Erstmals stehen drei Mannschaften aus Afrika in einem WM-Achtelfinale. Das spielt Fifa-Boss Gianni Infantino in die Karten.
Vielleicht hatte es Gianni Infantino ja geahnt. Oder mindestens gehofft. Jedenfalls war der Fifa-Präsident am Donnerstagabend bei seinem Besuch in Perth vom Gruppenspiel zwischen Marokko und Kolumbien (1:0) so sehr außer sich vor Freunde, dass er nach Schlusspfiff noch auf dem Rasen eine Videobotschaft anfertigen ließ. Während die Heldinnen aus Nordafrika vor Freude weinten, flötete der Schweizer: „Das sind alles Zutaten, die man für ein solches Turnier braucht. Dazu kommen noch Freude, Leidenschaft, Herz und großartige Spiele.“ Der 53-Jährige vergaß auch nicht, sich explizit bei Südkorea für deren Einsatz zu bedanken.
Das hatte er sich alles wohl genauso gewünscht: Die bei ihm nicht so beliebten Deutschen sind raus, die von ihm belobigten Marokkanerinnen weiter. Es kann – wie schon in Katar – für seine Interessen kaum besser laufen. Erstmals sind drei afrikanische Vertreter im Achtelfinale. Als erste Nation Afrikas blieb Nigeria in den Gruppenspielen ungeschlagen. Nun wartet auf das physisch starke Team in Brisbane in Europameister England (Montag 9.30 Uhr deutscher Zeit) aber ein dicker Brocken. Vor vier Jahren scheiterten die „Super Falcons“ im Achtelfinale an Deutschland (0:3).
Marokko feierte als erster afrikanischer Vertreter zwei Siege in Folge. Sie spielen in Adelaide jetzt – analog zu den Männern bei der WM 2022 im Halbfinale – gegen Frankreich (Dienstag 13 Uhr deutscher Zeit), was Marokkos Nationaltrainer Reynald Pedros, einen Franzosen, natürlich freut: „Ich kenne diese französische Mannschaft perfekt.“
Südafrika interessiert sich für die WM 2027 als Ausrichter
Die Krönung für Infantinos Expansionspläne im Frauenfußball ist aber vermutlich dies: Auch Südafrika ist noch im Turnier, trifft nun in Sydney auf die Niederlande (Sonntag 4 Uhr deutscher Zeit). Damit setzte jene Nation ein Zeichen, die hinter den Kulissen als nächster Ausrichter gehandelt wird. Für die WM 2027 haben sich bekanntlich auch Deutschland mit den Niederlanden und Belgien beworben, dazu gemeinsam USA und Mexiko sowie Brasilien.
In Südafrika gehen die Emotionen bereits öffentlichkeitswirksam hoch. Die ganze Nation fiebert mit, heißt es: „Für diese Menschen arbeiten und kämpfen meine Heldinnen“, sagte Nationaltrainerin Desiree Ellis vor der Partie in Sydney gegen den Vize-Weltmeister. Doch schon jetzt hat ihr Team als Weltranglisten-54. mit dem Überstehen der Vorrunde weit mehr als überrascht.
DFB-Generalsekretärin Heike Ullrich spürt längst, dass sich offenbar mehrere Konföderationen dafür erwärmen können, nach der Männer-WM 2010 die Frauen-WM 2027 ans Kap der Guten Hoffnung zu vergeben. Bislang standen noch Bedenken im Raum, dass „Banyana Banyana“, wie die Nationalmannschaft des Landes genannt wird, vielleicht nicht konkurrenzfähig sein könnte. Doch nun schreibt genau diese Auswahl -- bei der WM 2019 in Frankreich locker in der Vorrunde von Deutschland (4:0) besiegt – in Neuseeland Geschichte. Zuhause in der Heimat sollen die Menschen nun fürs K.o.-Duell gegen den Vizeweltmeister früh aufstehen. „Für diese Menschen arbeiten und kämpfen meine Heldinnen“, sagt Nationaltrainerin Desiree Ellis.
WM-Vergabe 2027 wird im Mai 2024 abgestimmt
Mit ihr steht Tebogo Motlanthe, der Boss des südafrikanischen Fußballverbands, ständig in Kontakt, denn der dramatische Sieg gegen Italien (3:2) war der beste Beleg, um eine WM in Johannesburg, Kapstadt und Durban zu werben. Gleichzeitig können Fifa-Funktionäre jetzt argumentieren, dass es Afrika wegen der tapferen Auftritte seiner Teams verdient habe, dieses Event auszurichten. Abgestimmt wird beim Fifa-Kongress am 17. Mai 2024 in Thailands Hauptstadt Bangkok. Es entscheiden die 211 Mitgliedsverbände, wobei Afrika und Asien allein 100 Stimmen vereinen.
Gerade das Paket aus Asien könnte ein Zünglein an der Waage sein. Aber auch dort wird anerkannt, was in Afrika passiert ist. So lobte der seit vier Jahren als südkoreanischer Nationaltrainer arbeitende Colin Bell die Entwicklung dieser Vertreter. „Der Spirit der afrikanischen Teams ist besonders. Dazu haben sie eine enorme Physis und Schnelligkeit, und gute technische Fähigkeiten mit Ball. Was sich da gerade entwickelt, macht es spannend“, sagte der 61-Jährige. Für ihn sind Entwicklungen wie in Afrika der Beleg, „dass der Frauenfußball weltweit eine riesige Zukunft hat“. Bell: „Für mich ist es der Sport mit dem größten Wachstumspotenzial. Das ist fantastisch zu sehen.“ Gianni Infantino würde es kaum anders formulieren.