Hamburg. Das Stadion Hoheluft ist eine Kultstätte des Amateurfußballs. Vor allem die Tribüne des SC Victoria ist ein echter Hingucker.

Am 15. November, Anpfiff 19.30 Uhr, kehrt Holstein Kiel an einen historischen Ort zurück. Der Zweitligist bestreitet ein Freundschaftsspiel beim Hamburger Oberligisten SC Victoria im Stadion Hoheluft. Der Spielstätte, in der Kiel im Jahr 1912 seinen einzigen deutschen Meistertitel holte. Es ist ein Jubiläumsspiel.

Victorias Tribüne, Markenzeichen des 3700 Mitglieder starken Vereins, dessen Stadion wegen der lokalen Pokalendspiele gern als „Hamburger Wembley“ bezeichnet wird, wird an diesem Sonnabend 100 Jahre alt. „Kiel ist der perfekte Gast für diesen Anlass“, sagt Victorias Vorsitzender Ronald Lotz (56). Zumal das Ablösespiel für Fabian Boll noch aussteht, der 2019 vom Trainerstuhl des SC Victoria als Assistent von André Schubert zu den Kielern wechselte.

Amateurfußball: Victorias Tribüne hat eine eindrucksvolle Historie

Über all diesen Ereignissen wie Vereinswechseln thront das aktuell 804 Fans fassende Bauwerk stoisch. 2019 wurde es zur Würdigung des ehemaligen Ligaspielers und großen Victoria-Sponsors kurz vor dessen Tod in „Fred-Hölzer-Tribüne“ umbenannt. Viele große Duelle, sogar drei Länderspiele, hat die Tribüne gesehen, vielen legendären Kickern wurde auf ihr zugejubelt.

Ihre Geschichte beginnt jedoch nicht mit einem Fußballspiel. „Unsere 1911 gebaute überdachte Sitztribüne brannte am 5. Dezember 1921 ab. Den Überlieferungen nach sollen Stadtstreicher ein Feuer zum Aufwärmen gemacht haben“, sagt Victorias Vorstandsmitglied Heinrich Helmke (75).

Am Ende einer großen Hilfsaktion wurde die Tribüne für 1,3 Millionen Mark neu aufgebaut. Ein Dach aus Holz, verstärkt mit Wellblech und einem Sockel aus Beton für 1000 Anhänger. Zur Einweihung war am 15. Oktober 1922 der HSV zu Gast, siegte 2:1. Zehn Jahre später folgte eine dunkle Stunde, Adolf Hitler hielt vor 50.000 Zuschauern eine Rede im Stadion.

Als Victoria den FC Bayern schlug

In die Zeit des Nationalsozialismus fallen 1938 große sportliche Erfolge. Im „Tschammer-Pokal“ schickte Victoria den „Schalker Kreisel“ des FC Schalke 04 mit 4:3 heim, Bayern München unterlag den Victorianern in einem Freundschaftsspiel mit 1:6. Bis Kriegsende blieb die Tribüne von Bomben verschont. Das in ihr beheimatete, berühmte Clubheim wurde am 16. November 1947 eröffnet, seit Mai 1959 heißt es „Victoria-Klause“. Von 1974 bis 1986 lernte Stefan Effenberg in den Junioren das Kicken, Victorias Jugendspieler Walter Junghans hechtete vor seinem Wechsel zu Bayern München in der Saison 1976/77 sogar in der Ligamannschaft durch den Strafraum.

Viele Titel bei den Amateuren holte Victoria, immer vor der vereinseigenen Tribüne. 2008 rüstete der Verein das Stadion Hoheluft für Altona 93 regionalligatauglich um. „Wir wollten die wunderschönen Holzbänke behalten, haben sie geschliffen, angemalt und nummeriert. Der DFB erlaubte uns das jedoch nicht. Wir mussten Schalensitze montieren. Ein trauriger Moment für uns“, erinnert sich der SCV-Vorsitzende Lotz.

DFB-Pokal-Sensation gegen Oberhausen

Ihr größtes Spektakel dieses Jahrtausends erlebte die Tribüne bei der DFB-Pokalsensation am 15. August 2010. Oberligist SC Victoria schlug vor 1600 Fans Zweitligist Rot-Weiß Oberhausen nach einem Freistoßtor von Stephan Rahn 1:0. „Unsere Tribüne hat mit ihrer Anfeuerung einen enormen Beitrag geleistet“, sagt Helmke. „Ich war allerdings für die Pressearbeit zuständig und bin 90 Minuten lang fast nur hin und her gelaufen.“

Über einen weiteren speziellen Beitrag denkt Helmke derzeit nach. „Angeblich ist beim damaligen Wechsel von Walter Junghans zu den Bayern ein Ablösespiel mit Uli Hoeneß vereinbart worden. Es kam nie zustande. Ich überlege, ob ich Hoeneß anrufe und ihn mit dem 1:6 konfrontiere, das seine Bayern 1938 hier kassiert haben. Vielleicht kommen die Bayern ja doch noch zu uns. Unsere Tribüne würde sich freuen.“