Hamburg. Mehr Einblicke, exklusivere Interviews: Die Bezahlsender Sky und DAZN möchten nicht nur Bundesligaspiele übertragen, sie wollen mehr Exklusivität
Live dabei sein, wenn Trainer Thomas Tuchel in der Halbzeitpause den Stars des FC Bayern München in der Kabine Anweisungen gibt. Direkt in die angespannten Gesichter der Profis im Mannschaftsbus schauen, während sie zum Stadion fahren. Stars interviewen, wenn sie nach dem Training auf der Massagebank liegen. Noch näher dran sein, noch mehr Emotionen - sieht so die TV-Berichterstattung der Fußball-Bundesliga in Zukunft aus?
Wenn es nach DAZN und Sky geht, heißt die Antwort: ja. Die Bezahlsender sind die größten Finanziers der 1. und 2. Bundesliga. Sie fordern mehr Exklusivität und mehr Zugang zu den Fußball-Protagonisten. Nur eine begrenzte Zahl an Interviews bei den Live-Übertragungen ist ihnen zu wenig.
Sky und DAZN wollen bei der jungen Zielgruppe punkten
„Wenn der Fußball sich entwickeln will, und wenn er vor allem bei jungen Zielgruppen punkten will, dann muss er sich mehr öffnen“, sagte Sky-Sportchef Charly Classen der Deutschen Presse-Agentur. Aus seiner Sicht ist das ein wichtiges Thema im gesamten europäischen Fußball. „Wir müssen es schaffen, den Sportfan näher an seine Idole zu bringen, müssen die gesamte Bandbreite der Emotionen abbilden“, sagte er weiter und verwies auf die Formel 1 als Vorbild.
„Dabei müssen wir breiter denken, als nur Bilder aus der Kabine zu fordern – es geht generell um die Personalisierung des Sports und darum, des Deutschen liebsten Sport nicht nur an den Spieltagen, sondern täglich zu begleiten“, sagte Classen. Dafür sei ein besserer Zugang insbesondere zu Clubs und Spielern hilfreich. „Formate wie "Meine Geschichte" auf Sky machen bereits genau das, aber da ist noch viel Luft nach oben.“
DAZN will mehr wagen -- für die Fans
Bei DAZN wird dies ähnlich gesehen. Die Geschäftsführerin Alice Mascia fordert von der Deutschen Fußball Liga (DFL) und den Klubs ebenfalls ein Um- und Weiterdenken. Sie glaube, „dass die Entwicklung des Fan-Engagements, insbesondere der jüngeren Generationen, die Branche, einschließlich der Ligen und der Vereine, dazu zwingt, mehr zu wagen im Hinblick auf innovative Ideen und Formate“, sagte sie der dpa.
Die erneut erhobene Forderung der Sender nach Exklusivität kommt wenige Monate vor Beginn des Vergabeverfahrens der Medienrechte für die nächsten Vierjahresverträge von der Saison 2025/26 an. Die Aussicht, dass der Erlös wieder exorbitant steigen wird, ist zum Leidwesen der DFL und seiner Vereine eher trüb. Denn DAZN und Sky kämpfen mit der Rentabilität und anderen Problemen. Rund 80 Prozent der 4,4 Milliarden Euro für den bis Ende der Spielzeit 2024/25 laufenden Vertrag kommen von ihnen.
Deutsche Fußball Liga (DFL) ist nicht abgeneigt
Bei der DFL finden die Worte ihrer beiden wichtigsten Medienpartner grundsätzlich Gehör. „Im Sinne der 36 Clubs befasst sich die DFL fortlaufend mit der Weiterentwicklung und Stärkung des Medienprodukts“, hieß es von der Liga-Organisation auf Anfrage. „Mit Blick auf die bevorstehende Ausschreibung der nationalen Medienrechte stehen wir sowohl mit unseren Medienpartnern als auch mit den Clubs im regelmäßigen, intensiven Austausch, um neue Ideen zu diskutieren.“
Viele Clubs sehen grundsätzlich die Notwendigkeit. „Das Sehverhalten und die Sehgewohnheiten der Zuschauer haben sich geändert, und andere Sportarten setzen neue Maßstäbe“, sagte etwa Stuttgarts Vorstandschef Alexander Wehrle. Der VfB habe deshalb ganz bewusst die Dokumentation „VfBinTeam“ auch Sky und DAZN angeboten.
Allerdings gebe es auch Grenzen. „Jedes Team, jeder Club hat seine Intimsphäre, die gewahrt bleiben muss. Wir würden nichts machen oder zulassen, womit sich unsere Protagonisten, also Trainerteam und Spieler, komplett unwohl fühlen“, betonte Wehrle.
Bringt der Blick in die Kabine mehr Zuschauer? Medienwissenschaftler geht nicht davon aus
Lohnt sich mehr Nähe? Dass kostenpflichtige Fußball-Angebote wie DAZN, Sky oder auch Amazon mehr Kunden durch Kameras in der Kabine oder ähnlichem gewinnen würden, bezweifelt der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Michael Schaffrath. „Für den Fußballfan geht es im Kern um die Brisanz der Partie beziehungsweise die Attraktivität der beiden Mannschaften“, sagte der Professor der TU München.
„Alles andere, wie zum Beispiel Kabinenbilder, sind für Stammkunden vielleicht von Interesse als ergänzendes Zusatzangebot“, fügte er an. „Aber neue Kunden wird man dadurch aus meiner Sicht nicht gewinnen können.“
Ein Drittel der Befragten fände es uninteressant
Schaffraths Einschätzung wird durch eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gestützt. Gerade einmal neun Prozent der Befragten gaben an, dass sie es sehr interessant fänden, wenn künftig bei TV-Übertragungen Einblicke in die Kabine gestattet werden würden. 17 Prozent fänden dies eher interessant. Insgesamt mehr als ein Drittel der Befragten fände mehr Nähe im Profifußball dagegen uninteressant (39 Prozent).
Bilder aus der Kabine oder von Spielern in privaten Momenten sind in Deutschland aber schon jetzt nichts Neues - es sind jedoch keine Livebilder. Mittlerweile sind zahlreiche Dokumentationen aus dem Innenleben von Vereinen und Mannschaften auf dem Markt, einige sind auch bei Sky und DAZN zu sehen.