Hamburg. Der Fifa-Präsident überrascht mal wieder die Welt – und der große Gewinner ist der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.

Ach, wie ist sie doch schön, die weite Fußballwelt. Als Ehrerweisung an Uruguay, den Ausrichter der ersten Fußball-Weltmeisterschaft anno 1930, wird genau 100 Jahre später das Eröffnungsspiel in Montevideo ausgetragen. Und auch auf der anderen Seite des Rio de la Plata, im Land des aktuellen Weltmeisters Argentinien, wird gespielt. Und sogar das kleine Paraguay darf sich Gastgeber der WM 2030 nennen. Da hat sich der Fußball-Romantiker doch gefälligst zu freuen.

Gleichzeitig wird das Turnier in Spanien und Portugal ausgetragen, also in Kernländern der Fußball-Kultur, und dazu noch in Marokko, dem fußballverrückten Sensations-Halbfinalisten 2022 – in dem Land also, das sich schon ein halbes Dutzend Mal vergeblich um die Austragung der Weltmeisterschaft beworben hatte. Und nun endlich belohnt wird. Dank der genialen Ideen von Gianni Infantino. Also, Fußball-Fans der Welt: Schaut auf diesen Mann und verneigt Euch!

Gianni Infantino hat die Fußballwelt fest im Griff

Ach, es fällt schwer, dem Treiben des ausschließlich macht- und geldgetriebenen Herrn Infantino nicht mit beißender Ironie oder grenzenloser Wut zu begegnen. Und man weiß gar nicht recht, wo man anfangen soll, soviele Absurditäten und Unverschämtheiten stecken hinter dieser Entscheidung. Versuchen wir es dennoch.

Und beginnen mit dem Zeitpunkt der Verkündung. Denn eigentlich ist an dem Fifa-Kongress, über die Vergabe von WM-Turnieren zu entscheiden. Und er wird es im kommenden Jahr auch tun, auch wenn die Sache jetzt zur Formalie geworden ist. Eigentlich hätte es durchaus spannend werden können, gab es doch zwei starke Bewerbungen: Spanien, Portugal und Marokko auf der einen, Argentinien, Uruguay, Paraguay und Chile auf der anderen Seite.

Sven Kummereincke ist WM-Allesgucker und Fußball-Purist.
Sven Kummereincke ist WM-Allesgucker und Fußball-Purist. © Roland Magunia | Roland Magunia

Nun hat es Infantino geschafft, aus zwei Bewerbungen eine zu machen. Der eigentliche Gewinner des Ganzen ist aber ein ganz anderer: Saudi-Arabien. Der absolutistisch regierte Golf-Staat, der die Fußball-Welt seit einigen Jahren mit Milliarden und Abermilliarden überschwemmt, hat nämlich dank des Infantino-Coups die Fußball-WM 2034 so gut wie sicher.

Der große Profiteur ist Saudi-Arabien

Denn laut Fifa-Statuten darf sich kein Mitglied eines Kontinental-Verbandes um eine Ausrichtung bewerben, wenn das vorige Turnier innerhalb des Verbands ausgetragen wurde. Da die WM 2030 nun aber in Südamerika, Europa und Afrika stattfindet (und Nordamerika wegen der Weltmeisterschaft 2026 in Kanada, USA und Mexiko faktisch auch ausfällt), bleiben nur noch Asien und Ozeanien.

Kaum war der Drei-Kontinente-Deal am Mittwoch verkündet, hat Saudi-Arabien offiziell den Hut in den Ring geworfen. Von der früher geplanten gemeinsamen Bewerbung mit Ägypten und Griechenland war plötzlich keine Rede mehr. Zutaten wie Fußball-Kultur (Ägypten), Demokratie (Griechenland) und Interkontinentales (beide) sind nicht mehr nötig. Die Wahl ist quasi gesichert. Nur Stunden nach der Ankündigung hat Salman bin Ibrahim Al Chalifa, Asiens mächtiger Fußball-Boss aus der Herrscherfamilie Bahrains, schon seine Unterstützung zugesagt.

Die tapferen Australier werden leer ausgehen

Dass die tapferen Australier, die sich ebenfalls bewerben wollen, eine Chance haben, glaubt niemand. Bei ihrer letzten Kandidatur bekamen sie eine Stimme. Die von Sepp Blatter – der sie aus Mitleid gab, wie er später erklärte.

Es sieht also alles nach einem Deal aus, den die Saudis eingefädelt haben. Ungeklärt (und völlig unverständlich) ist allerdings, warum sich die Südamerikaner darauf eingelassen haben. Denn Chile geht ganz leer aus, Uruguay, Paraguay und Argentinien bekommen jeweils nur ein WM-Spiel. Sie als „WM-Ausrichter“ zu bezeichnen, wäre ein schlechter Witz. Über den die hochemotionalen Fans ganz sicher nicht lachen können. Wenn von 104 Spielen drei in Südamerika stattfinden, darf man schon fragen, warum die Funktionäre der Landesverbände das als großen Erfolg verkaufen. Da muss wohl jemand (oder ein reiches Land mit vielen Ölquellen) sehr überzeugende Argumente gehabt haben...

Und der DFB macht mal wieder alles mit

Die ersten Reaktionen auf die Fifa-Entscheidung sind ohnehin verheerend. Das europäische Presse-Echo (von Spanien und Portugal mal abgesehen) ist durchweg negativ, Umweltschützer laufen Sturm, die Fan-Verbände sind entsetzt, und Trainer fragen sich, wie eine Mannschaft Leistung bringen soll, wenn sie jetlag-geplagt aus dem Flugzeug taumelt. Aber derlei hat Infantino ja noch nie interessiert. Und solange Verbände wie der DFB kuschen und abnicken, wird sich daran auch nichts ändern.