Hamburg. Schwergewichts-Boxer will in Hamburg Europameister werden. Mit dem Projekt „Plant for Future“ kämpft er auch für die Natur.
Eine gute halbe Stunde hat er erzählt von den Leidenschaften in seinem Leben, mit einem Funkeln in den Augen, das man nicht vortäuschen kann. Aber als die Sprache auf den „Fantastischen Baumsteiger“ kommt, scheint der gesamte Körper dieses 195 Zentimeter langen Hünen zu leuchten.
„Das, was ich im Regenwald erlebe, ist mit nichts zu vergleichen“, sagt Felix Langberg, während er sich die Boxstiefel von den Füßen abstreift, und es ist der Moment, in dem einmal mehr klar wird, dass Beruf und Berufung längst nicht bei jedem Menschen deckungsgleich sein müssen.
Felix Langberg, vor 31 Jahren in Rostock geboren und bis heute dort zu Hause, ist Profiboxer, und man täte ihm gewaltig unrecht, wenn man behauptete, dass ihm sein Beruf nicht alles bedeutet. An diesem Sonnabend greift der Schwergewichtler auf der ausverkauften Gala des neuen Hamburger Profistalls P2M im Hotel Grand Elysée am Dammtor nach dem EM-Titel des Weltverbands WBA.
Sein Gegner ist der Essener Patrick Korte (39), es ist „die Chance, auf die ich mein Leben lang gewartet habe“, sagt Langberg. Es ist eine Formulierung, die nicht ganz passt, denn auf etwas gewartet hat der großflächig tätowierte Mann mit dem markanten Vollbart eigentlich nie in seinem Leben.
Langberg erste Begegnung mit dem Regenwald
Im Gegenteil: Felix Langberg hat immer zugepackt, wenn sich Gelegenheiten ergaben, und deshalb hat er seine Berufung darin gefunden, sich für den Schutz der Umwelt im Allgemeinen und die Rettung des südamerikanischen Regenwalds im Besonderen zu engagieren. Angefangen hat alles vor 15 Jahren, als er zum Schüleraustausch nach Brisbane in den australischen Bundesstaat Queensland flog. „Da war ich zum ersten Mal im Regenwald, das hat mich sofort total mitgenommen“, sagt er.
Reisen stand für ihn sehr früh im Mittelpunkt seines Lebens. „Ich wollte immer raus, wollte die Welt sehen“, sagt Felix Langberg, der über seine schwierige Jugend nicht gern öffentlich sprechen möchte. Als Mitglied der Rostocker Skaterszene kam er früh mit Menschen aus vielen Ländern und Gesellschaftsschichten in Kontakt. Bis heute reist er mindestens einmal im Jahr mit seiner Gruppe, die rund 20 Mitglieder umfasst, zu Boarder-Hotspots.
Zwei Wochen nach seinem Titelkampf geht es, sofern er gesund aus dem Ring steigt, nach Athen. „Mit meinen 115 Kilogramm Kampfgewicht muss ich zwar bei manchen Sprüngen mittlerweile ein bisschen aufpassen“, sagt er, „aber Skaten hat meinem Leben einen Sinn gegeben, ich habe mit neun damit begonnen und bin in dieser Subkultur aufgewachsen.“
Regenwald fasziniert ihn als Großstadtdschungel
Allerdings merkte er mit der Zeit, dass ihn die wilde Natur des Regenwalds deutlich mehr fasziniert als der Großstadtdschungel. Mit seiner Frau Kim, einer Grundschullehrerin, die er 2015 im Fitnessstudio kennenlernte, bereiste er Südostasien, Australien und Südamerika und erweiterte dadurch seinen Horizont.
„Ich war davon so begeistert, dass ich unbedingt etwas tun wollte, um mich für die Umwelt zu engagieren“, sagt er. Also gründete er 2020 mit zwei Freunden das Unternehmen „Plant for Future“, zunächst als GmbH, seit Oktober 2022 sind sie als eingetragener Verein gemeinnützig anerkannt. Im November erschien der Dokumentarfilm „Der Amazonas-Job“, den Langberg mit dem Rostocker Rapper Marteria drehte.
