Hamburg. Der Diskuswerfer ist Hamburgs bislang letzter Olympiasieger in einer Einzeldisziplin. Sein Blick auf den Sport und die Stadt bleibt kritisch.
Er trug bei Wettkämpfen meist zum Schutz seiner Augen eine Sonnenbrille. Er sei jedoch kein Sonnyboy, hat er einmal gesagt, aber eben auch keiner derjenigen, die sich ihre Popularität mit Kompromissen erkaufen wollen. Dass Rolf Danneberg, Olympiasieger 1984 in Los Angeles im Diskuswerfen, Olympiadritter 1988 in Seoul, am morgigen Mittwoch 70 Jahre alt wird, dürfte deshalb einer breiteren Öffentlichkeit verborgen bleiben. Danneberg ist das ganz recht. Der bisher letzte Hamburger Olympiasieger in einer Einzeldisziplin feiert, wie er es immer am liebsten getan hat, im kleinen Kreis in seinem Haus im Stadtteil Hinschenfelde.
Nach dem Krebstod seiner langjährigen Lebensgefährtin vor knapp drei Jahren ist es etwas einsamer um ihn geworden. Sein Sohn Sebastian (26) aus einer früheren Beziehung besucht ihn regelmäßig, erstellt die Updates seiner digitalen Kommunikationsmittel. Mit Jürgen Schult (62), einst sein großer Konkurrent aus der DDR, Olympiasieger 1988, bis heute Diskus-Weltrekordler, später Bundestrainer, hält er weiter Kontakt. Beide verbindet die Hingabe an den Leistungssport, die Liebe zu den Details des komplizierten Bewegungsablaufs. Die zwei Kilogramm schwere Scheibe war ihre Welt.
Hamburgs letzter Olympiasieger feiert seinen 70. Geburtstag
Aktiv Sport zu treiben fällt Danneberg zunehmend schwer. Seit rund zehn Jahren leidet er unter Polyneuropathie, einer gestörten Reizweiterleitung der Nerven. Seine Füße fühlen sich taub an, selbst Spaziergänge werden für ihn zur Herausforderung. Seine Ärzte rätseln über die Ursachen, schlossen alle naheliegenden medizinischen Gründe wie Diabetes aus. Die Pharmaindustrie wiederum habe wenig Interesse, die Krankheit intensiv zu erforschen, weil offenbar zu wenige Menschen von ihr betroffen seien, klagt Danneberg.
Seine Meinung über Sport, Politik und Gesellschaft vertritt er immer noch mit jener Gradlinigkeit, die ihn auszeichnete, ihn des Öfteren in Funktionärskreisen anecken ließ. Danneberg, der in Hamburg Sozialkunde mit Schwerpunkt Volkswirtschaft und Sport auf Lehramt studierte, später aber nie als Lehrer arbeitete, fühlt sich im Nachhinein in seiner Kritik bestätigt. Es werde viel geredet, ohne dabei inhaltlich voranzukommen. Die deutsche Leichtathletik steuere Richtung Erfolglosigkeit, obwohl sich die finanziellen Rahmenbedingungen mit Sporthilfe, Bundeswehr und Bundespolizei für die Athletinnen und Athleten gegenüber den 1980er-Jahren maßgeblich verbessert hätten.
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Nach seiner Karriere arbeitete Danneberg gelegentlich als Trainer
„Heute versucht fast jeder mit seinen Beratern und Trainern seinen eigenen Weg zu gehen, am liebsten im Ausland, absentiert sich von seinen Team- und Disziplinkollegen“, sagt Danneberg. „Wir waren eine Gruppe von fünf, sechs Diskuswerfern, die sich gegenseitig motivierten. Manchmal kamen Hammer- und Speerwerfer und Kugelstoßer dazu. Wir haben alle viel voneinander lernen können.“
Nach seiner Karriere arbeitete Danneberg gelegentlich als Trainer, betreute das Hamburger Diskustalent Markus Münch, führte ihn 2009 zur WM, 2010 zur EM. Auch wenn er der Stadt vorhält, sich zu wenig für den Leistungssport zu engagieren, die Leichtathletik-Trainingshalle in Winterhude „hätte ich damals gern gehabt, um auch im Winter an meiner ausbaufähigen Technik arbeiten zu können“.
Als Rentner hat Danneberg sein Auskommen, große Würfe seien allerdings nicht mehr drin. Als er bei der Rentenkasse anfragte, ob seine Jahre als Leistungssportler als Arbeitszeiten angerechnet werden könnten, erhielt er die Antwort: „Das war Ihr Privatvergnügen.“ Wenn Deutschland weiter so mit seinen Spitzensportlern umgehe, dürfe sich niemand wundern, wenn die Erfolge irgendwann komplett ausblieben, sagt Danneberg.