Hamburg. Martin Engvik trainiert das Beachvolleyball-Duo Ludwig/Lippmann. Er denkt, dass es nie ein besseres Team gegeben haben könnte.
Martin Engvik war 14 Jahre alt, als er die Liebe seines Lebens fand. Ein Schulfreund hatte ihn in seiner Heimat Oslo zu einem Beachvolleyballturnier mitgenommen, während er gerade auf der Suche nach einem Ersatz für die Fußballkarriere war. Den Fußball hatte er ein Jahr zuvor aufgegeben, weil er den Eltern als zu zeitintensiv erschien.
„Ich habe mich Hals über Kopf in den Sport verliebt. Seitdem ist er meine Berufung“, sagt der 44-Jährige, als er das Abendblatt im BeachCenter am Olympiastützpunkt in Dulsberg empfängt, um über den Job zu sprechen, um den ihn, wie er sagt, „jeder Trainer auf der Welt ein bisschen beneidet“.
Das Team hinter Laura Ludwig und Lippmann
Martin Engvik, seit einem Jahr Trainer am Bundesstützpunkt der Strandvolleyballer in Hamburg, ist der neue Mann an der Seite des Teams, auf das von diesem Mittwoch an die Beachvolleyballwelt schaut. Laura Ludwig (36), Olympiasiegerin von Rio de Janeiro 2016, bestreitet nach der im Mai erfolgten Geburt ihres zweiten Kindes in Kapstadt ihr erstes Turnier. An ihrer Seite: Louisa Lippmann (28), viele Jahre Deutschlands beste Hallenvolleyballerin und in diesem Sommer in den Hamburger Sand gewechselt.
Für seine gemeinsame World-Tour-Premiere hat das Duo für das Elite-16-Turnier in Südafrika in dieser Woche und das Challenger-Event in Ägyptens Hauptstadt Kairo (17. bis 20. November) Wildcards für das Hauptfeld erhalten.
Als Ende Juli offiziell bekannt wurde, dass Ludwig und Lippmann gemeinsam den Angriff auf die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris starten würden, war die Szene in Aufruhr. Die nachgewiesen beste Abwehrspielerin der Welt im Duett mit der besten Hallenspielerin Deutschlands – enormes Potenzial steckt in dieser Kombination, das nun der Norweger Engvik heben soll.
Allerdings nicht allein. Lippmann arbeitet weiter mit dem wegen interner Querelen aus dem nationalen Verband DVV ausgeschiedenen „Head of Beachvolleyball“ Jürgen Wagner (66) zusammen, Ludwig wird vor allem im athletischen Bereich von ihrem Ehemann Imornefe „Morph“ Bowes (46) betreut. Außerdem zählen Co-Trainerin Helke Claasen (45) und Mentalcoach Anett Szigeti (42) zum Trainerteam.
Sprengen Laura Ludwig und Lippmann alle Rekorde?
Der Mann, der als Chefcoach die Fäden zieht, ist allerdings Martin Engvik, und dass er große Ziele hat, daraus macht der langjährige Tourspieler kein Geheimnis. Im Gegenteil: „Die Mädels werden mich für diese Aussage hassen, aber ich bin der Überzeugung, dass sie das beste Team werden können, das jemals gespielt hat“, sagt er. Mehr Säbelrasseln geht nicht, aber es gebe keinen Grund, sich kleiner zu machen.
Warum er nach nur wenigen Wochen gemeinsamen Trainings zu dieser Einschätzung gelangt sei? „Nun, Laura hat oft nachgewiesen, dass sie zu den besten Abwehrspielerinnen der Welt zählt. Und Louisa hat körperliche Voraussetzungen, bei denen maximal fünf Prozent der Gegnerinnen mithalten können.“
Selbstverständlich werde man all das in Kapstadt und Kairo noch nicht in Augenschein nehmen können. Zwar hat Louisa Lippmann im August bei der EM in München mit Ludwigs Rio-Goldpartnerin Kira Walkenhorst (31/Essen), die sich nur noch auf die nationale Tour konzentriert, erste internationale Spuren im Sand hinterlassen.
