Der in Hamburg aufgewachsene Nationalspieler über Hakan Calhanoglu, seine Zeit beim HSV, Heimatgefühle und Ambitionen mit dem DFB.
Als Abwehrchef von Bundesliga-Tabellenführer Bayer Leverkusen ist Jonathan Tah mit viel Selbstvertrauen zur DFB-Elf gereist. Am Samstagabend (20.45 Uhr/RTL) könnte der 27-Jährige im Berliner Olympiastadion gegen die Türkei sein 20. Länderspiel für Deutschland bestreiten – obwohl er dort schon vor sieben Jahren debütierte. Nun möchte sich der ehemalige Hamburger endlich festspielen.
Herr Tah, wie schade ist es, dass es vor dem Spiel gegen die Türkei kein gemeinsames DJ-Set mit Hakan Calhanoglu geben kann?
Das hätten wir gerne gemacht, leider kann er ja nicht spielen. Beim HSV und in Leverkusen haben wir oft zusammen Musik aufgelegt. Er war aber der bessere Kabinen-DJ, weil er einen coolen Musikgeschmack hat und alle Mitspieler abholen konnte.
Auch mit türkischer Musik?
Nein, die hat er mir nur privat vorgespielt. Der allgemeine Geschmack in der Kabine ist eher ein anderer.
Mögen Sie türkische Musik?
Ja. Ich bin in Hamburg-Altona groß geworden und mit vielen türkischstämmigen Deutschen und Türken zusammen aufgewachsen, daher kenne ich die türkische Kultur und die Musik sehr gut. Natürlich auch durch Hakan.
DFB-Elf: Jonathan Tah über die Liebe zur Musik
Was hören Sie selbst vor dem Spiel?
Musik ist immer in meinen Alltag integriert und hat einen großen Einfluss auf mich. Ob beim Duschen oder zum Entspannen oder eben vor den Spielen. Da muss mich die Musik emotional richtig catchen. Am besten geht das mit Rap.
2016 haben Sie in Berlin beim 2:3 gegen England Ihr erstes Länderspiel für Deutschland gemacht. Gab es Musik gegen die Nervosität?
Ich hatte zu dem Zeitpunkt gar nicht damit gerechnet, dass ich spiele. In der Halbzeit hieß es plötzlich: „Mats ist verletzt, Jonathan, mach dich warm.“ Da dachte ich nur, ach du scheiße, krass. Dann war es aber einfach nur ein cooles Gefühl, gegen England im Olympiastadion zu spielen.
Nun geht es wieder nach Berlin und Sie haben gute Chancen zu spielen. Welche Bedeutung hat die Stadt für Sie?
Mit Berlin verbindet mich eigentlich nicht viel, aber ich habe dort schon 2013 mit dem HSV mein erstes Bundesligaspiel gemacht und 2020 mit Bayer Leverkusen mein erstes DFB-Pokalfinale gespielt. Diese Saison wollen auch wieder dahin. Von daher habe ich zum Olympiastadion schon eine besondere Verbindung.
DFB-Elf: Jonathan Tah über Ziele mit der DFB-Elf
Apropos: Dort wird auch das EM-Finale 2024 ausgetragen…
Stimmt, das wird spannend. Eine EM im eigenen Land zu erleben, ist für die Menschen, aber auch für uns als Mannschaft, etwas ganz Spezielles. Natürlich will ich endlich wieder bei einem großen Turnier dabei sein, nachdem ich seit der EM 2016 alle großen Turniere knapp verpasst habe.
Welchen Ort verbinden Sie mit Heimat?
Meine Heimat wird immer Hamburg bleiben. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Nordrhein-Westfalen ist aber mein Lebensmittelpunkt geworden, hier habe ich auch meine Frau kennengelernt. Heimatgefühle habe ich vor allem, wenn ich nach Hamburg fahre.
Ist die Elfenbeinküste, das Land Ihres Vaters, auch eine Heimat für Sie?
Auf jeden Fall. Ich war dort erst vier Mal in meinem Leben. Trotzdem spüre ich meine Wurzeln und die Verbundenheit zu dem Land. Natürlich auch zur Musik. Mein Vater hat mir früh versucht zu zeigen, dass die Elfenbeinküste auch ein Teil von mir ist. Es gab auch mal die Option, für das Land meines Vaters zu spielen. Ich habe darüber nachgedacht. Aber mein Ziel war immer, für Deutschland zu spielen.
