Hamburg. Mit den UHC-Herren wurde er als Trainer dreimal Europapokalsieger. Den Deutschen Hockey-Bund soll Schultze nun in die Weltspitze führen.
34 Stunden hat die Rückreise gedauert. Erst am Donnerstagabend war Martin Schultze nach zwei Wochen Dauerstress beim Auftakt der Saison 2022/23 in der Nationenserie Hockey Pro League in Mendoza (Argentinien) wieder zurück bei seiner Familie in Achim bei Bremen.
Doch die Eindrücke und Erfahrungen, die der 51-Jährige sammeln konnte auf seiner ersten Dienstreise für den Deutschen Hockey-Bund (DHB), die lassen am Freitagmittag im Interview mit dem Abendblatt – seinem ersten in der neuen Funktion als DHB-Sportdirektor – dem Jetlag keine Chance. „Die Euphorie, die in Argentinien um das Hockey herrscht, ist unglaublich. So etwas auch nur annähernd in Deutschland hinzubekommen, davon träume ich“, sagt er.
Neuer Sportdirektor Schultze hat große Aufgaben vor sich
Nun denn: In seinem neuen Amt kann Martin Schultze zumindest einen gewichtigen Teil dazu beitragen, aus dem Traum Realität werden zu lassen. Als Sportdirektor im erfolgreichsten olympischen Teamsport Deutschlands ist er maßgeblich für die Entwicklung der Nationalmannschaften zuständig.
Aber auch die Förderung der Nachwuchs-Auswahlteams, die Optimierung der Talentsichtung, die Verzahnung von Leistungs- und Breitensport und die administrative Arbeit bei der Umsetzung der Leistungssportreform in Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund und dem Bundesinnenministerium, das die Fördermittel bereitstellt, stehen auf der Agenda.
Eine Vielzahl von Themen also, in die sich der gebürtige Hanauer, der mit seiner Familie seit 2005 im Norden lebt, einarbeiten muss, die ihm aber allesamt nicht fremd sind. Schließlich hat er in den vergangenen 17 Jahren als Geschäftsführer des Bremer HC unter Beweis gestellt, dass er aus dem Nichts Strukturen aufbauen und erfolgreiche Hockeyteams entwickeln kann. „Natürlich sind das beim DHB jetzt andere Dimensionen“, sagt er, „aber ich habe über die Jahre doch einiges an Erfahrung sammeln können, was mir jetzt helfen wird“, sagt er.
In Hamburg war Schultze ein Titelsammler
In Hamburg ist der Mann, der in Hockeykreisen den aus seiner Zeit als Bundesliga-Mittelstürmer des THC Hanau stammenden Spitznamen „Bomber“ trägt, als Titelsammler bekannt. Mit den Herren des Uhlenhorster HC gewann er zwischen 2006 und 2013 dreimal die Euro Hockey League, seinen Job als UHC-Cheftrainer verband er aber schon damals mit seinen Aufgaben in Bremen, wo er bis zuletzt die Bundesligadamen und die weibliche Jugend A coachte. Nun aber hat der A-Lizenz-Inhaber bewusst entschieden, nicht mehr am Spielfeldrand Verantwortung tragen zu wollen, sondern sich auf das Gestalten zu konzentrieren.
„Ich habe gespürt, dass ich noch einmal eine neue Herausforderung annehmen wollte“, sagt er. Bereits im Winter 2020, als der DHB einen Nachfolger für den langjährigen Sportdirektor Heino Knuf suchte, war Schultze ein Kandidat. Damals entschied sich der Verband für Ex-Nationalspieler Christoph Menke-Salz. Nachdem dieser nun im Spätsommer ins Marketing des Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach abwanderte, war der Posten erneut vakant – und Schultze zur Stelle. Als zweite Wahl fühlt er sich keineswegs. „Für mich war es überhaupt kein Problem, dass Christoph damals das Rennen gemacht hat, ich hatte ja nichts zu verlieren“, sagt er heute.
DHB-Präsidentin schwärmt von Schultzes Fähigkeiten
Die zweite Chance zu suchen und auch zu nutzen, das kann vielmehr auch ein Zeichen für Beharrlichkeit sein. Tatsächlich gilt Martin Schultze als einer, der mit Ruhe und Übersicht an der Fortentwicklung seiner Themen arbeitet. „Martin Schultze ist ein großer Gewinn für den DHB. Mit seinen 30 Jahren Berufserfahrung im Hockey ist er genau der Richtige für den Posten.
