Budapest. Bei der WM in Budapest geht das Warten auf eine Medaille weiter. Der Anschluss zur Elite fehlt oft - das sind die Gründe.

Hammerwurf-Finale der Frauen – keine deutsche Starterin. Finale über 100 Meter Hürden der Frauen – keine deutsche Starterin. 800-Meter-Halbfinale der Männer – kein deutscher Starter. Bis auf Sam Parsons im 5000-Meter-Vorlauf wird an diesem Donnerstag bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Budapest niemand im deutschen Trikot im Stadion Nemzeti Atlétikai Központ an den Start gehen. Leichtathletik-WM: Die schillernde Sha’Carri Richardson

Die glorreichen Zeiten, in denen es Erfolge in diesen Disziplinen gab, sind vorbei. Eine Medaille könnte heute höchstens auf der Straße liegen – Christopher Linke startet über 35 Kilometer im Gehen.

Hälfte der Wettkämpfe ist vorbei, noch keine Medaille

Nach etwas mehr als der Hälfte der Wettkämpfe in Ungarns Hauptstadt gibt es noch keine Medaille für Schwarz-Rot-Gold. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) tröstet sich mit einem nationalen Rekord, sechs persönlichen Bestleistungen, zehn Saisonbestleistungen und sieben Top-Acht-Ergebnissen – mehr als insgesamt bei der Grusel-WM 2022.

Einmal Gold und einmal Bronze hatten damals in Eugene/Oregon zum schlechtesten Ergebnis der DLV-Geschichte geführt. Auch wenn Chefbundestrainerin Annett Stein zur WM-Halbzeit in Budapest von einem „sehr guten Start“ spricht, hängt ein Damoklesschwert über der deutschen Leichtathletik: Es droht die erste WM ohne Goldmedaille seit 2003 in Paris.

Größten deutschen Medaillenhoffnungen kommen noch

Gewiss, die Wettkämpfe mit den größten deutschen Chancen kommen erst noch, doch auch das sind nur zwei: Zehnkampf mit Europameister Niklas Kaul und dem deutschen Rekordhalter Leo Neugebauer sowie Speerwurf mit Europameister Julian Weber. Sicher sind diese Medaillen keineswegs. „Statistisch kommt bei drei Chancen eine Medaille heraus“, erklärt Stein. Eine Topleistung ist also notwendig. Das Diskustrio um Kristin Pudenz und Hochspringer Tobias Potye zeigten solide Leistungen – zu wenig.

Kristin Pudenz hat beim Dikuswerfen die Medaillenränge verpasst.
Kristin Pudenz hat beim Dikuswerfen die Medaillenränge verpasst. © Sven Hoppe/dpa

Dafür braucht es den Ausrutscher nach oben. Gelungen ist es noch keinem. Einige scheiterten auch an persönlichen Zielen: Joshua Hartmann etwa, der im Juli deutschen Rekord über 200 Meter gelaufen war, wollte nun als erster Deutscher unter 20 Sekunden bleiben. Er schied im Vorlauf aus (20,51). Sprint-Europameisterin Gina Lückenkemper musste ihr Ziel vom ersten WM-Finale begraben. Obwohl sie sich in der besten Form ihrer Karriere wähnte, verpasste sie das Finale klar. Anschließend suchte sie nach Erklärungen. „Ein Champion zeigt sich, egal was passiert“, sagte die zehnmalige Weltmeisterin Shelly-Ann Fraser-Pryce, diesmal Dritte.

Dieser Satz beschreibt den Zustand der deutschen Athleten sehr gut: Es fehlt an Siegerqualitäten.

Sprinter Joshua Hartmann schied bei der WM in Budapest bereits im Vorlauf aus.
Sprinter Joshua Hartmann schied bei der WM in Budapest bereits im Vorlauf aus. © Sven Hoppe/dpa

Kein Robert Harting in jedem Jahrgang

Annett Stein kann das allgemeine Murren über die ausbleibenden Erfolge – gerade in den sonst starken Wurfdisziplinen – verstehen. „Aber so außergewöhnliche Athleten wie Robert Harting hat man nicht in jedem Jahrgang parat“, sagt sie. Man analysiere, wo Veränderungen nicht funktioniert hätten. „Wir legen nicht die Hände in den Schoß, sondern schauen, an welcher Stellschraube man drehen kann.“

Das deutsche Team erlebt seit der WM 2015 in Peking auf Weltebene einen stetigen Rückgang der Medaillenausbeute. „Wir konkurrieren mit 208 anderen Nation weltweit“, hatte DLV-Präsident Jürgen Kessing vor der WM gesagt und erklärt: „Das Wissen ist überall verfügbar, die Trainingsbedingungen sind woanders teils besser als bei uns.“