Dieser Zwiespalt betrifft viele Menschen mit türkischen Wurzeln. Sie haben mit vielen zusammengespielt, kennen auch privat einige. Fühlen Sie mit?
Ich weiß, dass es wirklich eine schwere Entscheidung ist. Es wird von außen viel erwartet. Für Spieler wie Hakan Calhanoglu ist es noch etwas anders. Er ist zwar in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber beide Elternteile kommen aus der Türkei, dadurch trägt er die Kultur noch mehr in sich. Ich finde nicht, dass man sich ausschließlich mit dem Land identifizieren kann, für das man spielt. Am Ende können auch sportliche Gründe eine Rolle bei der Entscheidung spielen.
Ihr Zuhause ist nun schon seit mehr als acht Jahren Leverkusen. Hätten sie das gedacht, als Sie 2015 vom HSV gekommen sind?
Es hat sich am Ende immer so ergeben, obwohl es auch andere Optionen gab. Ich habe mich immer wieder aufs Neue für Leverkusen entschieden, weil es für mich sehr wichtig ist, mich weiterzuentwickeln und nicht zu stagnieren. Dafür muss das Umfeld passen. Und das tut es in Leverkusen.
Jonathan Tah über seine Ziele mit Bayer Leverkusen
Sie sind mit 321 Einsätzen schon auf Platz zehn von Leverkusens Rekordspielern. Wollen Sie Rüdiger Vollborn, 487 Spiele, noch von Platz 1 verdrängen?
Das war mir gar nicht bewusst. Aber Platz eins wird schwer, da muss ich noch lange fit bleiben (lacht).
Wie sehen Sie Ihre Rolle in der Nationalelf?
Ich spüre, dass ich jetzt mehr Chancen bekomme. Ich habe mich als Spieler und als Mensch weiterentwickelt und will Verantwortung übernehmen, vor allem auf meiner Position.
Hinten rechts oder in der Innenverteidigung?
Ich will auf dem Platz stehen und fühle mich rechts hinten nicht unwohl. Im Verein ist meine Position die Innenverteidigung. Wenn ich es mir aussuchen kann, ist mir die Position lieber.
DFB-Elf: Jonathan Tah über Xabi Alonso
Sie sind mit Leverkusen Tabellenführer, haben schon drei Tore erzielt. Spielen Sie aktuell Ihre beste Saison für Bayer?
Es ist auf jeden Fall der beste Start in eine Saison. Aber es ist noch zu früh, um das abschließend zu beurteilen. Das aktuelle Niveau will ich und wollen wir auf jeden Fall halten.
Welchen Anteil hat Xabi Alonso an Ihrer Form?
Es ist nicht nur eine Form, sondern eine Entwicklung. Wir haben schon in der Rückrunde gezeigt, auf welchem Level wir sind. Der Trainer hat einen großen Anteil daran, weil er uns emotional mitnimmt und auch taktisch an vielen Schrauben gedreht hat.
Was zeichnet Alonso als Trainer aus?
Ich finde es interessant, dass er in der Kabine zwischen Englisch, Deutsch und Spanisch wechselt, auf Pressekonferenzen aber nur Deutsch spricht. Mit seinen Sprachen kann er alle Spieler packen, er kommuniziert viel. Er ist sehr nahbar, spricht mit jedem, er war selbst noch bis vor ein paar Jahren Spieler. Deshalb hat man automatisch Respekt vor ihm. Er hat so viele Erfolge gesammelt. Und er will auch jetzt als Trainer immer gewinnen.
Wollen Sie Deutscher Meister werden?
Wenn ich irgendwo mitspiele, will ich natürlich auch gewinnen. Man will immer das Maximum erreichen.
Mit welcher Musik arbeitet Alonso?
Seinen Musikgeschmack kenne ich noch nicht, den muss ich noch herausfinden (lacht).
Gefällt Ihnen die Musikauswahl von Julian Nagelsmann? Beim Training waren in dieser Woche immer Dr. Dre, Red Hot Chili Peppers, Guns n‘ Roses oder Kontra K zu hören.
Ich weiß gar nicht, ob er die auswählt. Sie ist in jedem Fall verbesserungswürdig (lacht). Wobei mir Dr. Dre schon ganz gut gefallen hat.
Und wer legt nun nach dem Spiel gegen die Türkei in der Kabine auf?
Wahrscheinlich Serge Gnabry oder Antonio Rüdiger. Das sind im Moment unsere besten DJ‘s.