Sein Netzwerk und sein Wissen werden den Verband weiter voranbringen“, sagt DHB-Präsidentin Carola Morgenstern-Meyer. Martin Schultze selbst glaubt, dass seine Erfahrungen im Netzwerken und im kreativen Beschaffen von Finanzmitteln die wichtigsten Elemente sind, die er für den Verband einbringen kann.
Schultzes Auftrag: Rahmenbedingungen für größtmöglichen Erfolg schaffen
Gerade die Finanzierung des Leistungssports ist für nur alle vier Jahre im Rampenlicht stehende Randsportverbände ein Dauerthema. Während auch im Hockey in der Weltspitze das Profitum voran-schreitet und viele Topnationen ihre Auswahlteams über weite Strecken des Jahres zentral zusammenziehen, setzt man in Deutschland weiterhin auf das duale System aus Leistungssport und Berufsausbildung. „Ich habe dafür große Sympathien, dass sich unsere Sportlerinnen und Sportler auch mit anderen Dingen beschäftigen“, sagt auch Martin Schultze, „gleichwohl muss man eingestehen, dass spätestens seit der Einführung der Pro League ein begleitendes Studium oder gar ein Berufsleben nebenher kaum möglich ist.“
Martin Schultze will Fördersysteme im Hockey entwickeln
Deshalb gelte es, die Rahmenbedingungen zu optimieren. „Die Bundeswehr als Förderer ist ein wichtiger Ansatz, aber wir müssen weitere Fördersysteme entwickeln“, sagt er. Außerdem müsse in der dezentralen Trainingsstruktur mit mehreren über das Land verteilten Stützpunkten – einer davon ist Hamburg – die Ausstattung der einzelnen Leistungszentren optimiert werden. „Wir müssen vor allem daran arbeiten, dass wir unseren Nachwuchs noch besser ausbilden und an die A-Nationalteams heranführen. Insbesondere im athletischen Bereich haben wir da noch viel Potenzial“, sagt Martin Schultze.
Die Reise nach Argentinien, wo die deutschen Damen und Herren je zweimal auf die Gastgeber und Belgien trafen, konnte er nutzen, um die Teams über einen längeren Zeitraum intensiv zu begleiten und auch die Mitarbeitenden in den Trainer- und Funktionsteams kennenzulernen.
„Für mich ist es sehr wichtig zu verstehen, wo der Schuh drückt und was ich tun kann, um zu helfen. Dafür war die Zeit in Mendoza Gold wert“, sagt er. Seine Überzeugung, nach den ernüchternden, weil medaillenlosen Sommerspielen von Tokio 2021 schon in zwei Jahren in Paris wieder mit beiden Geschlechtern um Olympiamedaillen mitspielen zu können, lebt. „Wir haben gezeigt, dass wir nah dran sind an der Weltspitze. Aber das Selbstverständnis, dass deutsche Hockeyteams immer mit Medaillen von Großereignissen nach Hause kommen, gibt es nicht mehr. Wir müssen hart arbeiten, um konkurrenzfähig zu bleiben.“
Neuer Sportdirektor Schultze feiert Premiere in Hamburg
Nur Erfolge helfen schließlich, um sichtbar zu bleiben. Umso glücklicher ist Martin Schultze, dass die kommenden beiden Großevents, die ersten unter seiner Ägide, in der Heimat stattfinden. Vor allem auf die Hallen-EM, die vom 7. bis 11. Dezember in der Sporthalle Hamburg ansteht, freut er sich aus alter Verbundenheit zur Stadt.
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Auch die Feld-EM in Mönchengladbach vom 18. bis 27. August 2023, bei der am Freitag bei der Auslosung die Herren mit den Niederlanden, Wales und Frankreich sowie die Damen mit England, Schottland und Irland in eine Gruppe kamen, ist ein wichtiger Höhepunkt, den es aus sportlicher und Vermarktungssicht zu nutzen gelte.
Martin Schultze wird als Gestalter gefragt sein in den kommenden Jahren. Seine wichtigste Aufgabe sieht er selbst darin, „die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, größtmöglichen Erfolg zu haben“. Dass Hockey Nationalsport Nummer eins wird, wie es in Argentinien zumindest bei den Damen der Fall ist, dürfte ein Traum bleiben. Aber dass er aus Träumen Titel machen kann, das hat er zumindest als Trainer schon mehrfach bewiesen.