Sydney/Auckland. Zecira Musovic überragt bei der WM. Mit der schwedischen Nationalmannschaft will die Torhüterin nun gegen Spanien ins Finale einziehen.
Die Abläufe im Eden Park von Auckland werden sich jetzt erneut wiederholen. Bevor Zecira Musovic zu den Nationalhymnen den Rasen betritt, umklammert sie mit der linken Hand ihre Handschuhe, mit der rechten wird ein Einlaufkind geführt, dann den Kopf heben, rausgehen und lächeln. Es sind Momente, in denen die schwedische Nationaltorhüterin genießt, was ihr in Neuseeland bei der Fußball-WM gefällt: Sie hat für die aufregendste Zeit ihrer Karriere ihre beste Form.
Dass die unbeugsamen Skandinavierinnen im WM-Halbfinale gegen spielstarke Spanierinnen an diesem Dienstag (10 Uhr deutscher Zeit/ZDF) die Endspieltür aufstoßen können, um nach 20 Jahren wieder in ein Finale einzuziehen – damals zerstörte der Golden-Goal-Kopfball von Nia Künzer den schwedischen Traum vom WM-Titel – ist ihrer tüchtigen Torhüterin zu verdanken. Denn ohne die 27-Jährige wäre dieses Team längst heimgeflogen. Trotz aller kämpferischer Qualität, defensiver Disziplin und taktischer Raffinesse.
Bei Chelsea ist Musovic nur die Nummer zwei
55 Paraden listen die Fifa-Statistiker bei der bislang besten Nummer eins der WM auf, die im Achtelfinale fast im Alleingang den Rekordchampion USA eliminierte. „Ich kann mir keinen anderen Grund als die Torhüterin vorstellen, warum wir das Spiel nicht gewonnen haben“, meinte US-Trainer Vlatko Andonovski zerknirscht. Wenn der schwedische Beton mal brüchig wird, ist immerhin noch die 1,80 Meter große Spielverderberin zur Stelle, die mit starken Reflexen, sicheren Grundtechniken und gutem Stellungsspiel besticht. Erstaunlich nur, dass diese Qualitäten erst jetzt international auffallen.
Doch Hedvig Lindahl war mit ihrer Zuverlässigkeit, Ruhe und Ausstrahlung zur zeitlosen Institution geworden, an deren Wachablösung sich niemand wagte. Erst mit 39 Jahren und nach 189 Länderspielen räumte die Ikone nach der EM in England ihren ewigen Platz im Tor. Dass Musovic nicht sofort folgte, lag daran, dass sie seit ihrem Wechsel zum FC Chelsea kaum spielt. Stammtorhüterin dort ist die Deutsche Ann-Katrin Berger, die auch nach ihren Ausfallzeiten durch die Krebsbehandlung immer wieder zurückkam. Die Ersatztorhüterin der DFB-Frauen hat die WM weiterverfolgt („Man ist nicht so oft in Australien“), zumal ihre Lebensgefährtin Jessica Carter als englische Nationalspielerin noch mitspielt, deren Halbfinaleinzug sich Berger in Sydney ansah. Dort äußerte sich die 32-Jährige auch über die Leistungen von Musovic: „Gegen die USA ist Zecira richtig herausgestochen. Sie hat bewiesen, dass sie eine Mannschaft zum Sieg führen kann.“ Es wird eine spannende Frage, wie sich Chelseas Trainerin Emma Hayes für die neue Saison entscheidet. Kann sie die Schwedin wirklich auf der Bank lassen, die von der WM vielleicht mit dem „Goldenen Handschuh“, der Fifa-Auszeichnung für die beste Torhüterin, zurückkommt?
Schon jetzt schreibt Musovic ein berührendes Kapitel für „Tre Kronor“. „Ich bin in meiner eigenen Geschichte gelandet und habe verstehen müssen, dass es niemals einfach ist“, sagte sie vor der WM. Ihre Vita ist geprägt davon, Widerstände zu überwinden. Ihre serbischen Eltern flohen in den 90er-Jahren vor dem Jugoslawien-Krieg. Während zwei Schwestern und ein Bruder noch nahe der bosnischen Grenze geboren wurden, kam sie bereits in Schweden zur Welt.
Als Kind begeisterte sie sich früh für den Fußball, bekam aber immer wieder geraten, doch lieber etwas zu tun, was „für ein Mädchen angemessen ist“. Doch beirren ließ sie sich nicht mehr: Bereits mit 17 Jahren ging sie zum Topklub FC Rosengard. Irgendwann musste sie sich für ein Nationalteam entscheiden; und sie gab dem schwedischen Verband die Zusage, weil „die Schweden meine Familie mit offenen Armen empfangen haben“.
Deutsch in der Schule gelernt
Die intelligente Torfrau spricht übrigens auch sehr passabel Deutsch, weil sie es in der Schule lernte. ARD-Reporter Patrick Halatsch staunte nicht schlecht, als ihm die Torfrau nach dem Viertelfinale gegen Japan (2:1) einige Passagen in Deutsch beantwortete. Obwohl sich der Gegner im Halbfinale mit seiner Spielanlage eigentlich vordergründig ähnelt, sagte sie: „Spanien ist der nächste aufregende Kontrahent mit einem anderen Stil. Wir werden wieder das Beste tun, um auch dieses Spiel zu gewinnen.“
Zu verlieren hat speziell sie nicht mehr viel. Deshalb wird beim Einlaufen ja auch gelächelt.