Hamburg. Nach langer Verletzungspause startet Jan Frodeno bei der Ironman-EM in Hamburg. Warum der Ausnahmeathlet in der Hansestadt antritt.

Wenn Jan Frodeno am Sonntag gegen 6.15 Uhr in die Alster springt, wird es genau 686 Tage her sein, dass der Triathlet zum letzten Mal die 226 Kilometer lange Reise (3,8 km Schwimmen, 180 km Rad, 42,195 km Laufen) absolviert hat. Nach vielen Verletzungen möchte der Kölner beim Ironman in Hamburg wieder vorne mitmischen, bevor es im September zur Weltmeisterschaft nach Nizza geht.

Ende des Jahres wird der dreimalige Hawaii-Sieger seine Karriere dann beenden. Mit dem Abendblatt sprach er über seine Erinnerungen an Hamburg, das Karriereende und den Mythos seines Sports.

Hamburger Abendblatt: Herr Frodeno, im vergangenen Jahr mussten Sie nach einem Radsturz dreimal an der Hüfte operiert werden, davor hatten Sie lange Probleme mit der Achillessehne, und im April mussten Sie Ihren Saisonstart wegen einer Erkältung kurzfristig absagen. Vor drei Wochen haben Sie auf Ibiza Ihr Comeback gefeiert. Wie geht es Ihnen jetzt?

Jan Frodeno: Ganz ehrlich, mir geht es gut. Meine Form ist gut, nicht ganz so stabil, wie ich es mir erhoffen würde, aber es war ja doch eine lange Zeit ohne Triathlon für mich. Dafür habe ich das erste Rennen ganz gut verkraftet, sowohl mental als auch körperlich. Für die Motivation ist
Verlieren natürlich immer extrem wertvoll.

Auf Ibiza mussten Sie zwei Kilometer schwimmen, 80,2 Kilometer Rad fahren und 17,8 Kilometer laufen. Ist Platz vier nach einer so langen Pause denn überhaupt eine Niederlage?

Frodeno: Es hat bis auf das Schwimmen an allem gehapert. Einerseits bin ich dankbar, dass es funktioniert hat, aber wie das so ist mit der Dankbarkeit: Die geht auch recht schnell wieder verloren. Dann ärgert es mich natürlich, dass da drei Jungs vorne dran waren. Es geht aber langsam in eine Richtung, wo ich sage: Okay, jetzt fängt es auch wieder richtig an, Spaß zu machen.

Ihr letztes Rennen über die Langdistanz haben Sie im Juli 2021 bestritten, als Sie Ihren eigenen Weltrekord gebrochen haben. Mit welchen Zielen gehen Sie Sonntag an den Start?

Frodeno: Ich muss realistisch sein und die Vorzeichen sehen, weil es eine lange Zeit auf der Verletzungsbank war. Es ist primär das Ziel, gut durchzukommen und läuferisch und auf dem Rad an Bestleistungen anzuknüpfen. Und dann werden wir schauen, wofür es reicht. Die Strecke ist schon sehr an das Rennen auf der Kurzdistanz angelehnt. Ich weiß gar nicht, wie viele Wendepunkte und Kurven es gibt. Das ist schon arg unrhythmisch. Ich bin gespannt, wie ich diese Kurven fahren kann, gerade in der HafenCity sind ein paar Zacken drin. Das muss ich mir auf jeden Fall in Ruhe anschauen, ob man da durchballern kann. Die 200 Höhenmeter versprechen ein schnelles, aber auch konstantes Rennen, wo nie wirklich eine Pause drin ist.

Ironman: Warum Jan Frodeno in Hamburg antritt

Warum haben Sie sich dazu entschieden, in Hamburg an den Start zu gehen?

Frodeno: Wichtig war es mir, eine Langdistanz in Deutschland zu machen, weil wir Triathlon schon am besten können. Aber Hamburg ist da sicherlich das i-Tüpfelchen. Wenn man den Hamburg Wasser Triathlon als Grundlage nimmt, ist das hier der coolste Triathlon der Welt. Ich kenne die Stadt sehr gut und weiß gar nicht, wie oft ich an der Außenalster schon die Runde gelaufen bin. Und dadurch, dass das Rennen die Europameisterschaft ist, hat es einen anderen Stellenwert und qualitativ ein starkes Feld angezogen.

Sie waren zwischen 2004 und 2013 elfmal im Nationaltrikot beim Triathlon in Hamburg am Start. Welche Erinnerungen verbinden Sie damit?