„Aber wenn der Weg bis Paris ein 400-Meter-Lauf ist, dann hat sie gerade einmal den Startblock verlassen“, sagt Engvik. Es brauche viel Geduld und intensive Arbeit, um insbesondere die Elemente Annahme und Aufschlag, die die 1,90 Meter lange Angreiferin in der Halle fast nie brauchte, auf Weltspitzenniveau zu bringen. „Aber sie bringt eine herausragende Arbeitsmoral mit und will sich jeden Tag verbessern“, sagt der Coach, der die Novizin unterstützen will, indem er komplizierte Dinge vereinfache.
Laura Ludwig machte Fehler nach Schwangerschaft
Etwas anders ist seine Herangehensweise im Fall Ludwig. „Für sie bin ich eher ein Sparringspartner, der ein paar Ideen hat, wie man sie noch besser machen kann, als sie schon ist“, sagt Martin Engvik, der als Single in Dulsberg lebt. Was die körperliche Rehabilitation nach der Geburt des zweiten Kindes angeht, verlasse er sich komplett auf Ludwigs Ehemann. „Morph weiß genau, was zu tun ist. Die beiden haben aus den Fehlern nach der ersten Schwangerschaft, als Laura zu schnell zu viel wollte, viel gelernt, sodass sie schon wieder auf einem erstaunlichen Level ist.“
Dennoch gelte es, nichts zu überstürzen, auch wenn die Erwartungen von außen ebenso hoch sind wie die intrinsischen. „Unser Ziel muss es sein, Ende 2023 komplett konkurrenzfähig zu sein. Bis dahin wollen wir den Weg genießen und die nötigen Punkte holen, die es für die Olympiaqualifikation braucht“, sagt er. Das war auch der Hauptgrund, warum das Team trotz des Trainingsrückstands die Wildcards für Kapstadt und Kairo angenommen hat.
„Wir brauchen Punkte, um in der kommenden Saison in die Hauptfelder der Topturniere zu kommen. Außerdem freue ich mich darauf herauszufinden, auf welchem Leistungsstand wir aktuell sind. Wir werden nicht die Turniere gewinnen, einige Spiele aber bestimmt“, sagt er.
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Ludwig-Coach mit Seitenhieb gegen Verband?
Mutige Ansagen sind das, aber Martin Engvik wählt jedes seiner Worte mit Bedacht. Während seiner aktiven Karriere schloss er sein Masterstudium der Psychologie ab, später, bevor er 2005 hauptberuflich ins Trainerfach wechselte, legte er einen Master in Philosophie nach. Beides Felder, die im Umgang mit Leistungssportlerinnen wichtig sein können. Wobei er selbst der Philosophie überraschenderweise mehr Bedeutung zuschreibt. „Ich habe dadurch gelernt, die Frage nach dem Warum zu stellen und Antworten darauf zu finden. Das hilft oft“, sagt er.
Warum sollte ich wechseln, diese Frage hatte er sich vor zwölf Monaten gestellt, als der DVV ihm den Bundestrainerposten anbot. Seine Antwort: „Ich war 15 Jahre in Norwegen tätig, und mir war klar, dass ich kein besserer Trainer werden würde, wenn ich die Offerte ablehnen würde. Die Alternative wäre gewesen, mit dem Beruf aufzuhören, denn Stillstand ist Rückschritt“, sagt er. Also folgte er dem Lockruf Jürgen Wagners, dessen Abgang er „zwar nicht als Problem, aber doch als große Enttäuschung“ empfunden hat. Sie passe jedoch zu seiner Wahrnehmung, „dass auch in Deutschland, das in der Welt immer als bestens organisiert angesehen wird, nicht alles rund läuft.“
Man kann das als Seitenhieb auf den DVV verstehen, Engvik meint es jedoch als nüchterne Zustandsbeschreibung. Die beste Antwort auf die Frage nach dem Warum des Wechsels, die hat Laura Ludwig ihm gegeben mit ihrer Anfrage, ob er sich einen gemeinsamen Versuch vorstellen könne. „Ich habe jetzt das spannendste Projekt des Beachvolleyballs vor mir. Was will ich mehr?“