London. Roger Federer und Wimbledon - das war immer eine ganze besondere Beziehung. Achtmal holte der Schweizer den Titel. Geliebt wird er auch nach seiner Karriere.
Als Roger Federer um kurz nach halb zwei Uhr Ortszeit die Royal Box auf dem legendären Centre Court von Wimbledon betrat, brandete minutenlanger Jubel auf. Unter dem wegen des typischen englischen Regens geschlossenen Dach wurde es fast so laut, als habe der 41 Jahre alte Schweizer gerade zum neunten Mal das wohl bedeutendste Tennis-Turnier der Welt gewonnen.
Dabei war Federer nur als Besucher da und verfolgte die Partie von Titelverteidigerin Jelena Rybakina aus Kasachstan gegen die Amerikanerin Shelby Rogers von der Tribüne aus.
Während Federer seinen großen Auftritt hatte, musste Olympiasieger Alexander Zverev vergeblich auf seinen ersten Einsatz in Wimbledon warten. Wegen Dauerregens wurde die Auftaktpartie der deutschen Nummer eins gegen den niederländischen Qualifikanten Gijs Brouwer auf Mittwoch verlegt. Auch die Begegnungen von Vorjahreshalbfinalistin Tatjana Maria gegen die Rumänin Sorana Cirstea, von Jule Niemeier gegen French-Open-Finalistin Karolina Muchova aus Tschechien und von Tamara Korpatsch gegen die Kanadierin Carol Shao konnten wegen des schlechten Wetters nicht stattfinden.
Djokovic könnte mit Federer gleichziehen
„Heute ehren wir einen der Größten unseres Sports“, begrüßte der Stadionsprecher Federer. Im cremefarbenen Anzug nahm die langjährige Nummer eins der Welt zwischen Herzogin Kate und seiner Ehefrau Mirka in der ersten Reihe Platz. Sichtlich gerührt nahm der Schweizer die Ovationen der rund 15.000 Zuschauer entgegen.
Achtmal konnte Federer den Titel in Wimbledon gewinnen, erstmals triumphierte er vor 20 Jahren im All England Lawn Tennis and Croquet Club. „Wimbledon war immer ein ganz besonderer Ort für mich“, hatte Federer erst neulich im westfälischen Halle gesagt. Noch heute ist Federer damit Rekordsieger an der Church Road, auch wenn Novak Djokovic in diesem Jahr mit ihm gleichziehen kann.
Erster Wimbledon-Sieg für Federer wie ein Märchen
Im Interview des britischen Senders BBC sagte Federer, sein erster Sieg 2003 sei wie ein Märchen gewesen. „Die Leute haben gesagt, dass ich nur ein Talent bin, aber mit wenig Substanz“, erinnerte sich der Gewinner von 20 Grand-Slam-Turnieren. „Als ich es geschafft hatte, bin ich auf die Knie gefallen. Es war unglaublich speziell, den Pokal zum ersten Mal in den Händen zu halten.“
Letztmals holte Federer den Titel vor sechs Jahren. Im vergangenen Jahr beendete er seine Karriere wegen einer Knieverletzung. Sein letzter sportlicher Wunsch, noch einmal in Wimbledon spielen zu können, erfüllte sich nicht mehr. „Ich hoffe, dass ich noch einmal zurückkommen kann“, hatte Federer im vergangenen Jahr während der Zeremonie zu 100 Jahre Centre Court gesagt.
Immer wieder Probleme mit Knieverletzungen
Doch die Schmerzen im Knie waren zu groß, sodass Federer im vergangenen Herbst beim Laver Cup in London seine eindrucksvolle Laufbahn beendete. Das Bild Federers, wie er weinend neben dem ebenfalls weinenden Rafael Nadal auf der Spielerbank sitzt, war eines der beeindruckendsten Sportfotos des vergangenen Jahres.
Der Schritt in den Ruhestand sei ihm nicht besonders schwergefallen, sagte Federer, der gegen Ende seiner Laufbahn immer wieder von Knieverletzungen zurückgeworfen worden. Dreimal musste er sich am Knie operieren lassen, noch heute ist der Körper noch nicht wieder hundertprozentig hergestellt. „Klar würde man das vielleicht gerne noch einmal erleben. Aber so lange man weiß, dass der Körper das nicht auf diesem Level kann, hast du auch nicht das Bedürfnis, draußen auf dem Platz zu stehen“, sagte Federer, der sich aktuell selbst für einen Showkampf nicht bereit fühlen würde. Doch selbst in der Zuschauerrolle wird Federer mehr gefeiert als so mancher Aktiver.