Frodeno: Es war schon immer eine ganz, ganz krasse Stimmung. Das war das erste Mal, dass Triathlon auch ein bisschen Weltsportniveau hatte. Da hat die Reise für mich begonnen, ich habe 2007 mein Olympiaticket geholt und bin 2013 zum Abschluss meiner Karriere auf der Kurzdistanz mit dem Team Weltmeister geworden. Das sind natürlich besondere Erinnerungen, und deswegen für mich auch ein schöner Schritt, hier noch mal hinzukommen. Ich freue mich einfach auf die Stadt

Worauf freuen Sie sich besonders?

Frodeno: Immer, wenn ich in Hamburg bin, gehe ich mit einem Kaffee und Franzbrötchen in der Hand an der Alster spazieren. Das ist auch ein bisschen mein Ritual. Deswegen verbinde ich auch so viel Positives mit der Stadt.

Es gibt fertige Backmischungen für Franzbrötchen als Geschenk zu kaufen.

Frodeno: Das funktioniert nicht, glaube ich. Das sind so Sachen, die gehören an einen Ort, und das ist auch gut so.

Mit dem Rennen in Hamburg wollen Sie sich optimal auf die WM in Nizza im September vorbereiten und Ende des Jahres Ihre Karriere beenden. Wie geht es Ihnen damit?

Frodeno: Klar, wenn man sich das so vor Augen hält und merkt, dass alles irgendwann endlich ist, findet auch in der Vorbereitung alles bewusster und intensiver statt. Aber Karriereende hin oder her, ich arbeite an allen Details und genieße es einfach zu wissen, dass ich höchstwahrscheinlich nicht mehr in eine solche Fitnessform kommen werde und versuche, aus jedem Tag das Maximum rauszuholen. Das ist schon noch mal ein anderes Bewusstsein. Das ist wie mit allem: Es ist einfach spezieller, wenn es rar ist.

Frodeno über Faszination Ironman Hamburg

Das Rennen in Hamburg war laut Veranstalter Ironman das erste, das in diesem Jahr ausverkauft war. Was macht die Faszination dieses Sports und den damit verbundenen Qualen aus?

Frodeno: Es ist einfach eine große Herausforderung, selbst für mich ist es ein bisschen wie eine Odyssee, bei der man einfach nicht genau weiß, was an dem Tag passiert. Und die Qualen, die Sie ansprechen, gilt es zu vermeiden – auch ich leide sehr ungern. Es ist die Suche nach der eigenen Grenze und zu schauen, ob man durch diese doch relativ verrückten 226 Kilometer gut durchkommt.

Offenbar möchten immer mehr Menschen auf diese Suche gehen.

Frodeno: Der Sport ist insgesamt extrem gewachsen und ist seinen Wurzeln trotzdem relativ treu geblieben. Und es ist nach wie vor ein Abenteuer, durch das sich jeder und jede allein durchkämpfen muss. Auch im Profibereich hat sich viel getan. Für die Mutter eines
18-Jährigen, der sagt, er will Triathlon-Profi werden, ist die Antwort nicht mehr ganz so herausfordernd wie früher.

Was hat Ihre Mutter denn damals gesagt?

Frodeno: Es gab keine andere Antwort als Ja, aber zu dem Zeitpunkt war es einfach sehr schwer denkbar, dass man als Profi irgendwie überleben kann. Das hat sich sicherlich stark verändert.

Inzwischen mischen auch viele junge Athleten in der Weltspitze mit. Kommt es vor, dass einer sagt: ‚Jan, du hast mich damals inspiriert und jetzt stehen wir hier zusammen an der Startlinie‘?

Frodeno: Diese Momente gibt es ehrlicherweise relativ häufig. Es ist schon cool zu sehen, dass da viele dabei sind, die sich an Rennen von mir erinnern und sich dadurch motiviert haben, das selber anzugehen.

Macht Sie das stolz?

Frodeno: Stolz ist ein komisches Wort. Es freut mich, aber es freut mich genauso, wenn ein Altersklassen-Athlet zu mir kommt und sagt, er hat seine inneren Dämonen schlagen können und es bei krassestem Regen vor die Tür geschafft. Das ist jetzt nichts, was ich mit mir verbinde, weil die Leute den Impuls selbst geben, aber es ist einfach ein schöner Nebeneffekt des Sports. Andere zu inspirieren, ist vielleicht auch der Sinn und Zweck des Profisports.