Bad Homburg. Angelique Kerber ist überrascht von sich selbst. Überrascht, dass sie als Mutter Geduld aufbringen kann. Überrascht, dass sie so viel Tennis schaut. Es sei eine „aufregende Zeit“, sagt sie.
Wenn ihr Töchterchen schläft, stiehlt sich Angelique Kerber manchmal davon. Seit dem 25. Februar bestimmt die kleine Liana ihren Tagesrhythmus. Seitdem hat sich im Leben der einstigen Nummer eins der Tennis-Welt vieles verändert - und Kerber hat neue Seiten an sich entdeckt.
„Ich bin ja nicht der geduldigste Mensch“, gesteht sie lächelnd im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Bad Homburg. Doch jetzt, mit der Kleinen, sei das anders. Sie habe gelernt, dass sie „wirklich geduldig“ bleiben könne. „Und dass ich tatsächlich entspannter bin, als ich gedacht habe.“
Ihr gehe es wirklich gut. Kerber sitzt auf dem Balkon des Clubhauses, während ihre Tochter im Hotel geblieben ist, nur wenige Minuten Fußweg entfernt. „Ich genieße mein Leben ein bisschen anders momentan“, sagt Kerber, „es ist auf jeden Fall eine spannende und aufregende Zeit.“ Ihre größte Herausforderung sei es, die Tage zu planen.
Große Ambitionen im Jahr 2024
Ihre Tennis-Karriere hat die Wimbledonsiegerin von 2018 derzeit unterbrochen, aber nicht beendet. Die Saison 2024 will sie mit großen Ambitionen angehen. Ihre Ziele seien „definitiv die Titel und definitiv die großen Turniere“, sagt die 35-Jährige. Sie glaube daran, dass man auch als Mutter Grand-Slam-Titel feiern könne. „Aber ich weiß auch, dass es ein noch längerer und noch härterer Weg ist als zuvor“, sagt sie: „Aber ich glaube schon, dass alles möglich ist. Man muss einfach den Mut dazu haben, es auszuprobieren.“
Ihr Ziel für ihre Rückkehr sind die Australian Open 2024, dazu die Vorbereitungsturniere im Januar in Australien und möglicherweise der Team-Wettbewerb United Cup. Auch die Olympischen Spiele im nächsten Sommer in Paris hat Kerber im Kopf.
Bei der dritten Auflage der Bad Homburg Open, bei deren Premiere Kerber den Titel holte, füllt die dreimalige Grand-Slam-Siegerin die Rolle als Turnierbotschafterin aus. „Auf mich macht sie einen guten Eindruck. Ich denke, dass sie das auch ein bisschen genießt, das Leben abseits des Tennis“, sagt die aktuelle deutsche Nummer zwei, Anna-Lena Friedsam.
Hier werde ihr auch vor Augen geführt, wie sehr sie die Turniere vermisse, verrät Kerber. „Ich habe mir tatsächlich so viele Matches jetzt im Fernsehen angeschaut wie noch nie“, sagt sie: „Und natürlich vermisse ich diesen Wettbewerb, also diese Emotion, diese Nervosität, diese Momente, diese Siege, aber auch die Niederlagen, die irgendwie dazugehört haben und gehören“. Sie sei überrascht, dass sie „so extrem weiter mit dem Kopf beim Tennis geblieben“ sei.
Kerber lässt sich Zeit
Ihr bisher letztes Match bestritt sie vor ungefähr einem Jahr: In der dritten Runde von Wimbledon verlor sie gegen die Belgierin Elise Mertens. Die anfänglich vage geäußerte Idee, noch in diesem Jahr ihr Comeback zu geben, ist verworfen. „Ich will jetzt nicht: Schnell, schnell - irgendwie, Hauptsache ich komme zurück“, sagt sie. „Wenn ich zurückkomme, möchte ich auch wirklich wissen, dass ich zwei Wochen auf einem hohen Niveau spielen kann und nicht nach einem Match überall Schmerzen habe“, so Kerber: „Es ist für mich auch befreiender, dass ich weiß, ich habe noch ein bisschen Zeit.“
Wie lange man sie dann künftig auf der Tour sehen werde, ist offen. „Das Ziel ist jetzt erst mal 2024“, sagt sie: „Was 2025 passiert - kann ich noch nicht sagen.“
Noch „gar nicht vor so langer Zeit“ sei sie wieder ins Training eingestiegen. Sie legt erst einmal Wert darauf, ihre Fitness zu verbessern. Währenddessen wisse sie ihre Tochter bei der Familie in guten Händen. „Ich lerne jeden Tag dazu“, sagt die Kielerin, die im polnischen Puszczykowo lebt. Mit Blick aufs kommende Jahr meint sie: „Es wird natürlich alles Neuland werden - mit jemanden anderem im Hinterkopf, jemand Wichtigeres. Aber ich freue mich darauf.“