„Wir arbeiten komplett ehrenamtlich, jeder Cent, den wir generieren, fließt in unsere Projekte“, sagt der studierte Maschinenbau-Ingenieur, der seinen Master mit 2,0 und seine Masterarbeit mit 1,3 absolvierte. „Plant for Future“ bietet auf seiner Homepage (plantforfuture.org) nicht nur an, Patenschaften für in Deutschland gepflanzte Bäume zu übernehmen.
In Peru rettete er einen Pfeilgiftfrosch
In der Region Yurimaguas, einem Amazonasgebiet im nordöstlichen Peru, haben sie ein 40 Hektar großes Urwaldgebiet gekauft und damit vor der Rodung gerettet. Es ist die Heimat des „Fantastischen Baumsteigers“, einem daumennagelgroßen Pfeilgiftfrosch, der 130 Jahre lang als ausgestorben galt – und ausgestorben wäre, wenn sich Langberg und seine Mitstreiter nicht eingemischt hätten.
„An diese Gebiete im Norden Perus trauen sich nur wenige Leute heran. Aber wir hatten das Gefühl, dass wir etwas tun mussten“, sagt Felix Langberg, der bei seinem letzten Besuch im von schweren Unruhen geplagten Peru auf einem kleinen Boot zum Flughafen fliehen musste, weil die Straßen von bewaffneten Milizen versperrt waren. Seinen Kampf für den Regenwald beeinträchtigt so etwas nicht. „Wir wollen nach und nach noch mehr Gebiete kaufen, um ein zusammenhängendes Naturreservat daraus machen zu können“, sagt er.
Dafür allerdings brauche es Unterstützung von Unternehmen, um die finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Dennoch zählt jeder Beitrag. So läuft zum Beispiel in Rostock aktuell ein Schulprojekt, in dem die Kinder den „Fantastischen Baumsteiger“ malen und ein Euro pro eingereichtem Bild über Sponsoren generiert wird. „Mittelfristig wollen wir solche Aktionen auch bundesweit anschieben, aber wir wachsen Schritt für Schritt“, sagt Felix Langberg.
Boxer Felix Langberg ist sehr zufrieden
Sein nächster Schritt ist nun der Titelkampf in Hamburg. Wer ihn fragt, warum er sich mit anderen Kraftprotzen im Ring herumschlägt, anstatt in Vollzeit die Umwelt zu retten oder in seinem erlernten Beruf zu arbeiten, der erhält als Antwort ein Lächeln. „Das fragen mich einige. Aber ich bin sehr zufrieden damit, wie mein Leben gerade läuft. Ich kann mit meiner Leidenschaft Boxen Geld verdienen und hätte mich später bestimmt geärgert, wenn ich es nicht versucht hätte, als 2020 die Chance kam“, sagt er.
Mitten in der Corona-Zeit hatte Felix Langberg, der seit seiner Jugend Kampfsport betreibt und im Kick- und Thaiboxen sowie im MMA erfolgreich war, den Sprung ins Profiboxgeschäft gewagt. „Ich war immer schon boxlastig, habe meine Kämpfe mit den Händen entschieden“, sagt er., „deshalb war es logisch, es im Boxen zu versuchen.“ Mittlerweile ist er in elf Profikämpfen unbesiegt, nur einer davon ging über die Runden.
- Schock für Hamburger am ersten Boxabend im Porsche-Zentrum
- Wie der Boxsport Parkinson-Kranken hilft
- Henry Maske: „Ich musste immer gegen Widerstände ankämpfen“
Langberg ist sicherlich kein Ästhet im Ring, Kombinationen sieht man bei ihm selten. Aber wo er richtig hinlangt, kann es schnell dunkel werden, und genau darauf baut auch sein Cheftrainer Christian Morales. „Felix ist spät Profi geworden und wird das, was ihm an Grundausbildung fehlt, nicht aufholen. Aber er hat einen harten Punch, das Herz und den Willen, um alles aus sich herauszuholen“, sagt er.
Wozu das dann reicht, bleibt abzuwarten. „Ich habe mir nie angemaßt zu glauben, dass ich mit den Topleuten mithalten kann. Aber ich bin ein guter Boxer, kann mich meinen Gegnern anpassen und werde alles dafür geben, um so erfolgreich wie möglich zu sein“, sagt er. Es ist diese Mischung aus Realismus und Perfektionismus, die ihn noch weit bringen kann.